Musik an sich


Reviews
Rameau, J. Ph. (Junghänel)

Les Paladins


Info
Musikrichtung: Barock Oper

VÖ: 01.10.2010

(Coviello Classics / Note 1 / 2 CD / DDD live / 2010 / Best. Nr. 967)



STILSICHER & STRAFF

Die Doppel-CD zur deutschen Bühnenpremiere: Rameaus Opernkomödie „Les Paladins“, die von den Rheinopern Duisburg und Düsseldorf diesjährig als Koproduktion herausgebracht wurde, gibt es jetzt auch als Live-Mitschnitt. Da wir schon an anderer Stelle ausführlich berichtet haben (“Geistreiche Farce”) möchte ich mich hier auf einen kurzen Vergleich mit der einzigen anderen im Handel erhältlichen Produktion beschränken: der DVD-Produktion von José Montalvo und Les Arts Florissants unter William Christie aus dem Théâtre du Châtelet (2004). Für die CD-Veröffentlichung hat man offensichtlich die Striche bei den Tänzen rückgängig gemacht – beide Produktionen bieten mithin das vollständige Werk. Interessant, dass bei annähernd gleicher Spielzeit das dramaturgische Tempo auf der CD im Ganzen sogar etwas höher wirkt – aber hier kann man sich eben ganz auf die komplexe und anspielungsreiche Musik Rameaus konzentrieren, deren Raffinesse sich erst beim wiederholten Hören offenbart. Diese französische Antwort auf Pergolesis La serva padrona ist ein genialer, komplexer Stilmix, der gerade deshalb vom Publikum nicht akzeptiert wurde, weil er genau das tut, was Pergolesi tunlichst vermieden hat: das Hohe und Niedere ungezwungen zu vermischen und das eine mit den Mitteln des anderen zu karikieren. Erhabenheit und Tiefe offenbaren sich bei Rameau auch im Lächerlichen und im Erhabenen stoßen wir bei ihm auf Momente verblüffender, mitunter auch tragischer Komik. Wenn das keine große Kunst ist! Rameaus Ansatz erweist sich da wirklich als subversiv, während Pergolesis standes- und stilreine „Unterschichten“-Komik doch im Grunde angepasst und insgesamt harmlos wirkt!

Die Neue Düsseldorfer Hofmusik unter Conrad Junghänel musiziert diese vieldeutige Farce ausdrucksvoll, präzise und stilsicher und die internationale Besetzung ist durchweg erfreulich, v. a. Anders J. Dahlin. Auch die Nebengeräusche halten sich sehr in Grenzen. Christie punktet sicherlich mit der größeren Erfahrung, dem feineren, seidigeren Orchesterklang und einer im Einzelnen charaktervolleren Darbietung durch sein handverlesenes Ensemble (man hört genau, dass Dahlin den Atis bereits unter seiner Leitung gesungen hat). Und die deutschen Untertitel auf der DVD erleichtern doch sehr, dem sprunghaften Handlungsverlauf zu folgen. Die Coviello-Produktion beschränkt sich dagegen nur auf das französische Libretto – dabei sollte man die Vorlage von Jean François Duplat de Monticourt nicht gar so gering schätzen, wie es meist der Fall ist.
Im Ganzen bestätigt sich der positive Eindruck der Bühnenversion auch auf CD. In der neuen Spielzeit steht die zweite große musikalische Komödie Rameaus bei den Rheinopern auf dem Programm: Platée. Es wäre schön, wenn man sich mit dem gleichen Kunst- und Sachverstand auch einmal den großen Tragödien widmen würde. Hippolythe et Aricie – das wäre was!



Georg Henkel



Besetzung

Anders J. Dahlin: Atis
Anna Virovlansky: Argie
Iulia Elena Surdu: Nérine
Laimonas Pautienius: Orcan
Adrian Sâmpetrean: Anselme
Thomas Michael Allen: Manto

Neue Düsseldorfer Hofmusik

Konrad Junghänel: Leitung



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