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Poverty's no Crime

The chemical Chaos


Info
Musikrichtung: Progressive

VÖ: 27.10.2003

(insideOut / SPV)


Ich weiß, das ist nicht meine Aufgabe ist, Vorschläge für die Vergabe des Bundesverdienstkreuzes zu machen. Aber im Moment hätten die Labelmanager von InsideOut es verdient. Was zur Zeit aus den Hallen des führenden Prog-Labels kommt, lässt sogar die aktuellen Neuerscheinungen von Giganten wie den Flower Kings, Kaipa oder Spock’s Beard (übrigens auch alle bei InsideOut unter Vertrag) wie biederen Durchschnitt erscheinen. Und das liegt wahrlich nicht daran, dass diese Bands an Qualität nachlassen.
Im letzten Monat hatten wir den Überflieger von The Tangent am Start. Jetzt folgen neben dem glatten 20-Punkte-Album von Magellan, das nur knapp auf die Plätze verwiesene neue Album der deutschen Proggies Poverty’s no Crime.

Zwei Dinge sind es, die diese Scheibe in den Olymp heben: Zum einen der überzeugende Aufbau der Kompositionen; zum anderen die phantastische Vielfalt der Emotionen. Von krachenden davon preschenden Gitarrenriffs, über harmonische Keyboard-Szenarien bis hin zu romantischen Saitenspielereien ist alles vorhanden, was das progressive Ohr sich wünscht.

Hier erleben wir kein musikalisches Versailles, in dem ein Gitarrenriff-Rosengarten von einem Keyboard-Buchsbaum-Mandala abgelköst wird; und dann ein Violinen-Laubengang und etliche weitere Spielereien folgen, die nur durch Heckenbegrenzungen voneinander getrennt aneinandergereiht werden. b>Poverty’s no Crime ist die musikalische Antwort auf den englischen Landschaftsgarten. Größte Abwechslung entsteht aus immer neuen Sichtachsen, die bei jedem um die Ecke Biegen neue überraschende Spielereien offenbaren. Aber alles entwickelt sich harmonisch und organisch auseinander. Nie wirken die musikalischen Kleinodien als Selbstzweck oder gewollt in die Landschaft. Bitte fragt nach diesem hochfliegenden Vergleich jetzt nicht MICH, warum dies Album The chemical Chaos“, da ich werden Chemie noch Chaos, sondern eben nur natürlich Ordnung darin erlebe.

Schon bei den ersten Takten des Openers hört man die Beine des Dream Theater-Thrones gefährlich splittern. Nach gut sechs Minuten liegt das edle Möbel dann völlig zersägt am Boden. Waren es bislang oft DT selber die ihren Ruf durch spektakuläre, aber im letzten doch nicht ganz befriedigende Alben ins Wanken brachten, kommt jetzt nach Vanden Plas der zweite hochkarätige Konkurrent aus Deutschland und lässt arge Zweifel aufkommen, ob DT ihren Ruf mit den neuen Album noch einmal werden festigen können. Vor allem die filigrane, aber immens kraftvolle Gitarrenarbeit, die sich nie in Frickeleien verliert, prägt eine Progmetal-Perle aller erster Güte. Und auch für formidable Bassläufe bleibt noch genügend Raum
Dass PnC mehrere Sprachen sprechen, beweist dann gleich der folgende Titel, der vom Prog-Metal ins Prog-RocK-Fach wechselt. Die dominierende Rolle der Gitarre wird hier von den Keyboards übernommen, die zum Teil klingen wie Uriah Heep in der frühen 70ern (Demons and Wizards)

Es folgt eine perfekte Symbiose aus den ersten beiden Tracks und ein relativer(!!) Durchhänger, der der Scheibe den 20. Punkt kostet, ein ruhiges Stück, das für seine Ruhe zu wenig Emotionen transportiert.

Der “Terminal Trip“ wirft völlig neue Vergleiche in den Ring. Mit dem im Vordergrund stehenden Vibraphon wird er zur Metal-Version von Pierre Moerlens Gong, die auch Gitarrenmauern aufbauen kann, wie sie von Rainbow selbst auf den ersten vier Alben nicht brachialer gezimmert wurden.

Es sei noch darauf hingewiesen, dass das chemische Chaos in seiner Erstauflage mit Bonus-Track erscheint. Und die Akustik-Version von “ Access denied“, die am Ende dieser CD wie ein Besuch aus einer anderen Welt erscheint, ist durchaus geeignet, ein rechtzeitiges Zugreifen in Erwägung zu ziehen.



Norbert von Fransecky



Trackliste
1Walk into Nowhere(6:33)
2Every Kind of Life(6:15)
3All Minds in one(6:37)
4A World without me(5:26)
5Terminal Trip(6:53)
6Pact with the Past(8:58)
7Left no Chance(4:43)
8Moving Target(6:16)
9Do what you feel(7:17)
10Bonus-Track: Access denied (Unplugged Version)(4:41)



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