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Artikel

Amplifier: Mach es selbst - du weißt am besten was du willst!

Info

Gesprächspartner: Amplifier (Sel Balamir)

Zeit: 05.04.2013

Stil: Alternative/Prog/New Art-Rock

Internet:
http://www.amplifiertheband.com
http://www.facebook.com/amplifierband

Vor zwei Jahren meldeten sich die Briten AMPLIFIER mit The Octopus kräftig zurück. Das Doppel-Album lag zwar anfangs musikalisch wie textlich recht schwer im Magen, wusste aber dann doch relativ schnell seine Faszination zu entfalten. Den Test der Zeit hat es zumindest bis heute überstanden. Danach machte sich das Trio wieder live verstärkt von sich reden und spielte des Öfteren auch in unseren Breiten. Auf der Strecke blieb dabei Bassist Neil Mahony. Ersetzt wurde er durch Alex „Magnum“ Readhead. Als Bühnenverstärkung war der ehemalige Oceansize-Gitarrist Steve Durose schon länger mit von der Partie. Zusammen spielte man das kürzlich veröffentlichte Echo Street ein. Musikalisch geht die Band um die Rumpfmannschaft, Sänger/Gitarrist Sel Balamir und Schlagzeuger Matt Brobin, etwas anders zu Werke. Statt einem weiteren Riffbrocken stehen verstärkt sphärische und stimmungsvolle Stücke auf dem Programm. Zudem steht man mittlerweile auch geschäftlich auf anderen Beinen. Statt die Veröffentlichung wieder selbst zu stemmen, unterschrieb man einen Vertrag beim renommierten, britischen Label Kscope (u.a. Anathema, Steven Wilson, Porcupine Tree). Es gibt also genug Gesprächsstoff für ein neues Interview nach 2011. MAS führt es mit Bandkopf Sel Balamir.




The Octopus brachte Amplifier wieder zurück auf die musikalische Landkarte, nachdem es in den Jahren davon recht still um Deine Band war. Fühltet ihr euch wieder willkommen?

Ich denke, dass es die Leute mögen, wenn wir eine Platten veröffentlichen. Deswegen ist das immer eine aufregende Sache. Alle haben bisher nur Gutes über Echo Street zu sagen gehabt. Es ist schön, wenn man seinen Namen immer wieder liest und man merkt, dass über deine Sachen gesprochen wird.

Was ist Dein Fazit davon, seit ein paar Jahren vor allem labeltechnisch dein eigener Boss gewesen zu sein? War es eine gute Erfahrung und würdest Du es jungen Bands empfehlen, es auch auf eigene Faust zu versuchen?

Nun, letztendlich musst du in allem was du tust dein eigener Chef sein. Musik nimmt sich hier nicht aus. Ich mag es meine Gelegenheiten selbst nutzen zu können. Das ist verlässlicher, als wenn man nur darauf wartet, dass es jemand anderes für dich macht. Das ist zwar von Zeit zu Zeit ziemlich anstrengend und ein wenig stressig, wertet den musikalischen Aspekt aber zusätzlich auf. Es ist gut neue Dinge zu lernen. Über die Jahre hinweg ist mir aufgefallen, dass vielen Leuten, die im Musikgeschäft ihr Geld verdienen, ein gesunder Menschenverstand abgeht. Ich empfehle es nicht, Leuten deine Zukunft anzuvertrauen, die ein zweifelhaftes Urteilsvermögen besitzen. Mach es selbst - du weißt am besten was du willst!

Du hast mal erwähnt, dass sich The Octopus für eure Verhältnisse relativ gut verkauft hat. Warum hast Du Dich dann entschlossen, sich wieder in die Hände einer Plattenfirma zu begeben?

Nun, das eigentliche Problem ist Wachstum. Wir möchten gerne 50.000 Exemplare von Echo Street verkaufen, nicht nur 20.000 wie bei The Octopus. Die Idee dahinter ist, dass ein Label mit einem engagierten Team mit mehr Händen und Köpfen als nur Matt und meinem einfach mehr zusätzliche Möglichkeiten schafft. Das könnten wir selbst vielleicht auch stemmen, müssten aber aufhören eine Band zu sein und ein Plattenlabel werden, was mich nicht wirklich interessiert.

Echo Street, das in meinen Ohren relativ hell und weit klingt, scheint in etwa ein weißer Bruder zum schwarzen The Octopus zu sein. Siehst Du es ähnlich?

The Octopus ist tatsächlich ein ziemlich dunkles Album. Es dreht sich komplett um menschliche Schwäche, insbesondere Gier. In Echo Street geht es um Erinnerungen. Erinnerungen sind sichere Orte, immer etwas golden und unwirklich. Ich halte es nicht so sehr für einen weißen Bruder zu The Octopus, sondern eher für einen dunstig goldenen. Ich mag den Kontrast zwischen beiden Platten sehr. Das lässt die Konzerte interessanter werden, wenn wir zwischen den beiden Alben hin und her springen.

Cover von Echo Street

Wie Du schon erwähnt hast, folgte The Octopus einem gewissen textlichen Konzept. Trifft das auch für Echo Street zu, nachdem zumindest mit dem Erinnerungskonzept ein gewisser thematischer Überbau existiert?

