Musik an sich


Reviews
Mozart, W.A. (Karthäuser/Loges)

Lieder


Info
Musikrichtung: Wiener Klassik

VÖ: 01.11.2007

Cypres Records / Note1 (2 CD, DDD (AD: 2007) / Best.nr. CYP 1650)

Gesamtspielzeit: 81:37

Internet:

Cypres Records

Sophie Karthäuser



ERFRISCHEND

Obschon Mozart sich sein ganzes Leben lang und vor allem in den späten Jahren immer wieder damit befasst hat, wird er als Komponist von Kunstliedern bis heute selten ernst genommen. Betrachtet man sie als schnell am Billiardtisch hingeworfene Gelegenheitswerke und belächelt sie wegen ihrer teils putzigen, teils skurrilen Texte, so wird man damit ihrer Bedeutung jedoch keineswegs gerecht. Denn der Umstand, dass sie häufig in aller Eile und gewissermaßen zwischendurch niedergerschrieben wurden, lässt bei Mozart bekanntlich keinen Rückschluss auf den künstlerischen Wert einzelner Stücke zu. Und so finden sich unter seinen Liedern echte Perlen, die mit ihrem differenzierten Ausdrucksgehalt und ihrem Charakter als seelenvolle Dramen en miniature bereits deutlich auf das Liedschaffen der Romantik, insbesondere bei Schubert, vorausweisen: Hier sind neben dem berühmten "Veilchen" auch "Das Lied der Trennung", die "Abendempfindung", "Das Traumbild" und "Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte" zu nennen.
Andere Lieder sind betont volkstümlich schlicht gehalten, oft auch unter Rücksicht auf den Sinngehalt des Textes ("Die Zufriedenheit", "Verdankt sei es dem Glanz der Großen", "Komm liebe Zither", "Lied der Freiheit, "Sensucht nach dem Frühling (Komm lieber Mai und mache)"). Und schließlich gibt es da noch die Lieder, die den komischen Impetus der Liedtexte brillant aufgreifen und sie zu einem echten, musikalisch nie platten Spass erheben: "Die Alte", "Die Verschweigung", "Der Zauberer", "Die kleine Spinnerin".
Die Auswahl der Liedtexte ist übrigens im Hinblick auf Mozarts Denken und Fühlen, seinen Humor, sowie seine Einstellung zu gesellschaftlichen und politischen Fragen häufig aufschlussreicher, als so manche Biographie.

Was den Liedern abgeht ist im Vergleich zum Kunstlied des 19. Jahrhunderts eine Klavierbegleitung, die über die Begleitfunktion wesentlich hinausgehen würde. Mozart begnügt sich noch damit, den Stimmungsgehalt 1:1 nachzuzeichnen und der Singstimme ein stabiles Fundament zu geben. Es wäre sicherlich reizvoll gewesen, dabei die Probe aufs Exempel zu wagen und die Klavierstimme, die hier bei Eugene Asti in besten Händen liegt, auf einem Fortepiano mit seinem herberen, weniger romantisch tönenden KLang einzuspielen.

