Musik an sich


Artikel
Dear John Letter: Stillstand = Rückschritt




Info
Gesprächspartner: Dear John Letter

Zeit: November 2010

Stil: Post/Prog Rock, Alternative

Internet:
http://www.dearjohnletter.de
http://www.myspace.com/dearjohnletterger
http://www.facebook.com/dearjohnletterband

Innerhalb kürzester Zeit hat sich die in Augsburg ansässige Band DEAR JOHN LETTER vom reichlich unbekannten Geheimtipp in Sachen Post-/Progressive Rock zum aufsehenerregendsten Newcomer der Fuggerstadt entwickelt. So fanden nicht nur kleine Untergrundpostillen lobende Worte für das Quartett, sondern auch große Sprachrohre wie Eclipsed und Visions. Und auch hier bei Musikansich.de war die Band natürlich schon öfter ein Thema. Nachdem DEAR JOHN LETTER mit Part & Fragment ein neue, sehr interessante Veröffentlichung ins Licht der Öffentlichkeit schickten, mit der sich der Fünfer neu definierte, war es nach drei Jahren wieder einmal dringend an der Zeit nachzufragen, was es an Neuigkeiten im Bandlager gibt. Und wer weiß, vielleicht haben wir es hier bald mir richtigen Szenegrößen zu tun...


Was hat sich bei Dear John Letter geändert, seit unserem letzten Interview Mitte 2007 - außer dass ihr mittlerweile zwei Platten veröffentlicht habt? Haben die Aussagen Jakobs von damals noch ihre Gültigkeit?

Die Aussagen von Jakob haben natürlich noch ihre Gültigkeit und wir spielen auch immer noch in der gleichen Besetzung.

In den letzten beiden Jahren habt ihr zahlreiche Konzerte gespielt. Welche Erfahrungen, positive wie negative, habt ihr davon mit nach Hause genommen?

Was von den Konzerten zurückbleibt, ist nicht nur der Auftritt selbst, sondern auch, wie man in der jeweiligen Location aufgenommen wird. Das ist natürlich sehr unterschiedlich. Man denke nur an das Essen. Wobei: Die Vegetarier sind ja glücklich, wenn es Spinatlasagne gibt.

Bühne kontra Proberaum und Studio - was ist das natürliche Biotop von Dear John Letter und wo fühlt ihr Euch wohler? Oder gibt es hierfür keine eindeutige Antwort?

Doch, es gibt eine eindeutige Antwort: Proberaum. Wir spielen ja, weil wir es gerne machen und nicht nur fürs Publikum. Allerdings sind eben gerade die Auftritte wichtig. Sie motivieren und zeigen, dass die gespielte Musik eben nicht nur den eigenen Ohren gefällt.

Wie viel Anspruch stellt ihr an Euch selbst, bevor ihr Euch an neue Arbeiten macht?

Relativ hohe. Vor allem in einer Band gibt es ja immer wieder Dinge, die einem mehr und einem anderen weniger auffallen. Durch das gemeinsame Arbeiten und die Ansprüche des Einzelnen dauert es eben manchmal länger, bis man ans Ende gelangt. Und trotzdem hat man oft das Gefühl, ja eigentlich nie fertig zu sein. Dies ist im übrigen auch ein Merkmal des neuen Albums, wie der Titel Part & Fragment bereits verrät: Auch das (manchmal auch nur vermeintlich) Unfertige hat ja seinen Reiz. Ebenso wie Dinge, die vollständig waren und dann langsam zusammenfallen, wie Ritterburgen, die heute nur noch Ruinen sind und heute trotzdem oder gerade deswegen ihren Charme besitzen.

Auf dem Cover des Albums findet man bei genauerem Hinsehen ein Plakat des Kesselhauses und einen Bosna-Imbiss. Ist das ein kleiner Tribut an Eure Wahlheimat Augsburg? Welches Verhältnis habt ihr zu dieser Stadt?

Ja, das neue Albumcover ist zum großen Teil an Dinge aus der Augsburger Umwelt angelehnt. Natürlich prägen Dinge, die man Tag für Tag sieht und es verbinden sich Erinnerungen mit bestimmten Örtlichkeiten. Zum Beispiel hatten wir im Kesselhaus unseren ersten Proberaum bis wir dann von der Technoszene vertrieben wurden.

Diskografie
EP 2007 (2007)
Between Leaves | Forestal (2008)
Part & Fragment (2010)
Bei den ersten Dear John Letter-Veröffentlichungen schien Gesang eher zweitrangig zu sein. Auf „Part & Fragment“ wird er dagegen äußerst häufig eingesetzt. Woher dieser Sinneswandel - ein Zugeständnis an „klassische“ Rocksongs?

Zugeständnisse gibt es bei uns eigentlich in keiner Form. Wir machen, worauf wir gerade Lust haben und wie es sich aus dem Fluss ergibt. Das ist eine Freiheit, die uns extrem wichtig ist. Ohne sie würde die Band nicht existieren. Der häufige Einsatz des Gesangs hat sich also ganz natürlich ergeben.

Welche Bedeutungen haben die Texte an sich - welche Themen behandeln sie und welche Atmosphäre sollen sie erzeugen?

Die Texte ergeben im Grunde genommen keinen fest definierten Sinn. Sie sind so angelegt, dass man sich aus der erzeugten Grundstimmung und dem Zusammenspiel zahlreicher Metaphern seinen eigenen Sinn erschließen kann. Dabei sind verschiedenste Eindrücke aus Büchern, Fotographien und Filmen genauso wichtig, wie persönliche und zwischenmenschliche Erfahrungen.

Das Album fließt sehr angenehm und gleichmäßig. Was ich dagegen etwas vermisse, sind mehr emotionale Ausbrüche. Ein Zeichen zwischenzeitlicher Ausgeglichenheit oder habt ihr dieses Stilmittel inzwischen ausgereizt und genug davon?

Natürlich verändern sich musikalische Vorlieben mit der Zeit. Auch wir haben deswegen Neues ausprobiert und Altes vergessen. Denn: Stillstand ist Rückschritt. Das nächste Album wird also mit Sicherheit wieder anders klingen und kommt, wer weiß, Deinem Ideal vielleicht näher.

Im letzten November konnte Euer Sänger Martin im Rahmen des Modular-Festivals in Augsburg einen Song in Begleitung eines kleinen Orchesters aufführen. Wie war diese Erfahrung und wäre eine solche Zusammenarbeit auch mal für die ganze Band interessant?

Das Modular-Festival war sicherlich ein Höhepunkt, auch wenn nur zwei (Maximilian war ja auch dabei) aus der Band aktiv beteiligt waren. Für eine Zusammenarbeit mit der ganzen Band wären wir immer zu haben!

Artwork und die Gestaltung der Plattenhüllen war Euch bis jetzt immer ziemlich wichtig und kreativ gestaltet. Wer entwirft es und gibt es dahingehend Einschränkungen die ihr Euch unterwerfen müsst, nachdem die CD jetzt über ein Label vertrieben wird?

Einschränkungen gibt es, wie bei der Gestaltung der Lieder, nicht vom Label, dafür mehr von den verschiedenen Bandmitgliedern. Entwurf und Gestaltung stammen aber im Allgemeinen von Maximilian, der nach einem Grafikdesignstudium jetzt auch als Art Director tätig ist. Das ist auf jeden Fall ein großer Vorteil und wir sind glücklich, dass wir somit nicht nur durch Musik, sondern auch durch Artwork bestechen können!





Mario Karl



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