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Artikel

Krokus: Viele Bands bringen im Alter keine vernünftigen Alben mehr auf die Reihe!

Info

Gesprächspartner: Krokus (Chris von Rohr)

Zeit: 22.05.2014

Ort: München

Interview: Face 2 Face

Stil: Hard Rock

Internet:
http://www.krokusonline.com
https://www.facebook.com/KROKUSonline

Beim Namen Krokus horcht nicht nur der gemeine Blumenliebhaber auf, sondern auch der Hardrock-Gourmet. Die zu Unrecht als „AC/DC aus der Schweiz“ verschriene Band war vor allem in den 1980er Jahren in Nordamerika ein großes Ding, was ihr nicht nur Gold- und Platinauszeichnungen einbrachte, sondern 1983 sogar die Ehrenbürgerschaft im Staat Tennessee. Ab Mitte dieses Jahrzehnts geriet das Flaggschiff der eidgenössischen Rockszene allerdings kräftig ins Schlingern und taumelte einige Jahre etwas angeschlagen durch Welt. Erst als Sänger Marc Storace und Gitarrist Fernando von Arb die Sache im neuen Jahrtausend abermals gemeinsam in die Hand nahmen, lief es wieder rund - wenn auch nicht mehr in diesem großen Maßstab. Richtigen Jubel rief man hervor, als 2008 bekannt wurde, dass sich die erfolgreichste Besetzung der Bandgeschichte wieder zusammentun wollte. Neben Storace und von Arb waren Gitarrist Mark Kohler, Schlagzeuger Freddy Steady und nicht zuletzt Bandgründer und Bassist Chris von Rohr wieder mit an Bord und man veröffentlichte zwei mehr als nur solide Alben (Hoodoo und Dirty Dynamite). MAS bekam auf der laufenden Tour die Gelegenheit eben jenen von Rohr - den letzten verbliebenen und vermutliche einzigen Rockstar der Schweiz - vors Mikrofon zu zerren, um ihn nicht zuletzt zum kürzlich veröffentlichten Livealbum Long Stick Goes Boom: Live From Da House Of Rust zu befragen. Mit schwarzer Sonnebrille auf der Nase stellte er sich im abgedunkelten und klimatisierten Bus mit viel Verve unseren Fragen.



Chris, heute ist der sechste Auftritt im Rahmen dieser Tour. Wie zufrieden bist Du mit dem Kartenvorverkauf und den Reaktionen der deutschen Fans?

Ich spüre, dass wir hier noch nicht so viel gespielt haben und eben nicht jedes Jahr mit demselben Programm durchs Land ziehen. Die Leute sind irgendwie fasziniert. Ich denke, sie sehen hier eine Band von der sie wissen, sie ist im Herbst ihrer Karriere, wir müssen sie pflücken, so lange sie noch hier ist. Ich habe schon das Gefühl, dass eine riesengroße Wertschätzung da ist und ich bin überrascht über die Presseberichte - nur positiv. Und das in einem Moment, in dem die Musikindustrie in einer totalen Krise steckt. Aber wir machen’s für die Musik und nicht für die Kohle. Du siehst die Begeisterung in den Augen der Fans und die sehen: da sind Leute auf der Bühne, die Freude an ihrer Arbeit haben.

Wie ist das Verhältnis untereinander momentan innerhalb der Band? Auf der Bühne oder auf den Fotos sieht es so aus, als ob ihr gut miteinander harmoniert.

Wir haben einige Aufarbeitungszeit gehabt, nach den ganzen Dingen, die da in der Vergangenheit gelaufen sind. Vor allem nach der verschwendeten Zeit, in der unzählige, inflationäre Musiker durch diese Band gegangen sind und sich trittbrettmässig des Namens Krokus bedient haben. Wir beschlossen, alles ins Reine zu bringen, bevor wir überhaupt mit der Musik begonnen haben. Es wurde schon fast psychologisch eine Art Aufarbeitung betrieben. Sonst kannst Du nicht Musik machen - du musst zuerst das Menschliche aufarbeiten. Und jetzt kommt die Belohnung, quasi die Zugabe. Die Band war noch nie in jeder Hinsicht so stimmig. Jeder respektiert den anderen und nimmt ihn so wie er ist.

