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Reviews

Cyril

Paralyzed


Info

Musikrichtung: Progrock

VÖ: 6/2016

(Progressive Promotion Records)

Gesamtspielzeit: 59:15

Internet:

http://www.cyril-band.de

Die Hälfte der Cyril-Mannschaft hat mal bei der Stern-Combo Meißen gespielt – allerdings nicht gleichzeitig: Manuel Schmid ist deren aktueller Sänger, Larry B. gehörte in gleicher Funktion der vorherigen Besetzung an, in der zugleich Marek Arnold die Planstelle des zweiten Keyboarders innehatte. Die Spaltung der vorherigen Besetzung, die natürlich nichts mit Schmid zu tun hatte, hat diesbezüglich also keine menschlichen Gräben aufgeworfen. In der Cyril-Besetzung findet sich aber noch ein anderer langjähriger Protagonist der Progszene im sächsisch-thüringischen Grenzgebiet: Ralf Dietsch, der nach seinem Aus bei Hidden Timbre zunächst geraume Zeit musikalisch abtauchte, ehe ihn Arnold mit Gabria und nun eben mit Cyril wieder an die Oberfläche brachte. Hört man die beiden Cyril-Alben Gone Through Years und das aktuelle Paralyzed, so ist klar, daß Hidden Timbre und Dietsch irgendwann sowieso getrennte Wege hätten gehen müssen, um ihre jeweiligen musikalischen Vorstellungen zu verwirklichen: Während HT mittlerweile ziemlich heftigen Progmetal mit ultratiefen Saitenklängen (achtsaitige Gitarren, ein sechssaitiger Baß) spielen, bewegten sich Gabria im Melodic-Rock-Bereich, der auch auf Cyril einen Einfluß ausgeübt hat, allerdings auf Gone Through Years einen stärkeren als auf Paralyzed, das im Direktvergleich deutlich mehr Progrockelemente beinhaltet. Das zeigt sich schon allein in der Songstruktur: 10 Songs mit 54 Minuten Spielzeit auf dem Debüt, jetzt nur noch sieben Nummern in einer knappen Stunde, dabei so aufgeteilt, daß jeweils eine etwas kompaktere Nummer auf einen Longtrack folgt und umgekehrt, wobei es der Closer „Secret Place“ auf über 18 Minuten bringt und obendrein als „Part One“ gekennzeichnet ist, was also mindestens einen weiteren Teil auf folgenden Werken (am dritten Album, vermeldet Arnold, wird bereits fleißig gearbeitet) erwarten läßt.

Cyril geben den musikalischen Ideen auf Paralyzed also meist mehr Raum zur Entfaltung, was in Szenarien wie dem Finale von „Remember Me“ gipfelt, das seine Klimax nach einem vielstimmigen Vokalarrangement in einem großen Instrumentalsolo erreicht, welches vor Minute 9 eigentlich endet – aber dann beginnt Arnold quasi verträumt und weltvergessen über einem Klavieruntergrund noch ein paar Klarinettentupfer zu setzen, so daß der Song anderthalb Minuten länger wird und man trotzdem nicht geneigt ist, den Beteiligten das irgendwie als Zeitschinderei und/oder Egotrip anzukreiden. Sie erreichen in der Disziplin der ausladenden Arrangements auch keine Pink-Floyd-Längen, selbst wenn auch nach etlichen Hördurchläufen noch immer nicht alle 18 der Minuten von „Secret Place“ ihren tieferen Sinn preisgegeben haben und beispielsweise das urlange Intro schon etwas Geduld beim Hörer erfordert. Bereits der knapp achtminütige Opener „Scarlet Walking“, ebenfalls mit verträumten Pianoparts anhebend, braucht nicht lange, um den Hörer erstmal mit griffigen Riffs festzunageln, auch wenn er keineswegs durchgängig rockt. Die Einbindung von Flamenco-Klängen wiederum ist der Cyril-Experte schon vom Debütalbum gewöhnt und findet hier mit „Rainbow“ ein weiteres Beispiel für diese Facette des Bandsounds, der sich, muß man ihn kurz zusammenfassen, wohl am besten als Progrock titulieren läßt, auch wenn das noch nichts sagt, in welcher konkreten Ecke sich der sächsisch-thüringische Sechser angesiedelt hat. Durch die äußerst markante Stimme von Larry B. denkt der Kenner natürlich automatisch an dessen Urprogband Toxic Smile, deren Chefdenker bekanntlich gleichfalls Arnold ist, aber da die giftig Lächelnden, anfangs noch auf einem Grat zwischen Progrock und Progmetal wandelnd, mittlerweile deutlich stärker dem letztgenannten frönen, taugt dieser Aspekt als markante Abgrenzung zu Cyril, die auch auf Paralyzed definitiv nichts mit Metal am Hut haben, selbst wenn Gitarrist Dietsch im phasenweise härtesten Track des Albums, „Faded Snapshot“, gelegentlich Doppelleads, kernig-flächige Riffs und ganz hintergründig sogar irgendwelche Tiefensounds zum Einsatz bringt. Aber das bleiben Momentaufnahmen, und wollte man daraus einen Metalansatz konstruieren, könnte man den sphärischen Teil um Minute 4 genausogut als Verbeugung vor Talk Talk zu Spirit Of Eden-Zeiten interpretieren und läge damit genauso nah oder fern der Wirklichkeit.

