····· Osterei - Luxus-Haydn auf Vinyl ····· Zwischen Grunge und Pop suchen Woo Syrah ihren Weg ····· Der zweite Streich von Billy Idol neu und erweitert ····· Die Hamburger Ohrenfeindt sind „Südlich von Mitternacht“ auf der Überholspur ····· BAP gehen auf Zeitreise in ihre besten Jahre ·····  >>> Weitere News <<<  ····· 

Artikel

No sleep 'til Provinz: Bonfire mit angezogener Handbremse in Harburg

Info

Künstler: Bonfire

Zeit: 10.11.2012

Ort: Wörnitzhalle - Harburg (Schwaben)

Internet:
http://www.hassliebe.de
http://www.phil-online.de
http://www.bonfire.de
http://www.hv-harburg.de

Als die „Rock-Sensation des Jahres“ wird die Veranstaltung von den Heimatfreunden der Gemeinde Harburg (Schwaben) in Bayern bereits seit längerem angekündigt. Als ich mich nach dem Kartenpreis erkundigt habe, bin ich erst einmal platt: 30 Euro im Vorverkauf und 34 Euro an der Abendkasse! Eigentlich bin ich immer dafür, Rockbands in der unmittelbaren Umgebung zu unterstützen. Aber der Preis ist hier doch verhältnismäßig hoch. Ich kaufe mir trotzdem schweren Herzens eine Karte im Vorverkauf und entschließe mich dazu, mir das Ganze anzuschauen. Bonfire waren vom Veranstalter um 20 Uhr angekündigt, also bin ich bereits um 19.30 Uhr an der Halle. Die Parkplätze waren fast schon alle belegt, es sind relativ viele Besucher gekommen. Die Veranstalter „Heimatfreunde Harburg“ haben sich bei der Organisation des Ganzen mächtig ins Zeug gelegt. Es sind genügend Security-Leute vor Ort, die Verpflegung ist essens- und getränketechnisch optimal. Die Bühne braucht keinen Vergleich zu scheuen und es ist alles für einen Klasse-Rockabend vorbereitet.

Die Lokalmatadoren HASSLIEBE, die zu diesem Zeitpunkt noch spielen, legen einen fulminanten Auftritt hin. Soundtechnisch optimal ausgesteuert kommt die Mischung aus Böhse Onkelz und Toten Hosen sehr gut an. Vor allem der Sänger erinnert überdeutlich an Campino, was jedoch kein Nachteil ist. Die Jungs sind mit Feuereifer dabei und ich bin mir sicher, dass die Bands die danach kommen, es relativ schwer haben werden. Einige Fans bedauern jedoch, dass die Einflüsse der Frühphase der Band, in der sie noch mit diversen Volksmusikinstrumenten experimentiert haben, leider komplett verschwunden sind. Dies liegt vermutlich auch an diversen Besetzungswechseln in letzter Zeit.

Nun müssten eigentlich Bonfire kommen - wegen denen ich hauptsächlich da bin. Zufällig erfahre ich von einem Mitarbeiter der Promotionfirma www.metalroxx.com, dass Bonfire heute überraschend als Vorband von Gotthard in Ravensburg spielen. Die ursprünglich angesetzte Vorband von Gotthard, Unisonic, hat die Tour aufgrund der Erkrankung von Sänger Michael Kiske abgesagt. Es wird deshalb auch nicht das Equipment von Bonfire aufgebaut, sondern von PHIL. Darüber sind etliche Fans in der Halle etwas erstaunt, denn alle rechnen mit Bonfire. Der Veranstalter hätte hier Licht ins Dunkel bringen können durch eine kurze Ansage - was jedoch nicht passiert. So beginnt die Band Phil unter besonders ungünstigen Umständen. Die Phil Collins- bzw. Genesis-Coverband aus dem Badener Land legt mit “No Son Of Mine” los und besticht von der ersten Minute an durch glasklaren Sound, eine perfekt eingespielte Band und einen Sänger, der bei geschlossenen Augen verdammt nah an das Original Phil Collins kommt. Die Show wird bei einigen Songs mit Videosequenzen untermalt, was die Aussage der Songs sehr gut unterstreicht. Besonders cool: Bei „I Can’t Dance“ gehen der Sänger, die beiden Background-Sängerinnen und der Bassist ins Publikum und es bildet sich eine Polonaise. Überhaupt muss man sagen, dass die Badener eine recht gute Stimmung in das auf Hardrock eingestellte Publikum bringen. Ich finde Phil auch sehr stark, habe jedoch mit der Musik von Genesis bzw. Phil Collins so meine Probleme. Es ist einfach nicht meine Musikrichtung. Die Band macht jedoch das Beste daraus und spielt geschlagene zweieinhalb Stunden. Highlights sind hier sicherlich die Songs „Mama“ oder „Land Of Confusion“. Phil bekommen vom Publikum weit mehr als Höflichkeitsapplaus und das auch völlig zu Recht. Der Sänger gibt von der Bühne das Statement, dass es sich bei der Zusammenstellung der Bands doch um eine recht seltsam zusammen gewürfelte Mischung handelt.