Wie war es, als ihr zum ersten Mal wieder in der Besetzung auf der Bühne gestanden habt? War es so wie in den 80ern, nur etwas erwachsener?

Das war schon ein großer Moment. Denn nur diese Leute hören sich an, wie sich Krokus anhören muss. Wir sind routinierter, haben mehr Gelassenheit die Musik zu spielen. Ja, das war ein Riesenflash!

Das war auch fürs Publikum eine tolle Sache. Ich kann mich noch gut an Euren Auftritt beim Bang-Your-Head 2010 erinnern. Es war das war der Wahnsinn!

Ja, das war ein geiler Gig. Ich denke wir sind heute noch imstande eins drauf zu legen, mit einem dritten Gitarristen, der ein gewisses Feld abdeckt, das wir vorher nicht hatten. Und dann haben wir uns wie viele andere Bands mit Schlagzeuger Flavio Mezzodi noch ein kleines Atomkraftwerk dazugeholt. Schau Dir Black Sabbath, Scorpions, Whitesnake usw. an - Rock’n’Roll ist Rhythmus, das braucht Schwung und Frische.


War die Rückkehr von Mandy Meyer auch in diesem Sinne - mehr Frische und Druck auf der Bühne?

Das letzte Aufgebot haben wir auch wieder nach Hause geholt. Er spielt mehr die epischen Solos. Fernando von Arb ist eher der Chuck Berry/Angus Young-Solist. Mandy Meyer spielt diese ellenlangen epischen Solos wie bei „Fire“, „Easy Rocker“ oder „Tokyo Nights“. Diese lyrischen und schwereren Solos und diese Ergänzung sind jetzt natürlich unglaublich. Das werdet ihr heute Abend sehen. Das bringt richtig was rein in die Band. Es ist ein Feeling, das wir seit dem Tod von Tommy Kiefer, nach dem Hardware-Album, nicht mehr hatten.

Der Song „Hard Rocker“ auf der neuen Scheibe gefällt mir sehr gut. Mir fällt jedoch auf, dass er Ähnlichkeiten zu dem Rolling Stones-Song „Star Star“ (Starfucker) hat. Kennst Du den Titel?

Der Song ist zweifellos davon inspiriert. Wir hatten mal Lust, etwas in diese Richtung zu machen. Wenn Du ein neues Album machst soll ja nicht jeder Song gleich klingen. Wir sind von früher alle große Stones-Fans und dann haben wir gesagt: Jetzt machen wir mal unsere Version von dem Song. Aber das hast Du gut rausgehört: bravo! Aber insgesamt ist es für uns schon so, dass es sehr wichtig war, dass auf jedem der beiden neuen Alben ein paar Songs drauf sind, die mit den großen Hämmern der Band - sprich „Eat The Rich“, „Long Stick Goes Boom“, „Heatstrokes“ oder „Bedside Radio“ - mithalten können. Wenn ihr die Setliste heute Abend seht, werdet ihr merken, dass die neuen Songs - nimm zum Beispiel „Hoodoo Woman“ her - perfekt zu den alten Klassikern passen. Das ist nicht selbstverständlich. Viele Bands bringen im Alter keine vernünftigen Alben mehr auf die Reihe.

Es ist sicher nicht so einfach immer kreativ zu sein, wenn man ununterbrochen aufnimmt und alle paar Jahre auf Tour geht.

Ich habe darüber viel mit Fernando gesprochen. Uns ist es wichtig, coole gute Songs abzuliefern, keine Dutzendware, die es da zuvor gab. Wir wollen diese Kreativität, die das Songwriting-Team hat ausspielen und das merkst du einfach. Wenn Du zum Beispiel das Album hörst, dass Du auf Deinem T-Shirt hast (er meint Rock The Block - Anm.d.Verf.): das ist alles so Dutzendware. Ich will nicht sagen, dass es schlecht ist. Wenn Marc Storace singt, hat es immer eine gewisse Qualität. Aber es sind nicht diese speziellen Krokus-Sachen. So etwas spielen wir gar nicht. Wir wählen von den bestmöglichsten Songs aus. Da ist es mir dann wurst von welchem Album der Song kommt.