Den Gesangspart teilen sich mit der belgischen Sopranistin Sophie Karthäuser und dem deutsche Bariton Stephan Loges zwei Künstler der jüngeren Generation. Beide sind dem Liedgesang seit langem verbunden, verfügen aber auch über reichhaltige Erfahrung auf der Opernbühne. Das merkt man ihrem Vortrag an, der betont einen harmlosen, durchgehenden Wohlklang vermeidet und den Liedern mit oft erstaunlicher Binnendifferenzierung auf dramatischem Wege beizukommen versucht, was für Sophie Karthäuser noch in stärkerem Maße, als für Stephan Loges gilt. Der Ansatz ist höchst erfrischend und mit ihm wird die eingangs erwähnte "Putzigkeit" konsequent umgangen. Da so zugleich das volkstümliche Element in den Hintergrund tritt, mag an mancher Stelle die Interpretation zunächst als zu opernhaft erscheinen. Hier ist allerdings zu beachten, dass eine strikte Trennung von Lied- und Opernkomposition zu Mozarts Zeit und in seinem Werk überhaupt nicht existierte - nur allzu gern schob er schließlich auch in seinen Bühnenwerken kleiner Lieder ein.
Beide Sänger zeigen sich als im Hinblick auf den ganz unterschiedlichen Charakter der einzelnen Lieder höchst wandlungsfähig und so reicht die Spannbreite vom pathetisch-erhabenen bis zum äusserst komischen Vortrag.
Die Lieder nicht, wie sonst oft üblich, allein einer Sopranistin anzuvertrauen, erweist sich dabei als kluger Einfall, zumal eine derartige Festlegung auf die Stimmlage bei Mozart nicht vorgezeichnet ist.

Die tontechnisch exzellent realisierte Doppel-CD macht damit allerbeste Werbung für einen Mozart, der weniger bekannt sein dürfte, der aber jeder Aufmerksamkeit wert ist.



Sven Kerkhoff



Trackliste
CD I
1. Kleine deutsche Kantate (Die ihr des unermeßlichen Weltalls Schöpfer ehrt) KV 619
2. Das Traumbild (Wo bist du, Bild, das vor mir stand) KV 530
3. Die Zufriedenheit (Was frag ich viel nach Geld und Gut) KV 349 (367a)
4. An die Freude (Freude, Königin der Weisen) KV 53 (43b)
5. An die Hoffnung (Ich würd auf meinem Pfad) KV 390 (340c)
6. An die Einsamkeit (Dir Einsamkeit) KV 391 (340b)
7. An die Bescheidenheit (Verdankt sei es dem Glanz) KV 392 (340a)
8. Komm, liebe Zither, komm KV 351
9. Die Alte (Zu meiner Zeit) KV 517
10. An die Freundschaft (O heiliges Band) KV 148 (125h)
11. Die Verschweigung (Sobald Damötas Chloen sieht) KV 518
12. Der Zauberer (Ihr Mädchen, flieht Damöten ja!) KV 472
13. Die Zufriedenheit (Wie sanft, wie ruhig fühl ich hier) KV 473
14. Die betrogene Welt (Der reiche Tor) KV 474

CD II
1. Das Veilchen (Ein Veilchen auf der Wiese stand) KV 476
2. Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte (Erzeugt von heißer Phantasie) KV 520
3. Lied der Trennung (Die Engel Gottes weinen) KV 519
4. Des kleinen Friedrichs Geburtstag (Es war einmal, ihr Leutchen) KV 529
5. Lied der Freiheit (Wer unter eines Mädchens Hand) KV 506
6. Gesellenreise (Die ihr einem neuen Grade) KV 468 (Freimaurerlied)
7. Oiseaux, si tous les ans (Wohl tauscht ihr Vögelein) KV 307 (284d)
8. Dans un bois solitaire (Einsam ging ich jüngst) KV 308 (295b)
9. Ridente la calma (Der Sylphe des Friedens) KV 152 (210a)
10. An Chloe (Wenn die Lieb aus deinen blauen Augen) KV 524
11. Die kleine Spinnerin (Was spinnst du immer, liebes Kind) KV 531
12. Wie unglücklich KV 147 (125g)
13. Beim Auszug in das Feld (Dem hohen Kaiserworte treu) KV 552
14. Sehnsucht nach dem Frühlinge (Komm, lieber Mai) KV 596
15. Im Frühlingsanfang (Erwacht zu neuem Leben) KV 597
16. Das Kinderspiel (Wir Kinder, wir schmecken der Freuden recht viel) KV 598
17. Abendempfindung an Laura KV 523
Besetzung

Sophie Karthäuser, Sopran
Stephan Loges, Bariton
Eugen Asti, Klavier


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>