Was bei Cyril bisweilen seltsam wirkt, ist die Art und Weise, wie bestimmte Parts aneinandergefügt werden. Das betrifft etwa das Klarinettensolo in „Faded Snapshot“ nach dem erwähnten sphärischen Part – es scheint irgendwie aus dem Nichts zu kommen und unterstützt den Vorwurf, den mancher generell allen Proggern macht: das Baukastenprinzip ihrer Songs. Das ist in dieser Generalisierung natürlich Unsinn, aber bisweilen kann die Sinnfrage tatsächlich nur schwer beantwortet werden. Für musikalische Rätselfreunde dagegen bietet Paralyzed zwei ganz besondere Aufgaben. Nummer 1: Wo gab es die Überleitung aus dem urlangen Intro von „Secret Place“ in den Hauptteil ab Minute viereinhalb in ähnlicher Form schon mal zu hören? Tip: Der Bandname Toxic Smile ist im Review bereits gefallen. Nummer 2, etwas leichter: Wo hat die Melodie von „Peal Of Thunder“ schon mal Anwendung gefunden? Tip: Man höre nochmal Schmids von Arnold coproduziertes Soloalbum Seelenparadies durch ...

Wenn wir gerade beim Thema Networking sind: Das Gros der Lyrics auf Paralyzed hat Guy Manning geschrieben, den Arnold von der gemeinsamen Arbeit bei United Progressive Fraternity kennt. Schmid wiederum wird, so Arnold, auf dem dritten Cyril-Album deutlich stärker eingebunden sein, was dann wohl auch eine Gewichtungsverschiebung bei den Vocals ergeben dürfte, die leadseitig auf Paralyzed sehr stark von Larry B. geprägt werden. Die weitere Entwicklung bleibt also gespannt abzuwarten, und bis dahin darf sich der Progrockfreund, der nichts gegen eine phasenweise latente Melodic-Rock-Schlagseite hat, Paralyzed gespannt nähern, während derjenige, der an Gone Through Years gerade die nicht ganz so proglastige Ausrichtung schätzte, erstmal vorsichtig reinhören sollte. Was freilich auf beiden Alben auffällt: Es gibt erstaunlich wenige eingängige Melodien, über die man sich beispielsweise prima ins Toxic-Smile-Schaffen vorarbeiten konnte. Das sollte man vorher im Auge behalten und nicht hinterher enttäuscht sein (Melodic Rock ist ja nicht automatisch mit eingängiger Melodik gleichzusetzen). Dafür wird der Hörer etwa in „Secret Place“ jenseits der Zehnminutenmarke mit einer XXL-Variante des Vokalarrangements plus Instrumentalsoloabfahrt aus „Remember Me“ belohnt, was dann auch die Dramatik ins Geschehen bringt, die man in manchen Momenten vorher vermißte. So rundet sich das Bild letztlich doch.



Roland Ludwig

Trackliste

1Scarlet Walking 7:46
2Paralyzed 4:48
3Remember Me 10:20
4Rainbow 6:08
5Faded Snapshot 8:20
6Peal Of Thunder 3:16
7Secret Place Part One 18:20

Besetzung

Larry B. (Voc)
Manuel Schmid (Voc)
Marek Arnold (Keys, Sax, Klarinette)
Ralf Dietsch (Git, Mandoline, Voc)
Denis Strassburg (B, Programming)
Clemens Litschko (Dr)
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So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger