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Reviews

Wilson, Tobey

Lied!


Info

Musikrichtung: Romantik

VÖ: 01.06.2004

PRR / Note 1 (CD DDD (AD: 2001) / Best. Nr. PRR 001)

Gesamtspielzeit: 58:38

Internet:

Tobey Wilson

COOLE LIEDER?

Ist etwas "uncooleres" denkbar, als die Lieder der deutschen Romantik mit ihren überbordenden Emotionen, ihren gewagten Reimen und ihrer ungehemmten Subjektivität? Tobey Wilson soll ihnen, geht man nach der Aufmachung der CD, auf jeden Fall zu mehr Coolness verhelfen. Wie einen Pop-Star hat man ihn im Booklet inszeniert. Das entspricht der bisherigen Marketingstrategie. So hat die BMG das Debütalbum ("Eyes of the heart") des 1977 in Chemnitz geborenen, BRAVO-tauglichen Wilson mit Crossover-Allüren und technischen Spielereien derart überfrachtet, dass von der beachtlichen Stimme des Tenors kaum etwas übrigblieb.

Die erst jetzt erschienene, schon drei Jahre alte Produktion zeigt ihn hingegen als ernstzunehmenden Sänger, der durchaus als Nachwuchshoffnung im Liedfach gewertet werden darf. Der Tenor, der seine wesentliche musikalische Prägung beim Windsbacher Knabenchor erfahren hat, gestaltet hier ein wohlbekanntes Repertoire mit einer in allen Lagen runden, vollen Stimme und unprätentiöser Schlichtheit. Ihm gelingt es, Innigkeit und Innerlichkeit zu transportieren, ohne dass dies kitschig oder übertrieben wirken würde. Seine lyrische, abgewogene Vortragsform hindert ihn nicht, stimmliche Kraft aufscheinen zu lassen. So werden selbst abgegriffene Titel wie das "Heidenröslein" oder das "Ständchen" von Schubert zu anrührenden, authentischen Stücken.
Es verwundert nicht, dass dabei (noch) nicht alles perfekt ist. An mancher Stelle würde man Wilson mehr Mut wünschen, den Wohlklang seiner (oft schon baritonal anmutenden) Stimme zu vergessen und mit einer gewissen "Häßlichkeit" oder durch ein deutlicheres Zurücknehmen die Miniatur-Dramen konsequenter zu gestalten. Aber auch diese Fähigkeit deutet sich bisweilen schon an.
Im übrigen ist es aller Bewunderung wert, dass sich ein so junger Tenor überhaupt von den übermächtigen deutschen Bariton-Ahnen wie Prey oder Fischer-Dieskau frei macht und hier etwa Schumanns Liederzyklus "Dichterliebe" respektlos frisch, zugleich aber mit Tiefgang und großer Sensibilität interpretiert. Die Stücke "Ich hab´ im Traum geweinet" oder "Die alten, bösen Lieder" beispielsweise erfahren eine Deutung, die das ganze Spektrum menschlicher Empfindungen auskostet und dies so echt, dass das Nachempfinden wieder möglich wird. Das sog. "Kunstlied" erhält somit seinen Platz im realen Leben zurück und wird der Rentnerkaffee-Atmosphäre mancher Liederabende entrissen.

Der Pianist Erik Nilsson läßt sich auf Wilsons Vortragsstil ein, gestaltet aber auch häufig durchaus selbstbewußt mit, wie etwa in der Schlußpassage des Stücks "Hör´ ich das Liedchen klingen".

Unnötigerweise hat man die Produktion mit einer gänzlich unpassenden Zugabe versehen, nämlich Puccinis "Nessun dorma". Dass Wilson die stimmliche Potenz zur Bewältigung dieses süßlichen Opernschlagers hat, ist unbestreitbar, aber zum einen fügt sich das Werk sich nicht in eine Lied-CD ein, zum anderen ist seine Stimme dann doch noch deutlich zu jugendlich für diese Partie.
So bleibt zu hoffen, dass Wilson demnächst nicht hieran anknüpft, sondern dort weitermacht, wo er mit der "Dichterliebe" auf dieser CD aufgehört hat.



Sven Kerkhoff

Trackliste

Franz Schubert (1797-1828)
„An Sylvia”
„Heidenröslein”
„Liebhaber in allen Gestalten”
„Die Forelle“
„An die Laute“
„An die Musik“
„Im Abendrot“
„Ständchen“

Ludwig van Beethoven (1770-1827)
„Der Kuss“
„Resignation“
„Zärtliche Liebe“


Robert Schumann (1810-1856)
Dichterliebe op. 48

„Im wunderschönen Monat Mai“
„Aus meinen Tränen spriessen“
„Die Rose, die Lilie, die Taube, die Sonne“
„Wenn ich in Deine Augen seh“
„Ich will meine Seele tauchen“
„Im Rhein, im heiligen Strome“
„Ich grolle nicht“
„Und wüsstens die Blumen, die Kleinen“
„Das ist ein Flöten und Geigen“
„Hör` ich das Liedchen klingen“
„Ein Jüngling liebt ein Mädchen“
„Am leuchtenden Sommermorgen“
„Ich hab im Traum geweinet“
„Allnächtlich im Träume seh ich Dich“
„Aus alten Märchen winkt es“
„Die alten bösen Lieder“

Giacomo Puccini (1858-1924)
„Nessun Dorma“ (aus „Turandot“)

Besetzung

Tobey Wilson, Tenor

Erik Nilsson, Klavier
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