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Fünfzehn Bandmitglieder, davon zwölf Sänger: Sonata Arctica, Thunderstone und Striker in Leipzig

Info

Künstler: Sonata Arctica, Thunderstone, Striker

Zeit: 06.04.2017

Ort: Leipzig, Hellraiser

Veranstalter: Nuclear Blast

Fotograf: Pasi Kauppinen

Internet:
http://www.nuclearblast.de

Ein sehr weit nördlich angesiedeltes Package ist da auf Tour: zwei finnische Bands, dazu eine aus Kanada, und im ersten Tourmonat sind auch noch die Norweger Triosphere mit von der Partie gewesen. Der Gig an diesem Abend in Leipzig stellt den letzten in Kontinentaleuropa dar, bevor die Tour mit drei Gigs in Schweden nach zwei Monaten ihr Ende findet.

Striker beginnen offensichtlich pünktlich zur verbrieften Anstoßzeit 19.30 Uhr – der um wenige Minuten verspätete Rezensent erlebt den Schluß des Speedopeners „Crossroads“ noch mit, der den Auftakt für eine bunte Reise durch den klassischen Metal bildet: Die vier Langhaarigen plus ihr zweiter, ein wenig wie Wolf Hoffmann aussehender Gitarrist, sind immer dann besonders stark, wenn sie ihre Kompositionen relativ geradlinig ausrichten, wohingegen eine Nummer wie „Locked In“ nicht in jedem Break zu überzeugen weiß. Wie sehr ihr Sound auf zwei Gitarren ausgerichtet ist, zeigt sich im epischen (und kompositorisch trotzdem überzeugenden) „Too Late“, als in der ersten Songhälfte „Hoffmanns“ Gitarre ausfällt und Striker als Quartett mit nur einer Gitarre weiterspielen, was diverse Soundlücken hinterläßt und die Nummer erst dann ihre volle Pracht entfaltet, als der verlorene Sohn wieder aktiv wird. Beide Gitarristen teilen sich die Leadarbeit, entpuppen sich als Könner an ihren Instrumenten und haben auch die Lektionen wirkungsvollen Posings gelernt – es macht einfach Spaß, ihnen zuzusehen, und obwohl die Rhythmusgitarren während der ganzen Zeit ein wenig zu weit im klanglichen Hintergrund stehen, bieten die Leads ausreichend Argumente, dieses Problem nicht zu stark zu gewichten. Dazu tritt ein Sänger in höheren Lagen (klassische Kiske-Stimme, geringfügig tiefer), dem man die Tourstrapazen zwischendurch anmerkt, wenn er etwas zu kämpfen hat – aber er kämpft sich durch und macht in den letzten Songs wieder eine klasse Figur. Interessanterweise singen alle Instrumentalisten außer dem Drummer Backings und erzeugen so eine besondere Art Gemeinschaftsgefühl, die durch das anspruchstechnisch über die üblichen „Ohoho“-Parts deutlich hinausgehende Mitsingspiel in „Fight For Your Life“ noch getoppt wird, zumal sich der Sänger abschließend bei allen bedankt, die sich auf Konzerten auch die Supportbands anschauen. Zwischenzeitlich haben sich Striker noch vor Motörhead verbeugt, indem sie „Born To Lose“, den Opener des The Wörld Is Ours-Albums, covern. Motörhead mit zwei Leadgitarren und bis zu vierstimmigen Vocals? Man höre und staune: Auch das funktioniert, und so ist der für einen Donnerstagabend mit zwei Dritteln ausgesprochen gut gefüllte Hellraiser guter Laune.

Setlist Striker:
Crossroads
Former Glory
Locked In
Lethal Force
Phoenix Lights
Out For Blood
Born To Lose
Too Late
Fight For Your Life

Die gute Laune hält bei Thunderstone vorerst nicht an, und das liegt am Sound – der Speedopener „Veterans Of The Apocalypse“ vermittelt das Gefühl, es musizierten dort fünf Individuen, die nur zufällig das gleiche Lied spielten, und die Drums sind deutlich zu dominant. Erst kurz vor Songende bekommt man plötzlich differenzierte Backingvocals zu hören, für die übrigens auch hier alle Instrumentalisten außer dem Drummer verantwortlich zeichnen. Die nächsten drei Songs gehen allerdings auch noch für gewisse Experimente an den Reglern drauf, und erst die Ballade „Weak“ leitet die Wende zum Guten ein, so daß sich die hintere Sethälfte eines klaren Klangbildes erfreuen darf, das nur ganz geringfügig durch etwas zu laute Drums und zu leise Keyboards getrübt wird, was der positiven Stimmung aber keinen Abbruch tut. Thunderstone haben es trotz einer ganzen Latte von Alben nie über einen gewissen Status hinaus geschafft, aber für einen soliden Melodic-Metal-Gig sind sie allemal gut, zumal der zurückgekehrte Ur-Sänger einen starken Job abliefert (er klingt ähnlich wie sein Striker-Kollege, nur noch einen Tick tiefer) und auch die Instrumentalisten zu überzeugen wissen, außer dem Basser, der in der Ansage und der noch während des Outros beginnenden Dankesbezeugung die Stimmung von „Weak“ mit einer gewissen Übermotivation leicht trübt. Irgendwie sollte es dem Finnen-Fünfer aber trotzdem zu denken geben, daß die beiden ältesten Nummern des Acht-Song-Sets auch die besten sind: neben dem vom selbstbetitelten Debüt stammenden „Weak“ noch das große Abschlußepos „Until We Touch The Burning Sun“ vom fast gleichnamigen Zweitwerk. Zumindest theoretischen Hörspaß machen die anderen sechs aber auch (der praktische steht und fällt wie beschrieben mit den Soundschwankungen.)

