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Musik an sich
 
Roger Miret (AGNOSTIC FRONT) im Gespräch
 

Es ist eine große Ehre, sich mit einer der prägenden Gestalten des Hardcore unterhalten zu dürfen. Wir sprechen über die Szene, deren Entwicklung, die Tour, die Disasters, seine Familie, Roger als Produzent und Rudolph Giuliani, den früheren Bürgermeister New Yorks. Roger ist gut aufgelegt und gesprächig, schließlich hat er sich auch Zeit gelassen bis er sich in Stimmung und bereit für das Interview gefühlt hat.

MAS:
Meine erste Frage ist eine sehr einfache Frage, aber vielleicht ist sie nicht so einfach zu beantworten. Sie ist: Was bedeutet Hardcore für dich?

Roger Miret:
Was mir Hardcore bedeutet? Also, für mich persönlich ist es meine Lebenseinstellung. Ich lebe sie seit ich ca. 13 war, als ich damals in die Punk Szene kam. Das ist über die Hälfte meines Lebens, das ist mehr als ich habe. Ich glaube an Hardcore und ich glaube daran, was ich mache. Es ist alles für mich.

MAS:
Du bist nun seit über 20 Jahren in der Szene. Was denkst du über die Entwicklung, die Hardcore nahm? Siehst du sie positiv oder kritisierst du Sachen daran?

RM:
Nein, es ist eine sehr positive, großartige Szene. Es ist etwas anders herkomme, dem Ursprung sozusagen, aber die Szene ist sehr stark und gut.

MAS:
Und wie siehst du die Veränderung selbst, angefangen in den Achtzigern bis heute. Haben sich nur die Leute verändert oder ist es auch der Geist, der sich verändert hat?

RM:
Es hat sich vor allem in der Größe sehr verändert. Ursprünglich war es in den Anfängen der Achtzigern eine kleine Szene. Heute ist alles viel größer. Der Geist ist ziemlich der gleiche, die Texte haben sich ein bisschen verändert, aber die Musik ist auch mehr oder weniger gleich geblieben. Die Leute müssen zueinander finden, im Hardcore oder im Punk allgemein, weißt du was ich meine? Es schwer das alles zu kategorisieren und zu unterscheiden, die Menschen müssen sich einfach zusammenschließen.

MAS:
Was hältst du von der "Straight Edge"-Szene, die in den frühen Achtzigern und Mitte der Neunziger sehr populär war?

RM:
Ich sah die Sache immer sehr positiv, ich war auch lange Zeit straight edge und irgendwie bin ich es im Kopf auch immer noch, obwohl ich Bier trinke, aber jeder sollte einfach das machen, was er für sich selbst für richtig hält. Man sollte nichts machen nur um sich zu einer bestimmten Gruppe von Leuten zählen zu können. Es geht darum einen positiven Lebensstil zu leben und glücklich mit sich selbst zu sein, man sollte da niemanden ausschließen. Hardcore ist eine alte Szene und es gab immer die Regel "keine Regeln", niemand sagt dir, was du zu tun hast. Leb einfach dein Leben und genieß es!

MAS:
Was denkst du über die Moderscheinung, die oft als Post-Hardcore bezeichnet wird? Band wie Standstill oder Boysetsfire? Ist das der Hardcore, den du fühlst, den du lebst?

RM:
Es ist okay, ich verstehe nur die Leute nicht so. Sie sagen, sie sind darin aufgewachsen, aber das stimmt nicht. Ich lebe einfach mein Leben. Wenn man eine Musik weiterentwickeln will und einen Schritt weiter gehen möchte ist das wirklich großartig, aber man sollte seine Vergangenheit und seine Herkunft nie vergessen oder sie leugnen.

MAS:
Wie hat sich Agnostic Front über die Jahre verändert und wie hast du dich oder wie hat eure Musik sich verändert?

RM:
Ich glaube nicht, dass wir uns zu sehr verändert haben. Ich habe nie irgendwie gesagt „jetzt möchte ich mich ändern, oder morgen“. Ich lebe einfach mein Leben – Tag für Tag. Ich mache einfach das, bei dem ich mich wohl fühle, was mir Spaß macht. Da ist kein Plan oder so was, indem wir uns vorschreiben, was wir zu tun oder zu lassen haben.

