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25 Years after - Mein Leben mit der CD; Folge 88: Edda Müvek - Elveszett Illúziók

Ungarn! Wenn man diesen Namen heute hört, denkt man an das immer weiter um sich greifende Aufkommen nationalstaatlich egoistischer Politik, die ein solidarisches Zusammenleben der europäischen Nationen, oder sogar der ganzen Welt immer schwieriger erscheinen lässt. Die CD, die ich für diesen Monat in dieser Kolumne besprechen möchte, habe ich mir vor genau 25 Jahren in der ungarischen Hauptstadt Budapest gekauft, und sie lässt mich an drei sehr unterschiedliche Besuche dort denken, die eher von großer Hoffnung geprägt waren.

Der erste Besuch war ursprünglich gar nicht geplant. 1988 dürfte es gewesen sein. Mit einem Freund hatte ich Urlaub im damals noch existenten Jugoslawien gemacht. Von Istrien aus sind wir die Küste entlang bis Dubrovnik gefahren und haben spontan dort, wo es uns gefiel Rast gemacht und ein Hotel oder einen Zeltplatz für die Übernachtung gesucht. Dann sind wir ins Landesinnere gefahren über Mostar bis nach Osijek. Dort sind wir einige Tage geblieben. Bei einem Ausflug kamen wir an der Donau an die jugoslawisch-ungarische Grenze und fragten ganz spontan, ob es möglich sei mit unserem westdeutschen Pass nach Ungarn einzureisen. Das war für uns damals zur Zeit des Warschauer Pakts alles andere als sicher. Aber die Grenzer bejahten und wir brachen am nächsten Tag unser Zelt ab, um unsere Reise Donau aufwärts fortzusetzen.

Es war durchaus auch ein mulmiges Gefühl so einfach spontan und völlig unvorbereitet in dieses Ostblock-Land ohne Rechtsstaatlichkeit hineinzufahren. Aber die alte kuk Stadt Budapest und der malerische Künstlervorort Szentendre, wo wir ein Fremdenzimmer gefunden hatten, begeisterte uns schnell und Budapest hatte sich schnell auf der Liste der Städte, die man wieder einmal besuchen sollte, festgesetzt. Ganz anders als Wien, das wir auf der weiteren Rückfahrt aus technischen Gründen (Wasserpumpe) nur sehr kuz streiften, und das für mich wesentlich weniger Charme hatte.


Fünf Jahre sollte es dauern bis aus einem zweiten Budapest Aufenthalt etwas wurde. Es hatte sich viel verändert. Ich war kein Student mehr. Ich war verheiratet. Budapest lag nicht mehr im Ostblock. Berlin war nicht mehr geteilt. So konnten wir auf eine Kleinanzeige im Berliner Stadtmagazin Zitty reagieren, die ein Ungar, der mit einer Ostberlinerin verbandelt war, geschaltet hatte. Er verbrachte den Großteil des Jahres in Berlin und vermietete seine Budapester Wohnung an Touristen. Für mich und meine Frau eine tolle Möglichkeit die Stadt relativ untouristisch zu erleben. Wir wohnten in einem reinen Wohngebiet, konnten auf dem Markt einkaufen und zuhause kochen. Klasse.

Auch wenn mir die Stadt nicht mehr ganz so gut gefiel, wie fünf Jahre zuvor. Vor allem in den zentralen Sttraßen hatte sich viel verändert. Im sozialistischen Ungarn hatte sich noch viel vom flair der Kaiserzeit erhalten, auch wenn die Gebäude verrußt und geschwärzt waren. Jetzt war schon die eine oder andere Fassade saniert worden. Vor allem aber hatte man an fast jedes Gebäude eine Leuchtreklame von Adidas, McDonalds, Salamander etc. geknallt. Der Charme der Innenstädte von Hagen, Hannover oder Delmenhorst hatte Einzug gehalten. Naja!

Szentendre, Bartok Utca

Aber hier geht es um Musik – und auch da ist etwas hängen geblieben. So habe ich mir in der Wohnung aus der Tape-Sammlung des Besitzers z.B. Devos-Klassiker-Album Q: Are we not Men? A: We are Devo kopieren können. Aber natürlich habe ich – wie bei jedem Stadtbesuch – auch Jagd auf einen CD-Laden gemacht. Und – anders als fünf Jahre zuvor - bin ich fündig geworden. Glücklicherweise bei keiner großen Kette, sondern einem kleineren Laden, der sich auf Rock-Sachen konzentrierte und dessen Inhaber mich beraten konnte, was es derzeit an aktuell angesagten Bands in Ungarn gab. Entschieden habe ich mich letztendlich für ein Album der Hard Rock Band Edda Müvek zum Preis von 1.000 Forint, eine Wahl, die ich bis heute nicht bereut habe. Erst viel später in Zeiten des Internet habe ich begriffen, eine wie große Nummer die Band (im Ostblock) ist/war. Dazu mehr in der Review. Das Warner Logo prangte aber auch 1993 schon auf dem CD-Einleger (allerdings weder auf der CD noch im Booklet).

Der CD-Laden ähnelte westlichen Szene-Läden ziemlich. Wände, Decke, Teppichboden und Regale waren in freundlichem Schwarz gehalten und machten nicht den Eindruck wirklich sauber zu sein. Die Wände waren tapeziert mit Bandpostern, Konzerthinweisen, Plattencovern und politischen Plakaten. Soweit alles wie im Westen. Aber auch wenn mein Ungarisch gleich Null ist, war klar erkennbar, dass es hier politisch in eine Richtung ging, die in der (West)deutschen Rockszene eher nichts zu suchen hat. Einige wären in Deutschland aufgrund der benutzten Symbole eindeutig von strafrechtlicher Relevanz.

Sind wir damit wieder am Beginn der Kolumne, oder am Beginn dessen, was am Anfang der Kolumne stand?

Norbert von Fransecky


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