Musik an sich


Reviews
Koechlin, Ch. (Korstick)

„… des horizons lointains …“. Klavierwerke 3


Info
Musikrichtung: Klassische Moderne Klavier

VÖ: 18.10.2010

(Hänssler Classics / Naxos / CD / DDD / 2009 / Best. Nr. 93.261)

Gesamtspielzeit: 76:23



HORIZONTERWEITERUNGEN

Auch die dritte Einspielung mit Klavierstücken von Charles Koechlin (1867-1950) durch Michael Korstick erweitert nicht nur den Horizont des Repertoires (wobei die meisten Stücke dieser CD schon in anderen Einspielungen erhältlich sind).
Die geheimnisvollen pianistischen Traum- und Rätselwelten, die Koechlin in der Nachfolge und Weiterentwicklung Debussys mit oft nur wenigen hochchromatischen Strichen entwirft, benötigen neben äußert gelenkigen Fingern vor allem ein sehr genaues Gespür für die diffizilen Farbwerte und schwebende Rhythmik. Korstik erweist sich da ganz im Geiste Koechlins als Meister der Nuancierungskunst. Le Vielle Fontaine (Der alte Brunnen) aus dem Zyklus L’Ancienne Maison de campagne (Das alte Landhaus) besteht praktisch nur aus dem Nichts kleiner, blendender Sekunintervalle (eigentlich sogar Vierteltonintervalle) in hoher Lage und dunkler Reflexe in tiefer Lage. Es gibt keine Richtung, kein Ziel, nur die Impression des Moments, der sich immer mehr vertieft, so wie auch der randvoll mit Wasser gefüllte Brunnen, der Koechlin inspirierte, unergründlich tief ist. Diese Magie des Fast-Nichts ist die eine Seite Koechlins.
Eine andere kann durchaus zupackend, verspielt, geradezu jazzig sein. Der Anfang des Zyklus erinnert, wie Korstick zu Recht anmerkt, an das Promenadenthema von Mussorgskis „Bildern einer Ausstellung“. Bei den zwei Danses pour Ginger, die die CD eröffnen, denkt man dagegen an Gershwin. Ganz anders wieder die herzhaften, fröhlichen Quintläufe von Jeux (Spiele), die eigentlich auf ein von Koechlins Sohn jüngstem Yves spontan gesungenes Thema zurückgehen. Doch sind diese Anklänge nur der Vordergrund, der sich durch unerwartete Wendungen und originelle Entwicklungen auf einen fernen Horizont hin öffnet. Genauso kann es einem bei den Bach-Impressionen gehen, die einige der Douze Esquisses charakterisieren. Hier zeigt sich eine weitere Seite Koechlins: die des Bachkenners und –liebhabers, der die alten Satztechniken und Harmonien ebenso gut beherrscht wie den luziden musikalischen Sinn, mit dem er die Erscheinungen von hellem Sonnenlicht, Halbschatten, Nebel und Dunkelheit einfängt. Das Spektrum der vorliegenden Platte reicht aber noch weiter, wenn sie auch ein „Frühwerk“ wie das Andante con moto von 1896 aufnimmt, das quasi als Uraufführung erklingt – ein spätromantisches Klavierstück mit Perspektiven, die auf die folgenden Stücke vorausweisen.



Georg Henkel



Trackliste
1-2 Danses pour Ginger 5:52
3-6 Sonatine op. 59 Nr. 3 4:54
7 Andante con moto 6:35
8-20 L’Ancienne Maison de campagne 29:22
21 Pìece pour piano 2:21
22-24 Sonatine op. 59 Nr. 2 7:43
25-36 Douze Esquisses 19:36
Besetzung

Michael Korstick: Klavier


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>