MAS:
Lass und über diese Tour reden. Wie ist es mit all diesen Hardcore-Bands? Ist es diese große Gemeinde oder gibt es auch negative Seiten daran? Was sind deine Erfahrungen?

RM:
Die Tour ist sehr interessant, sie zeigt das ganze Spektrum des Hardcore. Wir sind eine Old-School-Band, Hatebreed ist eine New-School-Band und Biohazard ist irgendwo zwischendrin. Wir kommen alle gut miteinander aus, wir sind alle Freunde und ich denke auch das Publikum ist das für alle Richtungen offen. Sie sehen was wir alle gemeinsam haben.

MAS:
Ich habe mal ein älteres Interview von euch gelesen, indem ihr Rudolph Giuliani sehr stark kritisiert habt, als er New York säubern, es aufräumen wollte. Er hat sich nach den Anschlägen bei vielen beliebt gemacht, was meint ihr dazu?

RM:
I think he’s still a piece of shit. Giuliani fuck you and die!

MAS:
Denkst du seit dem 11. September hat sich der NYHC irgendwie verändert?

RM:
Nein, ich glaube nicht, dass das in irgendeiner Weise was geändert hat. Jeder wollte irgendwas ändern, aber das ist in der Szene anders. Ich denke seit langer Zeit, dass jede Form von Krieg oder Terrorismus krank ist. Es sterben so viele unschuldige Menschen nur wegen irgendwelchen Führern wie Bush oder Bin Laden. Beide sind einfach scheiße! Es ist schade, dass dafür Unschuldige mit ihrem Leben bezahlen müssen, aber das Leben geht weiter!

MAS:
Mal was ganz anderes, magst du Interviews überhaupt oder siehst du es eher als ein Teil vom Geschäft?

RM:
(überlegt) Nein, es ist kein Teil vom Geschäft. Ich mag sie wirklich. Ich muss nur in der richtigen Laune sein und sie auch machen wollen. Ich hasse nur wenn mich jemand bedrängt oder mir feste Termine gibt. Ich mache um 4 Uhr kein Interview, da scheiße ich vielleicht. Ich mache es, wenn ich mich bereit dazu fühle, weil ich gute Interviews geben will und die Fragen ehrlich beantworten will. Das ist dann für beide Seiten gut.

MAS:
Was ist die nervigste Frage, die du immer wieder gestellt bekommst?

RM:
Willst du das wirklich wissen?

MAS:
Sicher!

RM:
Es ist immer diese letzte Frage, wenn es um irgendwelche Schlusskommentare geht? Ich weiß nicht mehr was ich sagen soll. „Danke für eure Unterstützung, danke, dass ihr unsere Platten kauft, ... Schaut mal auf www.agnostic-front.com , ... schaut mal auf www.thedisasters.com ...... Es ist immer diese beschissene letzte Frage! (lacht)

MAS:
Was denkst du darüber, dass die Leute deine Musik aus dem Netz runterladen? Fühlst du dich bestohlen oder siehst du es positiv, dass die Hardcore-Szene so eventuell wächst und junge Bands einfacher einen größeren Höhrerkreis bekommen?

RM:
Ich denke, das Internet ist eine gute Quelle und ich glaube nicht, dass AF auf einem Level ist, auf dem es sehr weh tut. Es geht mir mehr um die Szene, wir sind Teil davon und Leben dafür. Es ist mir egal. Wenn jemand unsere Platten kaufen will, freuen wir uns, wenn nicht ist das auch okay. Wir wollen die Hardcore-Szene zu einem weltweiten Signal machen. Ich werde nie reich werden, und das weiß ich. Es geht mehr um die Veränderungen im Leben an sich.

MAS:
Veränderungen im Leben. Du hast Familie, also eine Frau und deine Tochter. Das muss eine große Veränderung in deinem Leben gewesen sein. Wie bekommst du diesen Ausgleich zwischen der Band und deiner Familie hin, da du sie ja beide liebst?