Echos Street ist an sich kein Konzeptalbum. Aber die Songs wurden aus Erinnerungen an Songs aus einer bereits länger vergangenen Zeit - den 1990ern - geformt. Deswegen wohnt dem Ganzen ein nostalgisches Gefühl inne. Sofern man es als Konzept ansehen möchte, hat es mehr damit zu tun, wie das Album entstanden ist, anstatt mit einer im Vorfeld festgelegten intellektuellen Botschaft. Es gibt definitiv eine besondere Stimmung, welche die Platte umhüllt. Aber das liegt daran, dass ich die zugrundeliegenden Gefühle hervorgehoben habe. Echo Street ist in der Tat ein emotionales Album. Aber die Texte drehen sich nicht um einzelne Themen. Ich habe lediglich versucht mich daran zu erinnern, wie sich die Dinge in der Vergangenheit angefühlt haben. Die Worte mussten dabei nicht zwangsläufig einen Sinn ergeben. Es sind einfach die richtigen Worte.

Was steckt hinter dem Cover-Artwork? Bist Du vielleicht ein Sammler von alten Fotografien?

Ja, ich sammle alte Fotos. Ich finde sie normalerweise in Ramschläden und Flohmärkten. Es sind verlorene Erinnerungen von Menschen, die nicht mehr existieren. Ich hole sie manchmal beim Texten hervor, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Ich schaue mir dann ein solches Bild an und versuche, all die versteckten Dinge zu entdecken. Die Bilder im Booklet von Echo Street sind alle auf ihre Art und Weise traurig, da sie Leute abbilden, die wahrscheinlich nicht mehr am Leben sind. Sie sind irgendwie anonym. Auf diese Weise repräsentieren sie jedermann. Zumindest jeden den ich kenne...

Während die letzte Amplifier-Platte in einem sehr langen Zeitraum entstanden ist, ging es beim neuesten Streich ziemlich schnell. Liegt es daran, dass ihr hauptsächlich alte Fragmente genommen habt? Wie viel richtig Neues steckt in Echo Street?

Im Grund ist alles neu. Nur die Samen der Ideen stammen aus der Vergangenheit. Wenn ein Baby geboren wird ist es neuen Monate alt, richtig? Aber für uns ist es neu. Das ist die Idee: Stell Dir vor es sind 15 Jahre statt neun Monaten. Ich nahm den Geist einer Idee der Vergangenheit - die Stimmung oder die Essenz daraus - und reanimierte ihn in einem neuen Körper. Das hat etwas von Frankenstein.

Dann hast Du die Songs am Ende auch allen zusammengesetzt oder wurden sie vielleicht doch zusammen mit der ganzen Band in Jam-Sessions ausgearbeitet?

Nein, keineswegs. Es war gar keine Zeit dafür! Es lief folgendermaßen:
1. Ich stellte mir vor, wie das Lied klingen soll.
2. Ich schrieb die grundlegenden Details des Stücks auf. In der Regel die Harmonien und das Feeling, wo es nach oben geht, wo runter und so weiter.
3. Ich ging mit Matt ins Studio, wir improvisierten ein wenig damit und nahmen es auf.
4. Ich nahm den Gesang und weitere Dinge, allerdings nicht viel, auf.
5. Die anderen Jungs gaben ein paar Sachen hinzu, als sie den nackten Song hörten.
6. Abgemischt.
7. Fertig.
In der Regel ist der Unterschied zwischen Schritt 1 und Schritt 7 ziemlich groß.

Das hört sich ganz anders an, als die Arbeitsweise während The Octopus.

Das stimmt, es war ziemlich anders. Wir verbrachten 18 Monate damit, einen Großteil davon zu spielen, bevor wir ins Studio gingen. Obwohl viel davon improvisiert ist, kannten wir das neue Material ziemlich gut. Diese Arbeitsweise ist das komplette Gegenteil von The Octopus.

Diskografie

Amplifier (2004)
The astronaut dismantles HAL (EP, 2005)
Insider (2006)
Eternity (Raritäten-EP, 2009)
The Octopus (2011)
Fractal (Download-EP, 2011)
Echo Street (2013)
Welche der beiden Erfahrungen war befriedigender?

Nun, sie waren beide gut wie schlecht. Aus all den selben Gründen. Es dauerte sehr lange The Octopus fertig zu bekommen. Das macht es einmalig. Ich werde nie wieder im Leben vier Jahre mit dem Erstellen einer Platte verbringen. Es war auf viele Arten ein Alptraum und es ist für Leute schwer zu verstehen, wie man so viel Zeit und Aufmerksamkeit einer einzigen Sache widmen kann. Aber es war wirklich sehr bereichernd und ich lernte viel dabei. Echo Street war die selbe Menge an Arbeit - allerdings komprimiert auf ein paar Wochen anstatt Jahre. Das an sich war gut. Aber es war trotzdem zu viel und ich wäre fast ausgebrannt. Deswegen möchte ich auch das nie mehr machen. Allerdings war auch das sehr bereichernd und ich lernte wieder ein paar neue Dinge. Es wird interessant zu sehen, was im Rahmen des nächsten Albums passieren wird!

Was mir am neuen Album besonders gefällt, sind die vielen Gesangsharmonien, die mich ein wenig an Crosby, Stills & Nash erinnern, was irgendwie neu für Amplifier ist. Ist das etwas, das Du schon länger tun wolltest, es jetzt aber mit der neuen Besetzung erst richtig umsetzen kannst?

Was ich mir schon einige Jahre lang innerlich sagte, ist Folgendes: Eine der besten neuen Bands heutzutage wäre eine Kreuzung aus Nirvana und Crosby, Stills & Nash. Nachdem Steve und Magnum der Band beitraten, erkannte ich, dass es plötzlich für Amplifier möglich wäre, diese Band zu sein! Du kannst also erwarten, dass dieses Terrain in seiner Gänze auf der nächsten Platte erforscht wird...

Na das sind aber interessante Aussichten. Wir freuen uns schon drauf, Sel!

Mario Karl


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