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Reviews

Bach, J. S. (Staier)

Goldberg-Variationen BWV 988


Info

Musikrichtung: Barock Cembalo

VÖ: 26.02.2010

(Harmonia Mundi / Harmonia Mundi CD / DDD + DVD / 2009 / Best. Nr. HMC 902058)

Gesamtspielzeit: 80:46

INTELLIGENTER KLANGZAUBER

So hat man die Goldberg-Variationen von J. S. Bach auf einem Cembalo noch nicht gehört! Andreas Staier greift nach zwei aufsehenerregenden Vorgängerproduktionen zum dritten Mal in die Tasten seines extravaganten Hass-Cembalo-Nachbaus. Der verfügt neben der Standardausstattung mit 8‘8‘4‘-Registern nicht nur über zusätzliche bassmächtige 16-Fuß-Saiten, sondern über diverse Möglichkeiten, die Klangfarben zu modifizieren, z. B. durch einen sanften Lautenzug oder den Abgriff der Saiten nahe am Steg, was einen etwas unheimlichen nasalen Klang erzeugt. Auch wenn die erreichbaren 59 Registermöglichkeiten nicht alle musikalisch Sinn machen, so lassen sich doch auf diese Weise je nach Bedarf eindrucksvolle ‚orchestrale‘ oder ‚kammermusikalische‘ Wirkungen erzielen und die kontrapunktischen Linien individuell einfärben.

Staier erläutert auf der Bonus-DVD seine Entscheidungen: Nicht ein Feuerwerk der Sound-Effekte, sondern eine sinnlich-sinnreiche Verdeutlichung der internen Architektur der Goldberg-Variationen war sein Ziel, indem z. B. ähnlich disponierte oder deutlich aufeinander bezogene Stücke mit ähnlichen Klangfarben ausgeführt werden. Zugleich sollten die 30 Miniaturen in ihrer Individualität kenntlich werden: als kunstvoll gebaute Charakterstücke und Affektstudien, die die Potentiale der von Bach zugrundegelegten harmonischen Bassfigur bis an die spieltechnischen Grenzen ausreizen. Den Tanz der zehn Finger auf den beiden Manualen, das Kreuzen der Hände durch Über- und Untergriffe muss man mal gesehen haben. Fast erscheint in diesem Fall die DVD als das geeignetere Medium. Die Goldberg-Variationen sind auch eine Augenmusik und ich habe keinen Zweifel, dass eine komplette Videofassung mit Staiers Fingerspiel dem Ganzen die Krone aufgesetzt hätte.

Aber auch so ist es ein Genuss, zuzuhören und Bachs Variationen-Wunder lustvoll musikantisch und zugleich in intelligenter Durchdringung zu erleben. Staier geht mit Augenmaß zu Werke und wählt stimmige Tempi ohne Übertreibungen. Er kostet die extrem leisen und ruhiger Variationen (die melancholisch 'leere' Nr. 15, die tastend-chromatische Nr. 25) aus, um dann die üppiger gesetzten oder motorischen Sätze sich geradezu explosiv im ‚Plenum‘ austoben zu lassen (z. B. die pompöse französische Ouvertüre Nr. 16). Das Ganze atmet viel Grazie, aber auch Feuer und - ganz wichtig - Humor (z. B. das lautenselige, hüpfende Doppel Nr. 19 & 20 oder die purzelnden Skalengänge der Nr. 23). Bis zu den immer artistischer auftrumpfenden letzten Variationen, die das dialogische Wechselspiel auf zwei Manualen noch einmal auf die Spitze treiben, reißt der Spannungsbogen dieser überaus gelungenen Einspielung nicht ab.



Georg Henkel

Trackliste

Auf der Bonus-DVD befindet sich eine Dokumentation von Christian Leblé 25:00

Besetzung

Andreas Staier, Cembalo nach einem Modell von H. A. Hass
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So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger