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Artikel

Kurzfristig wiedervereint: Uriah Heep mit John Lawton in Neckarwestheim

Info

Künstler: Uriah Heep

Zeit: 04.05.2013

Ort: Neckarwestheim - Reblandhalle

Internet:
http://www.uriah-heep.com

Zufällig hab ich im Internet gelesen, dass der langjährige Sänger von Uriah Heep, Bernie Shaw, krank ist. Es ist jedoch absehbar, dass er im Juni wieder fit ist und der Band ab da wieder zur Verfügung steht. Die Konzerte im Mai sollen von keinem Geringeren als dem ehemaligen Uriah Heep-Sänger John Lawton vertreten werden! Diese wohl sehr einmalige Gelegenheit wollte ich mir keinesfalls entgehen lassen. Trotz der Exklusivität der Auftritte mit John Lawton wünsche ich natürlich Bernie Shaw und dem ebenfalls derzeit erkrankten Bassisten Trevor Bolder auf diesem Weg alles Gute und viel Gesundheit! An der Reblandhalle ist bereits eine Stunde vor Beginn viel los. Zahlreiche Altrocker und langjährige Heep-Fans wollen sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen und es sieht so aus, als ob die Veranstaltung sehr gut besucht ist. Man merkt, dass man mitten in einer Weingegend gelandet ist. Dieses Getränkeangebot hat man in Schwaben eher selten!

Die Vorband Highway 61 fängt um Punkt 20 Uhr an. Die lokale Coverband hat das Publikum von Beginn an im Griff und legt mit einem Spitzensound und gut gemachten Coversongs los. Dabei ist die Mischung aus Fleetwood Mac, The Police, Neil Young, Bon Jovi, Bryan Adams und Mando Diao sehr gut, aber teilweise auch etwas gewagt. Der Sprung zu Mando Diao beispielsweise passt überhaupt nicht. Trotzdem ist die Band musikalisch topfit und hält die Stimmung in der Halle auf sehr hohem Niveau. Bei „An Tagen wie diesen“ von den Toten Hosen grölen alle mit und die Stimmung ist wirklich klasse. Als Zugabe wird der Marius Müller Westernhagen-Song „Ich bin wieder hier“ ausgepackt. Hier sinkt die Stimmung wieder rapide, die Band hätte leichter mit dem Hosen-Song aufgehört. Highway 61 bekommen zu Recht viel Applaus und bauen anschließend ihre Instrumente selber ab.

Nach exakt 30 Minuten geht das Licht ein zweites Mal aus und die unverwüstlichen Uriah Heep um das einzig verbliebene Ur-Mitglied Mick Box betreten die Bühne der Halle. Bereits beim Soundcheck war zu erwarten, dass die Briten laut aufdrehen. Was allerdings beim Intro kommt spottet jeder Beschreibung. Ich stehe direkt vor der Bühne und flüchte wie viele andere auch in die hintere Hälfte der Halle. Die Lautstärke ist brutal, in der Mitte der Halle sitzt ein Kind, das sich völlig verängstigt die Hände an den Kopf hält und nicht gerade fröhlich drein schaut.

Danach geht’s mit „Against The Odds“ zackig los und Uriah Heep spielen genauso brachial wie vorher das Intro aus den Boxen geknallt hat. Schlagzeuger Russell Gilbrook feuert aus allen Rohren, verdrischt sein Schlagzeug, als ob er auf das Instrument einen Hass hätte und auch die restliche Band versucht, dem Song eine unnötige Härte aufzudrücken. Sänger John Lawton präsentiert sich von Beginn an fabelhaft. Er hat eine unglaublich starke Bühnenpräsenz und seine Stimme hat keinesfalls an Stärke eingebüßt. Seine Mitte Sechzig sieht man ihm nicht an und man hat das Gefühl, als wäre er immer bei Uriah Heep und nie weg gewesen. „Hanging Tree“ wird erst durch seinen Gesang der Klassiker, der er eigentlich ist. Doch auch hier und beim anschließenden „Falling In Love“ knüppelt der Rest noch so stark auf die Instrumente, dass man seinen Gesang zwar gut hört, dieser aber trotzdem zwischen den Instrumenten einen sehr schweren Stand hat. Vom Firefly-Album wird noch das unsterbliche „Sympathy“ gespielt, dessen Finesse und Epik leider auch im Soundbrei noch ziemlich untergehen. Zumindest hat der Mischer John Lawtons Stimme etwas lauter gemacht. Übrigens ist der Soundmensch an diesem Abend ein absoluter Versager. Er schafft es den kompletten Abend nicht, den Sound der Hallengröße entsprechend anzupassen. Diese Lautstärke hat mit Hörgenuss rein gar nichts mehr zu tun und zielt eindeutig auf die Hörschädigung des Publikums ab. Vielleicht hat er auch einen Exklusivvertrag mit dem ortsansässigen Hals-Nasen-Ohrenarzt abgeschlossen... Bassist Trevor Bolder wird übrigens auch derzeit erkrankt und wird von Dave Rimmer (u.A. Zodiac Mindwarp) am Bass ersetzt. Dave Rimmer fügt sich gut in das Bandgefüge ein, wird aber auch insgesamt viel zu laut gemischt. Gesanglich kann er Trevor Bolder keinesfalls ersetzen. Dies wird vor allem bei „Look At Yourself“ deutlich. Insbesondere sein Background-Gesang lässt einem die Haare zu Berge stehen. Er liegt meilenweit daneben und in diesem Fall hätte er wohl lieber auf den Background-Gesang verzichtet. Schrecklich!

