Musik an sich


Reviews
Bon Jovi

This left feels right


Info
Musikrichtung: Rock

VÖ: 03.11.2003

(Islandrecords / Universal)

Internet:

www.bonjovi.com
www.backstagejbj.com



Spieglein Spieglein an der Wand – Bon Jovi präsentieren sich in neuem Gewand

Viele unter uns kennen diese Situation, man steht morgens auf, holt sich die vertrauten Klamotten aus dem Schrank, wagt einen Blick in den Spiegel und verfällt dann leicht in Panik. Im Gehirn heult eine Sirene los, gekoppelt mit folgender Meldung: “Stil - und Typveränderung, aber bitte ganz schnell.“ Schon nehmen wir unsere Beine in die Hand, stürmen die hippsten Boutiquen der Stadt und erfreuen die Verkäufer mit dem großzügigen Einsatz unserer Kreditkarte. Das Ergebnis einer solchen Aktion ist aber nicht immer frei von Peinlichkeit.

So oder so ähnlich mussten sich die Jungs von Bon Jovi wohl auch gefühlt haben. Während ihrer erfolgreichen „Bounce“ Tour nahmen sie in Japan ein Akustikset auf, um es als die übliche „Unplugged Greatest Hits“ Cd auf den Markt zu bringen. Bon Jovi Akustik – dies bedeutet Genuss pur. Nicht umsonst waren Jon Bon Jovi und Richie Sambora die Wegbereiter für die erfolgreichen Unplugged Sessions auf MTV.

Doch irgendetwas störte die Mannen aus New Jersey an den japanischen Aufnahmen und sie beschlossen alles noch einmal neu einzuspielen. Die Zeit drängte, denn das lukrative Weihnachtsgeschäft wollte man sich ja nicht entgehen lassen. Ein neuer Produzent sollte auch her und so engagierten sie Pat Leonard, der bereits für Bryan Adams und Rod Stewart gearbeitet hatte. Innerhalb von nur drei Wochen wurde das Album im Studio komplett neu eingespielt. Dabei wurden die größten Hits der Jerseyrocker total auseinander genommen und frisch zusammengebastelt. Das Ergebnis wird so manchen eingefleischten Fan ins Grübeln bringen.

Opener ist der Bon Jovi Klassiker schlechthin, „Wanted dead or alive“. Er beginnt mit Drums und Gitarrenriffs im Stakkato-Rhythmus, Jon’s Stimme wurde durch den Computer gejagt und statt Richie’s Gitarrensolo, gibt es Keyboardklänge. Das Ganze erinnert sehr stark an die Kooperation zwischen Puff Daddy und Jimmy Page aus dem „Godzilla“ Film.


Die nächste Bon Jovi Hymne “Livin’ on a prayer“ wurde bereits im Jahr 1994 zu einer wunderbar anrührenden Ballade umgebaut. Die Idee, aus dem Song ein Duett mit einem weiblichen Part zu machen, ist großartig, schließlich handelt es sich bei dem Werk um einen Dialog zwischen dem bereits legendären Paar Tommy und Gina. Nur mit der Umsetzung des Ganzen, da haperte es gewaltig, obwohl die zarten
Harfenklänge den Song schön umschmeicheln. Der Zeitdruck unter dem die Band stand, wird hier bei der Auswahl der Sängerin, Olivia d’ Abo, deutlich. Es wäre interessant zu erfahren, was zum Beispiel eine Anni Lennox aus dem Titel gemacht hätte.

Aus „Bad Medicine“ ist ein fast völlig neuer Song geworden. Was einst eine frivole Mitgröhl-Stadion-Nummer war, ist nun ein seichtes Liedchen mit säuselndem Gesang, welches sich sehr gut als Hintergrundberieselung im Kaufhaus eignen würde. In diese Kategorie kann man getrost auch „Lay your hands on me“ stecken, obwohl Richies lockeres Gitarrenspiel sehr angenehm auffällt.

Der Superhit „It’s my life“ kommt nun als schwermütige Ballade daher, bei der sensible Naturen wahrscheinlich zum Taschentuch greifen müssen. Jon scheint es ebenso zu gehen, er singt mit einer solchen Inbrunst, dass die Tränen der Verzweiflung hörbar werden.

„Born to be my baby“ wurde dagegen zu einer Country-Ballade umgeschrieben und schmalzt schwer verdaulich vor sich hin.
Warum die Band „Always“ und „Bed of roses“ neu aufgenommen hat wird ein Rätsel bleiben. Diese Balladen waren bereits perfekt und haben so manchen harten Rocker weich werden lassen.

Bon Jovi wären aber nicht Bon Jovi, hätten sie nicht doch noch einen Trumpf im Ärmel und den ziehen sie bei „You give love a bad name“. Da blitzt das Können und die Genialität der fünf Jungs auf, nein es blitzt nicht, es überwältigt einen regelrecht. Vom ursprünglichen Song ist eigentlich nichts mehr übrig geblieben, denn daraus wurde eine wunderbar dreckige Blues-Nummer, bei der die Hüften automatisch lasziv mitschwingen. Jon’s Stimme klingt rau und krächzend als hätte er mit einem guten Whiskey gegurgelt und verbindet sich harmonisch mit dem großartigen Gitarrenspiel von Meister Sambora, dessen Handschrift bei diesem Titel deutlich zu erkennen ist.

Anhänger von Richie’s Background Gesängen werden aber auf diesem Album enttäuscht, denn nur bei „I’ll be there for you“, ist seine Stimme zu hören. Die Neuinterpretation dieses Songs wäre gelungen, wenn er sich nicht stellenweise wie ein Schlaflied anhören würde.

Eins aber muss gesagt werden, es ehrt eine Band, die bereits 20 Jahre im Geschäft ist und an die 100 Millionen Tonträger verkauft hat, solch einen Schritt zu wagen. Man muss Bon Jovi für diesen Mut höchsten Respekt zollen. This left feels right wird die Fans definitiv in zwei Lager spalten und zu heftigen Diskussionen anheizen.

Doch man darf nie vergessen, auch wenn die Neuinterpretationen nicht jedermanns Geschmack treffen, ist es doch so wie bei einem Fehleinkauf in der Boutique. Der nur für kurze Zeit als toll befundene Minirock wandert ganz nach hinten in den Schrank, um danach einfach vergessen zu werden. Stattdessen kramen wir wieder unsere alte Lieblingsjeans hervor und fühlen uns darin einfach sauwohl. Echte Klassiker kommen eben nie aus der Mode.



Jutta Hinderer



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