Setlist Thunderstone:
Veterans Of The Apocalypse
Tool Of The Devil
The Path
Forevermore
Weak
Through The Pain
10.000 Ways
Until We Touch The Burning Sun

Sonata Arctica starten ihren Set mit dem keltisch durchsetzten Intro zu „We Are What We Are“, leiten aber nicht in besagte Nummer über (die erst viel später im Hauptset plaziert ist), sondern in „Closer To An Animal“ und pflügen sich erstmal etliche Songs lang durch eine speedfreie, aber trotzdem hochgradig interessante Melodic-Metal-Landschaft jüngeren Datums, bevor sie mit „Tallulah“ die erste alte Nummer auspacken – aber eine Halbballade und wieder keinen der Melodic-Speed-Klassiker, für die man besonders die beiden Erstwerke auch reichlich anderthalb Jahrzehnte nach ihrem Erscheinen noch liebt. Kuriosum: Man kann den Finnen nicht wirklich böse sein, denn das, was sie statt dessen bieten, ist progressiv angehauchter Melodic Metal gleichfalls weit oben anzusiedelnder Güteklasse, und nachdem der Soundmensch hier die richtigen Einstellungen gefunden hat, was relativ schnell geht, kann man dessen Feinheiten auch allesamt mit dem gebotenen Interesse nachvollziehen, wenn man nicht gerade bei „Tallulah“ von gewissen Aktivitäten mit den in nicht geringer Zahl anwesenden attraktiven weiblichen Besuchern träumt. Zwar muß man sich bei Tony Kakkos Ansagen wieder mal ziemlich anstrengen, um sie zu verstehen (der Bursche spricht ein etwas merkwürdiges Englisch und das auch noch ziemlich schnell), aber gesanglich ist der Mann auch nach zwei Monaten Tour noch gut bei Kondition, und daß er sich von den früher noch gelegentlich vertretenen hohen Passagen mittlerweile komplett fernhält, ist ja allgemein bekannt (daran ändert auch die Backing-Stütze durch wieder mal die kompletten Instrumentalisten außer dem Drummer nichts); in „Abandoned, Pleased, Brainwashed, Exploited“ erkennt man deutlich seine derzeitige stimmliche Obergrenze, die er intelligenterweise auch nicht überschreitet. Selbige Nummer bildet zugleich den ersten Glückshormonrausch der melodischen Geschwindigkeitsüberschreitung, der zuvor in der, wie sich am Schluß zeigt, einzigen Nummer vom Ecliptica-Debüt, „FullMoon“, bereits eine Vorbereitung erfahren hat. Wer die untenstehende Setlist mal mit der des Gigs am 18.4.2014 an gleicher Stelle, die auf www.crossover-agm.de im zugehörigen Review zu finden ist, vergleicht, wird überrascht feststellen, daß ein weitgehender Austausch des Materials stattgefunden hat – und trotzdem schaffen es die fünf Finnen abermals problemlos, anderthalb Stunden hochwertigen klassischen Metal auf die Bühne zu bringen, sei er nun vom aktuellen Album The Ninth Hour oder älteren Datums. Aber ein Höhepunkt muß hervorgehoben werden, und der heißt „The Power Of One“ – Abschlußsong des zweiten Albums Silence und eines der besten Epen, die sich die metallische Welt bis heute aus den Rippen geschnitzt hat. Daß das mal live gespielt würde, hätte sich der Rezensent nicht träumen lassen, er hat auch vorher nicht auf die Setlist eines der vielen vorausgegangenen Gigs gelinst, und somit ist die Überraschung perfekt: Sie spielen diese Übernummer, und sie spielen sie überirdisch. Punkt. Nein, Ausrufezeichen! Danach bräuchte eigentlich nix mehr zu kommen, aber drei Zugaben müssen natürlich noch sein, und siehe da, auf „Don’t Say A Word“ würde man natürlich auch ungern verzichten, ob man nun im Refrain fröhlich mithüpft oder nicht. Verzichtbar ist allenfalls die „Hava Nagila“-Adaption „Vodka“ danach – die für Publikumsanimation und kurzes Zerstören des Themas draufgegangenen vier Minuten hätten auch noch für „Weballergy“ oder „Blank File“ gereicht, was diesen Gig dann endgültig in Regionen des „Unvergeßlich“-Prädikats katapultiert hätte. Aber auch auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt bleibt ein sehr starker Eindruck.

Setlist Sonata Arctica:
Intro (We Are What We Are)
Closer To An Animal
Life
The Wolves Die Young
In Black And White
Tallulah
Fairytale
FullMoon
Among The Shooting Stars
No More Silence
Abandoned, Pleased, Brainwashed, Exploited
We Are What We Are
The Power Of One
---
Misplaced
I Have A Right
Don't Say A Word
Vodka

Roland Ludwig


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