Nun beginnt das Warten auf BONFIRE. Es dauert etwa 45 Minuten, bis das Equipment von der Band aufgebaut ist und die Hardrock-Haudegen aus Ingolstadt auf die Bühne kommen. Ein Verantwortlicher der Heimatfreunde Harburg lässt es sich leider nicht nehmen, die Band anzusagen. Manchmal ist Spontanität etwas sehr Schönes. In diesem Fall hätte man sich jedoch gewünscht, der Vereinsvorsitzende hätte sich vorher zumindest einen vernünftigen Gedanken gemacht. Stattdessen labert er davon, dass die „Heimatfreunde und Bonfire ja erst einmal prinzipiell nicht zusammenpassen...“. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Ansage so überflüssig und blödsinnig war wie eine Grippeinfektion. Nichtsdestotrotz: Bonfire kommen und beginnen mit dem Song „Under Blue Skies“. Respekt, was die Ingolstädter hier abliefern. Der Sound röhrt amtlich, Sänger Claus Lessmann singt absolut klasse und die Musiker geben dem düsteren Song eine richtig bedrohliche Atmosphäre. Mittlerweile sind sie alle ein bisschen in die Jahre gekommen. Gitarrist Hans Ziller hat sich von seinen langen Haaren verabschiedet und versprüht mittlerweile mehr die Aura eines Versicherungsvertreters. Bassist Uwe Köhler trägt mittlerweile auch kurz, ist jedoch immer noch genauso motiviert wie früher und man merkt ihm die Spielfreude zu jeder Sekunde des Gigs an. Jürgen „Bam Bam“ Wiehler wurde von dem neuen Schlagzeuger Harry Reischmann abgelöst. Und mit Chris „Yps“ Limburg ist ein neuer Gitarrist dabei, der die Band seit 2006 verstärkt.
Die Songauswahl lässt kaum Wünsche übrig. Klassiker wie „Never Mind“, „Hot To Rock“ oder „Don’t Touch The Light“ sind seit Jahren über jeden Zweifel erhaben und feste Größen in der Setlist. Auch der neue Song „Cry For Help“ der in Kooperation mit der Tierschutzorganisation PETA entstanden ist, steht absolut in der Tradition der alten Bandballaden und kommt live sehr gut an. Mittlerweile ist das Publikum jedoch schon sichtlich müde. Die meisten stehen bereits seit 5 Stunden vor der Bühne und warten. Dies macht sich leider auch in der Stimmung in der Halle bemerkbar. Das andere Problem sind Bonfire selbst. Man merkt ihnen an, dass sie an dem Abend bereits einen Auftritt hinter sich haben. Es fehlt die Spritzigkeit und die Spielfreude, die sie sonst auszeichnet. Sänger Claus Lessmann liegt auch mit der einen oder anderen Ansage ein bisschen daneben und um die Uhrzeit ist es manchmal besser, etwas weniger zu labern sondern lieber mehr zu spielen. So kommt es manchmal vor, als ob die Band Zeit schindet. Und abgedroschene Phrasen wie „wir haben doch keine Zeit“ oder „wenn nicht jetzt - wann dann“ sollte er ein für allemal sein lassen. Das Schlagzeugsolo von Harry Reischmann ist in dem Sinne originell, da er viel mit Feuer arbeitet. Er schluckt Feuer, spuckt Feuer - und das alles während des Solos! So was sieht man nicht alle Tage, das