Musik an sich


Reviews
Lully, J.-B. (Rousset, Chr.)

Amadis


Info
Musikrichtung: Barock Oper

VÖ: 17.10.2014

(Aparté / Harmonia Mundi/ 3 CD / DDD live / 2013 / Best. Nr. AP094)

Gesamtspielzeit: 164:05



ITALIENISCHES FEUER

Mit seiner nunmehr fünften Gesamteinstpielung einer Oper von Jean-Baptiste Lully etabliert sich Christophe Rousset mit Les Talens Lyrique erneuet als ein führender Interpret der Tragédie lyrique, jener französischen Sonderform der Barockoper, die nicht so sehr mit Arien, sondern mit groß dimensionierten Szenen und prächtigen Tableaus aus Chören und Tänzen prunkt. Mit Amadis aus dem Jahr 1684 steht dabei noch ein besonders reiches und reifes Werk Lullys auf dem Programm. Die verwickelte Handlung kombiniert geschickt Ritter- und Kreuzfahrer-Epik mit einer wechselvollen Love-Story, Märchenelementen und Feenzauber. Vielleicht ist diese Tragédie Lullys, die schon zu Lebzeiten des Komponisten besonders geschätzt wurde, wie keine andere für das heutige Publikum als Einführung in sein Opernschaffen geeignet.

Roussets setzt wie stets auf Farbigkeit, Prägnanz und Transparenz. Wie schon bei den Vorgängerproduktionen Bellerophon und Phaeton überzeugen die Bandbreite dynamischer und artikulartorischer Effekte, der dramatische Ausdruck und die raffinierte Regie der Kontraste - Rousset präsentiert uns Lullys typisch französische Musik mit einem gewissen italienischen Feuer und erinnert so an die Herkunft des Komponisten, der aus Florenz stammte und ursprünglich Giovanni Battista Lulli hieß. Das schlank besetzte Orchester klingt dabei kraftvoll und feinnervig zugleich; dieser Ansatz wird von der Akustik des Versailler Schlosstheaters, wo die Aufnahme während einer Liveaufführung entstand, bestens unterstützt. So sehr dieser kraftvolle Zugriff einerseits gefällt, so sehr könnte man sich manches auch getragener, atmosphärischer vorstellen (vor allem im 3. Akt, wo nach dem bukolischen Hirtenzauber des 2. Aktes eine düstere Gefängniszene folgt, für die Lully einige seiner ergreifendsten Klagechöre komponiert hat). Aber das ist letztlich Auffassungssache.

Bei den Sängern verfügt Rousset über bewährte Kräfte: Mit Cyril Auvity hat er einen dunkel getönten hohen Tenor für die Partie des Amadis zur Verfügung, der über Geschmeidigkeit und Kraft gleichermaßen verfügt. Allerdings sind seine recht üppigen Verzierungen des berühmten Air Bois épais Geschmacksache; der elegische, schwärmerische Charakter dieser Nummer wird nicht recht eingelöst. Da muss man zur älteren Aufnahme von Hugy Reyne greifen (Accord), die im ganzen ruhiger, lyrischer und weiträumiger ist (was im oben erwähnten 2. und 3. Akt bezaubert, an anderer Stelle dann aber auch etwas breit und spannungsarm wirkt). Francois Nicolas Geslot singt besagte Arie hörbar gelöster und kommt ohne den ornamentalen Dekor der Essenz des Stücks näher. Bei den Damen hat Rousset die insgesamt wohlklingendere Besetzung und deswegen würde ich seiner Einspielung im Ganzen den Vorzug geben. Neben der bezaubernden Oriane der Judith van Wanroij agiert mit einer furiosen Dramatik Ingrid Perruche in der Rolle der bösen Fee Arcabonne. Ihr zur Seite steht der kernig-finstere Arcalaüs von Edwin Crossley-Mercer. Das zweite Paar Corisande und Florestan sind mit Hasnaa Bennani sowie Benoît Arnould ebenfalls sehr gut besetzt.
Großes Lob gebührt wieder dem Kammerchor Namur, deren SängerInnen sich auch durch vorzügliche solistische Beiträge auszeichnen.

Die Präsentation ist wie bei den Vorgängerproduktionen hochwertig; die CDs stecken in einem umfangreich illustrierten französisch-englischen Büchlein mit festem Einband. Leider sorgen die CD-Kuverts dafür, dass die Silberlinge bei häufiger Entnahme rasch zerkratzen.



Georg Henkel



Trackliste
CD 1: Prolog und 1. Akt 42:46
CD 2: 2. und 3. Akt 64:58
CD 3: 4. und 5. Akt 56:21
Besetzung

Cyril Auvity: Amadis
Judith van Wanroij: Oriane
Ingrid Perruche: Arcabonne
Edwin Crossley-Mercer: Arcalaüs
Hasnaa Bennani: Corisande
Benoît Arnould: Florestan

Chœur de Chambre de Namur

Les Talens Lyriques

Christophe Rousset: Cembalo & Leitung


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