RM:
Das ist sehr fordernd. Ich muss eingestehen, dass die Familie an allererster Stelle kommt. Auf der anderen Seite habe ich aber auch diese starke Liebe in das, was ich mache, was ich bin. Ich bin da von beiden Seiten hin- und hergezogen. Es ist schwer, weil ich meine Familie glücklich machen muss und ich die Leute glücklich machen muss.

MAS:
... und könntest du die Leute nicht glücklich machen, wärst du nicht dieser glückliche Familienvater.

RM:
Genau das ist es! Es ist sehr schwer, aber ich bin sehr froh, dass meine Tochter an mich glaubt und auch meine Frau an mich glaubt. Solange die Menschen verstehen, dass ich Familie habe und einsehen, dass ich beides brauche, ist das okay.

MAS:
Du bist mittlerweile auch einer der bekanntesten Punk-Produzenten. Wenn ich in mein CD-Regal schaue stehen da Produktionen von dir wie die Turbo A.C.’s oder H2O. Magst du das Produzieren, magst du es mit anderen, jungen Bands zusammenzuarbeiten? Oder ist es dir doch lieber, deine Musik selbst zu machen? Was reizt dich am Produzieren?

RM:
Ich mag es zu produzieren. Aber es ist sehr stressig. Wenn die Leute mich anstellen, oder besser gesagt meine Aufmerksamkeit mieten, weil ich nie Geld dafür bekomme außer vielleicht einmal, ist es wieder der Konflikt zwischen der Familie und eben einer Band zu helfen. Ich mag es das zu tun, weil ich auch daran glaube, dass ich daraus was machen kann. Vor allem ist es toll, dass die Leute mir ihr Vertrauen schenken und an mich glauben. Es ist wirklich cool, dass Bands wie die Turbo A.C.’s mich fragen. Oder vor allem auch die Produktion des Disasters-Albums hat eine Menge Spaß gemacht. Oder auch die AF/Discipline Split, die erst vor zwei Tagen rausgekommen ist, ist toll. Sie ist wirklich gut für eine Live-CD. Ich liebe das Produzieren, aber ich muss wählerisch sein, weil ich eben auch heim gehen will und Zeit mit meiner Famile verbringen will.

MAS:
Kam die Idee zum Produzieren von dir oder wurdest du von Freunden gefragt?

RM:
Es hat mehr durch einen Freundschaftsdienst angefangen. Aber wenn ich mal daheim bin muss ich mir wirklich gut überlegen was ich mache, da mir ohnehin schon zu wenig Zeit mit der Familie bleibt.

MAS:
Du warst nun vorher mit den Disasters auf Europa-Tour. Wie war das, vor allem im Vergleich zu Touren mit AF? Was unterscheidet beides?

RM:
Ich hatte eine Menge Spaß in den vier Wochen mit der Disasters, aber es unterscheidet sich vor allem durch das Publikum. Von denen bekomme ich mit AF viel mehr Zuspruch als mit den Disasters. Ich wünsche mir, dass die Menschen offener zu den Konzerten kommen würden, schließlich sind es einfach zwei unterschiedliche Bands, und die Disasters sind einfach nicht Agnostic Front. Ich würde nie in einer zweiten Band Hardcore machen, weil ich für mich in der besten Hardcore-Band bin, und das ist AF. Ich sage nicht, dass es die beste Band der Welt ist, aber die ist es eben für mich. Man sollte beide mögen und sie nicht zu sehr vergleichen. Wenn man auf ein Disasters-Show kommt sollte man nicht erwarten, wenn man mich sieht, Agnostic Front zu sehen, denn das wird einfach nicht so sein.

MAS:
Also sind die Disasters auch nicht nur ein Projekt sondern eine echte Band?

RM:
Ja, die Disasters sind eine echte Band!

MAS:
Die letzte Frage werde ich dir jetzt nicht stellen.

RM:
(lacht) Ich danke dir!

MAS:
Ich möchte mich auch für das Interview bedanken, es war mir eine Ehre!

Kevin Kirchenbauer

 

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