ist klar. Aber Schlagzeugsolos sind in meinen Augen meistens verzichtbar und ein Großteil der Zuschauer holt sich ein Bier oder geht auf die Toilette. Ein Spinner übertreibt es leider und hüpft oberkörperfrei auf die Bühne, um dann von den Security-Leuten zurück ins Publikum begleitet zu werden. Dies gelingt ihm insgesamt zwei Mal. Auch vor der Bühne sind etliche Fans total besoffen, was auch nicht wirklich zur guten Stimmung beiträgt.
So plätschert das Konzert vor sich hin. Ein überflüssiges Gitarrensolo von Hans Ziller bereitet „Ready For Reaction“ vor, das vom Publikum begeistert aufgenommen wird. „Champion“ beendet das reguläre Set nach ca. 75 Minuten. Die Zugaben bestehen aus dem Klassesong „SDI“ und dem völlig deplatzierten „Sweet Home Alabama“. Der Song, der mittlerweile wirklich totgenudelt ist, wird in einer 10-Minuten-Mitsing-Version präsentiert, die um diese Uhrzeit natürlich ihre Wirkung verfehlt. Nach genau 90 Minuten ist das Konzert vorbei und Bonfire verlassen ziemlich schnell wieder die Bühne. Das war ganz klar die Erfüllung des Vertrages - eine lästige Pflichtaufgabe, die es zu lösen galt. Die Band spielte bis auf Bassist Uwe Köhler, Gitarrist Chris Limburg und Schlagzeuger Harry Reischmann mit angezogener Handbremse. Claus Lessmann strahlt teilweise doch eine ziemliche Arroganz aus nach dem Motto: „Für die Provinzler hier reicht es doch allemal noch“. Gitarrist Hans Ziller ist komplett abgetaucht. Er spielt sehr gut, gibt sich jedoch keinerlei Mühe, Kontakt zum Publikum aufzubauen. Musikalisch kann man den Herren keinen Vorwurf machen. Sie haben perfekt zusammengespielt und die Songs absolut astrein präsentiert. Aber der Funke ist während des kompletten Konzerts nicht aufs Publikum übergesprungen. Ich kann gut verstehen, dass die Band das Angebot, als Support für Gotthard zu spielen, angenommen hat. Allerdings ist es keine schöne Sache, wenn es auf Kosten von anderen Fans geht, die ebenfalls verhältnismäßig viel Geld für ihre Karte hingeblättert haben. So machen Bonfire keine Werbung für sich!
Ich werde mir die Band nicht wieder live reinziehen. Wenn man vergleicht, welche Klasse-Konzerte sie in Wechingen oder am Härtsfeldsee zu Zeiten von Strike X oder Golden Bullets hingelegt haben, ist dies schon ein gewaltiger Qualitätsunterschied. Die wahren Gewinner des Abends sind für mich ganz klar Phil, die sich teuer verkauft und einen blendenden Eindruck hinterlassen haben. Hassliebe haben ebenfalls sehr gute Eigenwerbung betrieben und gezeigt, dass man auch in Zukunft fest mit ihnen rechnen muss.

(ungefähre) Setlist Bonfire:
Under Blue Skies
Never Mind
Just Follow The Rainbow
Hot To Rock
Don’t Touch The Light
Cry For Help
But We Still Rock
Fantasy
Tony’s Roulette
Drum Solo
You Make A Feel
Sword And Stone
Ready For Reaction
Champion
SDI
Sweet Home Alabama

Stefan Graßl


Zurück zur Artikelübersicht