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Zeit: 27.05.2014
Ort: Admiralspalast, Berlin
Besucher: Ca. 1000
Veranstalter: Conzertbüro Zahlmann
Fotograf: Norbert von Fransecky
Nie aufgelöst, zeitweise in zwei Formationen gleichzeitig aktiv (eine unter dem Namen Anderson Bruford Wakeman Howe), sind Yes seit 1968 eine der beständigsten Rock-Formationen überhaupt – allerdings mit beständig wechselndem Personal und nicht unumstrittenen musikalischen Kurswechseln. Die einen dissen die kommerziell erfolgreichen Achtziger als Pop-Ausverkauf; die anderen sehen in den spirituell geprägten, nahezu esoterischen Alben der 90er kalorienreduzierte Wellness Langweiler.
Was das britische Quintett vier Jahre vor seinem 50. Geburtstag auf die Bühne brachte, brauchte diese Kritik kaum im Ansatz zu fürchten. Abgedeckt wurden mit drei(!) komplett gespielten Alben die Jahre 1971, 72 und 77. Die einzige Zugabe stammte von dem zweiten 1972er Album Fragile.
Hier zum Mund wässerig Machen das Menü:
Close to the Edge (1972)
Close to the Edge
a) The Solid Time of Change
b) Total Mass Retain
c) I Get Up I Get Down
d) Seasons of Man
And You and I
a) Cord of Life
b) Eclipse
c) The Preacher the Teacher
d) Apocalypse
Siberian Khatru
Geoff Downes |
Going for the One (1977)
Going for the One
Turn of the Century
Parallels
Wonderous Stories
Awaken
Pause
The Yes Album (1971)
Sänger Jon Davison |
Yours Is No Disgrace
Clap
Starship Trooper
a) Life Seeker (Jon Anderson)
b) Disillusion (Chris Squire)
c) Würm (Steve Howe)
I've Seen All Good People
a) Your Move
b) All Good People
A Venture
Perpetual Change
Zugabe
Roundabout (1972)
Going for the One und das 3 LP Live-Album Yessongs hatten mir als 14-jährigem Will-höher-hinaus die Türen zu Yes geöffnet. Ein Yes-Abend mit diesen drei Alben war für mich daher wie maßgeschneidert. Bis auf zwei (kurze!) Titel vom Yes Album sind alle Stücke, die an diesem Abend gespielt wurden, auf diesen beiden Alben enthalten. Und die Yessongs wurden bis auf die Rick Wakeman-Solo-Nummer The six Wives of Henry VIII und die Fragile-Songs komplett gespielt. Von letzteren erschien dann auch noch „Roundabout“ als (wenig überraschende) Zugabe.
Chris Squire – der rote Yes-Faden von 1968 bis heute |
Wenn der Abend dann doch nicht 100%ig geknallt hat, hat das zwei, vielleicht drei Gründe. Stimmung und Atmosphäre wurden eigentlich nie wirklich live. Das Publikum zeigte zwar immer wieder Begeisterung, aber das war eher gelegentlicher Szenenapplaus oder die Wiedererkennungsfreude an exponierten Stellen. Die Band lies sich nie von der eigenen Musik mitreißen, behielt auch emotional die Kontrolle und wirkte überwiegend distanziert, und so sprang nicht wirklich der Funke über – bis ganz zum Schluss, als sich bei „Perpetual Change“ nicht nur kurzfristig ein Teil des Publikums aus den weichen Theatersesseln erhob (was im Laufe des Abends drei vier Mal geschah), sondern auch stehen blieb und mitging.
Bei der Zugabe „Roundabout“ kochte der Saal dann richtig, während bei anderen „geeigneten“ Stellen, wie z.B. den rock‘n’rolligen Passagen von „All good People“, distinguierte Zurückhaltung angesagt war.
Wirklich schlimm aber war das nicht. Yes-Musik ist ja nicht unbedingt die Kost, zu der man im Wohnzimmer mit der Luftgitarre über die Couch springt. Yes-Musik ist ein Stück weit auch Kopfmusik und in dieser Hinsicht war das stilvolle Art Deco Theater, das eher an Varieté-, Kabarett- oder Klassik-Abende denken lässt, hervorragend geeignet.
Steve Howe |
Sieger des Abends war so eindeutig nicht die Band. Es waren die alten Klassiker – und es war Steve Howe. (Anmerkung am Rande: Ich habe die ganze Zeit überlegt, an wen er mich optisch erinnert, und irgendwann fiel der Groschen! Eindeutig: Schwester Felicitas aus der Nonnen-Blockbuster-Serie Um Himmels Willen, die passender Weise anfangs zeitlich parallel in der ARD lief.)
Die Kabinettstückchen, die der 67-jährige auf diversen Gitarren ablieferte, waren einfach genial – und er lies sich in seinen Soloparts auch in seine Musik fallen und nahm zumindest im gewissen Masse mit dem Publikum Kontakt auf. Das passierte sonst so gut wie gar nicht. Der ein Jahr jüngere Chris Squire wirkte deutlich älter und, wenn er sich auf so etwas Ähnliches wie Stageacting einließ, eher tapsig. Er hatte, als einziges Gründungsmitglied, den Job des Conferenciers übernommen, den er sehr sparsam auslebte. Er lies sich lediglich zwischen den Alben zu kurzen Ansagen herab. Begrüßt wurde das Berliner Publikum daher erst nach einer Dreiviertelstunde Spielzeit.
Es fehlten einfach echte Frontmänner, die es genießen im Rampenlicht den Pfau zu spielen. Jon Davison kommt einfach aus einer ganz anderen Liga, als Rick Wakeman und Jon Anderson. Wenn es einen wirklichen Schwachpunkt gab, war es der eher introvertiert und schüchtern wirkende Sänger. Gerade auf dem Album Going for the One gibt es eine ganz Reihe von Textpassagen, die nicht über Melodie oder Gesangsführung im eigentlichen Sinn verfügen, sondern als an die richtige Stelle geworfene Wortbrocken deklamiert und performt werden wollen. Und dabei hier fiel Davison weit hinter Anderson zurück. Dafür fehlt ihm Dramatik, Pathos und das Charisma. Mit melodischeren Stücken, wie dem weichen „Wonderous Stories“ kam er wesentlich besser zurecht, auch wenn seine Stimme im Vergleich brüchiger und weniger Souverän klang.
Aber die Band lieferte insgesamt weiß Gott keine schlechte Leistung ab. Alan White verpasst ihr aus dem Hintergrund einen mächtigen Punch. Wenn man ihn einmal hinter dem Drumset zu Gesicht bekam, wirkte er deutlich fitter, als der gesamte Rest der Band. Chris Squire lies seinen Bass bei Stücken wie „Yours is no Disgrace“ deutlich härter anklingen, als im Original. Ansonsten gab man sich aber sichtlich Mühe die Stücke so abzuliefern, wie das Publikum sie im Ohr hatte.
So waren die großen Klassiker, die zu ihren besten Zeiten in den großen Hallen (und in den frühen Jahren wohl eher in versifften Clubs) aufgeführt wurden, nun in einer Art gediegener Club- und Theater Atmosphäre zu erleben. Das entsprach dann auch wieder dem Altersdurchschnitt des Publikums. Ein Jungbrunnen für 50+er, die sich mal wieder jung fühlen wollen.
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