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Reviews

Abel, C. F. (Pandolfo)

Das Drexel Manuskript


Info

Musikrichtung: Frühklassik Kammermusik

VÖ: 01.03.2009

(Glossa / Note 1 / CD / DDD / 2008 / Best. Nr. GCD 921108)

Gesamtspielzeit: 79:28

AN DER GRENZE

Spätstile, die Altes und Neues gleichermaßen anklingen lassen, ohne sich noch in die üblichen Kategorien einordnen zu lassen, geraten in der musikhistorischen Rückschau meistens aus dem Fokus. So verhält es sich auch mit den Gambenkompositionen von Carl Friedrich Abel. Schon biographisch steht dieser 1723 geborene und 1787 verstorbene Komponist zwischen Spätbarock und Klassik; sein Vater war noch gut mit Johann Sebastian Bach bekannt, Abel selbst gründete mit Bachs Sohn Johann Christian eine erfolgreiche Konzertserie in London. Mozart schließlich war einer seiner Schüler. Und immerhin genügte die Qualität einer von Abels Sinfonien, um sie dem jungen Mozart zuzuschreiben. Unter Zeitgenossen genoss Abel wohl zu Recht einige Berühmtheit. Legendär war sein Ruf als Gambenvirtuose mit großem improvisatorischem Talent, das sich vor allem unter Alkoholeinfluss üppig entfaltet haben muss.

Vielleicht reagierte Abel mit seinen Rhein-Wein-Exzessen auch auf den auch krisenhaft erlebten Geschmacks- und Epochen-Umbruch. Denn sein Instrument, die Gambe, war seinerzeit schon weitgehend aus der Mode geraten: ein Saurier unter den Streichinstrumenten, das einer Epoche angehörte, die den melancholisch näselnden Ton und die gebrochenen Klangfarben wegen ihrer Nähe zu menschlichen Stimme schätzte. Längst schon hatte der Violinvirtuose mit expansiver Höhe, brillantem Ton, Triller- und Skalenfeuerwerk die Gambe verdrängt.
Von Abel selbst haben sich 29 Gambenkompositionen im sogenannten Drexel Manuskript erhalten. Erstmals stellt Paolo Pandolfo diese Stücke in ihrer Gesamtheit vor. Der Komponist versucht in diesem Werken, beides zusammen zu bringen: die feinnervige Ausdrucksqualität des Tons, die das 17. Jahrhundert vollendet kultiviert hatte, mit der Sensibilität und Virtuosität des 18. Jahrhunderts. Dabei geht er an die Grenzen dessen, was auf diesem Instrument sinnvoll darstellbar scheint.

Pandolfo hat aus den lose gereihten Stücken sinnvolle Suiten um zentrale Tonarten zusammengestellt. Verweisen die empfindsam vergrübelten „Préludes“ auf die barocke Blütezeit der Gambe, so äußert sich vor allem in den von Abel stammenden Bezeichnungen vieler Stücke der neue Zeitgeist: Allegro, Vivace, Adagio, Andante und Menuett.
Auch hier gibt es Vieles, das in der Rhetorik noch seine barocken Wurzeln aufweist. Man kann aber auch virtuose Kapriolen und extreme Klangerfindungen bestaunen, z. B. im „Allegro“ der 1. Suite, wo die Bogenattacke im tiefen Register mit weit ausgreifenden Gesten in der mittleren und höheren Lage beantwortet wird. Die gezackten Linien im 2. „Allegro“ der 2. Suite sind kaum weniger expressiv und alles andere als bloß galant. Immer wieder versucht Abel, mit der Gambe das Gleiche wie mit einem Cello oder einer Geige zu tun. Man höre nur das ausgesprochen brillante Allegro aus der 3. Suite mit seinem immensen Bewegungsdrang oder einige heiser "ausgerufene" Spitzentöne, die aber dennoch nicht deplatziert wirken. Das nicht minder virtuose „Arpeggiata“, mit dem die 2. Suite eröffnet wird, stellt den obertönigen Klang der Gambe bewusst ins Zentrum. Dessen raue Flächigkeit wirkt ausgesprochen modern.

Nicht nur aus Pandolfos ausführlichem Essay im Beiheft hört man die Faszination des Künstlers für dieses randständige Repertoire heraus. Er widmet sich der umfangreichen Sammlung mit hoher technischer und interpretatorischer Kompetenz. Die gewiss gymnastischen Herausforderungen, die Abels Kompositionen den Ausführenden aufgeben, meistert er souverän und entlockt seinem Instrument dabei ungewöhnliche Farben, stets auf der Suche nach dem angemessenen Ausdruck.
Obwohl die Musik sehr abwechslungsreich ist, empfiehlt sich bei einer Dauer von 80 Minuten dennoch eine vorsichtige Dosierung.



Georg Henkel

Trackliste

01-10 I. Suite in D-Dur
11-16 II. Suite in D-Moll
17-26 III. Suite in D-Dur
27-28 IV. Zwei Stücke in A-Dur

Besetzung

Paolo Pandolfo: Gambe
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06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
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19 bis 20 Überflieger