Das T-Shirt soll auch keine Provokation darstellen. Du musst Dir vorstellen: Ich bin 1979 geboren und hab mich gefreut wie ein Schneekönig, als es die Band überhaupt wieder gab und sie auch live auf Tour gekommen ist.

Kein Problem! Ich wollte damit nur erklären, dass es ein Unterschied ist, ob die richtigen Druiden zuschlagen oder ob irgendwelche Nutten, die da in der Band florieren und auf der Bühne stehen.

Das hat man zum Beispiel auch mit Hoodoo gemerkt - das Album ist schon ein ziemlicher Brecher.

Das freut mich, dass ihr das auch so seht!


Mit Dirty Dynamite habt ihr Euch sogar noch ein wenig gesteigert.

Es ist noch abwechslungsreicher, da gebe ich Dir recht. Wir sind alle happy und es ist jetzt alles getan was getan werden musste. Nächstes Jahr heißt es „40 Jahre Krokus“. Es wird vielleicht ein Best-Of-Album geben mit zwei, drei neuen Songs drauf und das war’s dann. Wir wollen nicht bis zum Umfallen spielen, sondern wir wollen auch gut aufhören. Krokus, die im Elend lagen wieder auf dieses Level zu hieven - das war unser Ziel und wir wollen go out mit einem big fucking boom, oder? Wir wollen nicht wie andere Bands ewig touren, mit vielleicht noch zwei Originalmitgliedern oder so. Das gibt es für uns nicht. Meiner Meinung nach wird es Krokus in dieser Form noch ein oder zwei Jahre geben. Dann ist der Drops gelutscht und die Leute werden sich auch positiv an uns erinnern. Denn sie haben gesehen, dass wir uns aufgerafft haben und wirklich das zum Blühen gebracht haben. Wenn die Jungen fragen, warum die Band denn in Kanada und Amerika so erfolgreich war, können wir sagen: Wegen dem hier! Jetzt werden zum Beispiel in England wieder einige unserer Alben wieder veröffentlicht und die englische Presse sagt auch: Krokus waren eine der geilsten Bands der 80er Jahre! Und das wollen wir auch auf der Bühne zeigen. Wir wollen nicht wie ein müder Abklatsch rüberkommen. Eins ist klar: Wegen der Euros machen wir das definitiv nicht!

Das neue Livealbum ist sehr gut - Glückwunsch! Der Sound ist super und das Feeling das rüber kommt ist grandios. Warum habt ihr eigentlich keine DVD daraus gemacht?

Wer will schon ältere Männer auf der Bühne sehen? Also sorry, da schau ich mir lieber die Jennifer Lopez an. Dazu kommt, wir wollten den Schwerpunkt total auf die Musik legen. Wenn da Kameramänner rum stehen und aufnehmen ist der Druck so groß, dass das total von der Musik ablenkt. Wenn wir 30 Jahre alt wären, wäre es was anderes. Dieses Livealbum muss man hören. Es hat eine Wärme, eine Lebendigkeit. Ich wollte die Scheibe voll auf den Sound konzentrieren. Das hört man oder man hört es nicht. Für uns war es völlig unwichtig, da noch etwas zu filmen. Das war uns einfach too much. Wir waren nie eine besonders visuelle Band. Das hätte uns nur davon abgehalten, das beste Livealbum der Bandgeschichte zu machen.

Da hast Du recht, das Album klingt klasse. Wir hören es sehr gerne an!

Das würde mich erstaunen, wenn es nicht so wäre. Man sagt das ja immer bei einem neuen Release. Aber wir als Band finden: Das Album ist das beste Krokus-Album aller Zeiten. Wir spielen die Songs viel lockerer, als das erste Mal im Studio. Und es ist alles Wichtige drauf. Die größten Hits, neue Songs, du spürst die Spielfreude. Es war ein magischer Abend. Ich habe ja zwanzig Konzerte aufgenommen. Ich hab da auch nix nachbearbeitet. Das was du hörst ist was du nachher auf der Bühne zu hören bekommst. Wir haben bei zwei Backing-Vocals, die zu sehr nach Lemmy oder Keith Richards geklungen haben, überarbeitet. Aber es ist ansonsten nichts gedreht worden und das hört man einfach. Wir sind so happy, dass uns das noch gelungen ist!

Diskografie

Krokus (1976)
To You All (1977)
Pay It in Metal/Pain Killer (1978)
Metal Rendez-Vous (1980)
Hardware (1981)
One Vice At A Time (1982)
Headhunter (1983)
The Blitz (1984)
Alive and Screamin’ (live, 1986)
Change of Address (1986)
Heart Attack (1988)
Stampede (1990)
To Rock or Not to Be (1995)
Round 13 (1999)
Rock the Block (2003)
Fire and Gasoline (live, 2004)
Hellraiser (2006)
Hoodoo (2010)
Dirty Dynamite (2013)
Long Stick Goes Boom: Live From Da House Of Rust (live, 2014)
Welches sind deine drei Lieblings-Scheiben von Krokus und warum?

Zuerst Metal Rendez-Vous, da kam alles zusammen. Eine ganz lange Vorbereitungszeit mit verschiedenen Sängern. Wir spielen noch heute mindestens drei Songs im Live-Set. Es ist einfach ein epochales Hardrock-Album für uns und ich glaube auch für unsere Fans. Jetzt wird es schwierig. Eigentlich müsste ich One Vice At A Time und Headhunter zusammen nehmen, weil es sehr starke Alben sind und auch die den musikalischen Höhepunkt der 80er Jahre darstellen. Es enthält starke Songs wie „Screaming In The Night“ oder „Long Stick Goes Boom“. Von der Neuzeit tu ich mich schwer. Das ist, wie wenn Du mich fragst, was mein Lieblingskind ist? Die beiden neuen Alben hab ich beide sehr gerne, wobei das letzte definitiv noch etwas ausgereifter ist. Dafür ist auf dem ersten der starke Song „Hoodoo Woman“ drauf. Ich könnte Dir auch nicht sagen, was jetzt der ultimative Krokus-Song ist. Viele würden sicher „Long Stick Goes Boom“ nennen, bei dem die Medien lange geschrieben haben, es sei der beste AC/DC-Song, den die Band nie aufgenommen hat. Für uns ist das ein Reisenkompliment, weil AC/DC ist für mich die tollste Hardrock-Band der Welt. Krokus hat aber auch noch eine ganz andere Seite, zum Beispiel mit „Bedside Radio“, „Fire“ oder „Tokyo Nights“. Gerade „Fire“ spielen wir auch live total gerne. Hier zeigt Euch nachher der Mandy, wo es lang geht. Gerade diese Songs sind überhaupt nicht AC/DC. Wir haben zwei Gesichter von dieser Band und das gefällt mir. Es ist bei uns nie langweilig. Wir wünschen uns, dass wir das noch gesundheitlich so lange wie möglich machen können, weil der einzige Feind eigentlich die Gesundheit ist. Ich sag Euch Jungs: Wenn ihr drei Konzerte hintereinander spielt, das geht schon in die Knochen. Und der Bus hier hat schon schöne Bettchen, aber da kannst Du auch nicht wirklich toll schlafen. Schon Hardcore. Aber noch schöner ist es, mit einem geilen Sound in den Sonnenuntergang zu reiten und dann zu sagen: So long brothers and sisters - es war eine geile Zeit miteinander!

Welch schöneres Schlusswort hätte Chris von Rohr da noch wählen können? Für den Bassisten war es nun auch langsam an der Zeit, sich für die kurz darauf stattfindende Show vorzubereiten. Ob das Konzert auch wirklich ein derart euphorisierendes Ereignis, wie angekündigt war - davon berichten wir an dieser Stelle.


Stefan Graßl + Mario Karl


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