Das Highlight des Konzerts ist für mich ganz klar „Rain“. Hier wird John Lawton nur von Phil Lanzon am Keyboard begleitet und entfaltet vor allem hier eine Wahnsinnsatmosphäre! Hier kommt seine kraftvolle Stimme erstmals voll zur Geltung und es wird klar, dass er auch heute noch über ein Wahnsinnsorgan verfügt. Dem Rest der Band muss irgendjemand verklickert haben, dass sie doch bitte einen Ticken leiser spielen sollen. Vor allem Russell Gilbrook hält sich bei den Songs danach zumindest zeitweise angenehm zurück und spielt zumindest bei „Wizard“ und „Free Me“ so, wie man es von Uriah Heep früher mit Lee Kerslake gewohnt war: gut klingend, mannschaftsdienlich und immer gefühlvoll. Das wird Russell Gilbrook mit Sicherheit nie mehr lernen. Meiner Ansicht nach hat er bis heute noch nicht kapiert, dass er bei Uriah Heep nicht bei einer Metal-Band angeheuert hat, sondern einer Rock-Band mit Hippie-Einflüssen. Für meine Begriffe eine absolute Fehlbesetzung. Diese beiden Songs sind vom Sound und vom Feeling her die besten des Abends.

Bereits bei „Gypsy“ wird wieder geknüppelt, was das Zeug hält. Russells guter Wille hat nur zwei Songs gehalten und er holt wieder den Knüppel aus dem Sack. Sogar „July Morning“ wird zugekleistert. Hier entschädigt einzig und allein John Lawtons Gesang, der auch hier wieder über jeden Zweifel erhaben ist. Überhaupt John Lawton: Ein Wahnsinnstyp und unglaublicher Sympathiebolzen. Mit Sprüchen (auf deutsch) wie „Tja Leute, Bernie ist leider krank. Jetzt müsst ihr halt mit mir Vorlieb nehmen“, „Ich habe das Gefühl, als wäre ich nie wirklich weg gewesen“ oder „Heute Abend habe ich viele Freunde gefunden“ erobert er die Herzen der Fans im Sturm. Bei „Lady In Black“ ist die Stimmung in der Halle mit am Besten. Hier wird nicht mehr so geknüppelt und der Song entfaltet seine wahre Größe. John Lawton spielt hier auch noch Akustikgitarre und animiert die Fans zum zahlreichen Mitsingen. Sehr cool das Ganze! Gitarrist Mick Box grinst hier bis über beide Backen und freut sich sichtlich darüber, dass der Abend mit John Lawton bei den Fans gut ankommt. Mick Box spielt auch heute Abend wieder einmal sehr gut und präsentiert sich bei bester Spiellaune.

Als Zugaben werden ein Highspeed-artiges „Easy Livin'“ und „Free And Easy“ gespielt. Bei „Free and Easy“ dürfen einige weibliche Fans auf die Bühne und während des Songs „headbangen“. Das Ganze sieht ganz witzig aus, ist allerdings meiner Ansicht nach nicht notwendig. Nach genau neunzig Minuten ist dann Schluss und die Band verlässt unter viel Applaus die Bühne. Ich bin regelrecht hin- und her gerissen. Ich habe mich einerseits riesig gefreut, John Lawton als Sänger einer meiner Lieblingsbands einmal live zu sehen. Das Ganze war absolut grandios, keine Frage. Aber der Sound und der Spirit, den zwei der Musiker (Dave Rimmer und vor allem Russell Gilbrook) auf der Bühne versprühen, hat mit den Uriah Heep die ich Anfang der 90er kennen gelernt habe, nichts mehr zu tun. Das Schlagzeugspiel von Mr. Gilbrook ist total übertrieben und passt überhaupt nicht zu den Songs und zu den Songs von Uriah Heep. Bitte auswechseln! Außerdem ist es schade, dass der Sound so mies war. Der Abend hätte genial werden können, wenn sie einfach den Sound der Vorband übernommen hätten. Dann wäre alles in Ordnung gewesen und man hätte vielleicht sogar Gilbrooks überflüssige Knüppel-Attacken schadlos überstanden.


Setliste:
Against the Odds
The Hanging Tree
Falling in Love
Stealin'
Sympathy
Rain
Wizard
Free Me
I'm Alive
Gypsy
Look at Yourself
July Morning
Lady in Black
---
Free & Easy
Easy Livin'

Stefan Graßl


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