Musik an sich


Reviews
Sweelinck, J. P. (Rotaru)

Fortune my foe


Info
Musikrichtung: Barock Cembalo

VÖ: 18.10.2010

(Carpe Diem / Naxos / CD / DDD / 2010 / Best. Nr. 16281)

Gesamtspielzeit: 49:48



ZEITLOS MODERN

Dass die junge rumänische Cembalistin ihr Solistinnen-Debut ausgerechnet mit einer Kollektion von Kompositionen des Niederländers Jan Pieterszoon Sweelinck gibt, ist ungewöhnlich. Zumindest Bach muss es in der Regel sein, vielleicht noch Rameau oder Couperin, denn die kennt man. Aber Sweelinck? Das ist, so scheint es, kein barocker Hitkomponist wie die späteren drei, mögen auch die musikwissenschaftlichen Nachschlagewerke noch so sehr seine Bedeutung betonen. Sweelinck teilt das Schicksal vieler Komponisten, die – rückblickend - zwischen zwei Epochen standen. Dieser „alte Niederländer“ steht noch am Anfang des Barockzeitalters. Geboren 1562, wuchs er in der späten Renaissance auf und starb 1621. Ruhm erlangte er vor allem durch seine Musik für Tasteninstrumente. (Die bei Glossa erschienene Gesamteinspielung seines weltlichen und geistlichen Vokalwerks zeigt indes, dass er in jeder Hinsicht Herausragendes geschaffen hat …)

Der Klang seiner Cembalomusik ist üppig, schwerblütig, dunkel, auch schroff, dann wieder überaus virtuos (wenngleich auf eine abstrakte Weise) – dies alles nicht zuletzt aufgrund der reichen Gestik und Ornamentik, der komplexen Stimmführung und der gewagten Chromatik. Das hat noch nicht die konzertante Geschmeidigkeit Bachs (der in Punkto Komplexität aber in der Tradition Sweelincks steht!), auch nicht die Delikatesse der Couperins oder die malerischen Momente eines Rameau. Alles wirkt viel formaler, archaischer, selbst da, wo bekannte Volks- und Kirchenlieder in fantasievollen Variationen erscheinen. Selbst die kürzeren Stücke erscheinen trotz der kleingliedrigen Details im Ganzen monumental. Man vergleiche einmal das schwere, verkröpfte Gebälk frühbarocker Möbel und Architekturen mit den schwungvolleren, leichteren und lichtvolleren Ensembles des 18. Jahrhunderts – dann hat man es in etwa.
Alina Rotaru präsentiert diesen konzentrierten, aber vielfältigen Querschnitt durch das Cembalooeuvre Sweelincks auf einem Ruckersnachbau, der klanglich dem entspricht, was der Komponist selbst gekannt hat. Das Klangbild ist voll, präsent, direkt. Rotaru gelingt es, die Musik ebenso präzise wie temperamentvoll darzubieten und Strenge mit rhetorischer Beweglichkeit zu verbinden. Die virtuosen Skalenläufe bekommen manchmal schon etwas Glissandierendes, während die tänzerischen Momente elastisch federn. Überzeugend auch die Durchleuchtung der architektonischen Seite. Sweelincks oft verwickelte Musik klingt sehr klar, bis in die Nebenstimmen ausgehört. Da fügen sich die großformalen Abschnitte nicht nur zu verschnörkelten Miniaturen, sondern werden zu reich gegliederten, lebendigen Organismen. So klingt diese Musik dann auch alles andere als alt, sondern wirkt zeitlos modern.



Georg Henkel



Trackliste
1Fantasia Chromatica à 4
2 Puer nobis nascitur
3 Pavana Hispanica
4 Balleth del granduca
5 Onder een linde groen
6 Fortune my foe
7 Paduana Lachrymae
8 Ach Gott vom Himmel sieh darein
9 Mein junges Leben hat ein End‘
10 Toccata in d
11 Malle Sijmen
12 Fantazia op de Fuga van M: Jan Pieters. Fecit Dr. Bull 1621
Besetzung

Alina Rotaru: Cembalo nach Ruckers



 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>