Musik an sich


Artikel
30 Jahre im Zeichen des Tridents; Mein persönliches Jubiläum mit der wohl fleißigsten und interessantesten Band der Welt - The Legendary Pink Dots Teil 2: Brighter Now





Brighter Now - 1982


Veröffentlichungsformen:


1.) Musikkassette
2.) Vinyl-Album
3.) CD-Album
4.) Download


1.) Musikkassette

Kassette: UK C30 In Phase/New Europeans Records IP04
Kassette: UK C60 In Phaze/New Europeans Records ??? (alternate cover)
Kassette: UK CS In Phaze/New Europeans Records ???

Side A:

Red Castles
Louder After 6
Apocalypse Then

Side B:

Legacy
City Ghosts
Hanging Gardens

In Phaze Edition limitiert auf 300 Kopien, zwei verschiedene Covergestaltungen
Art Nouveau Edition limitiert auf 60 Kopien, Split.Release mit Portion Control's 'Gaining Momentum' auf Seite B.


2.) Vinyl-Album

Kaleidoscope/P.I.A.S. TK 001 (1986 - Alternative Cover)
Soleilmoon SOL 1 (Bestandteil der Lullebyes fort he new dark Ages / The first 4 Albums LP-Box. 1996, alternative cover)


3.) CD

Soleilmoon SOL 1 (Bestandteil der Lullebyes for the new dark Ages / The first 4 Albums CD-Box. 1996, alternative cover)
US CD Soleielmoon SOL 39 LP (Einzelverkauf der Box CD´s1998 – alternatives Cover)
PL CS Big Blue TK 01-4 (polnische Wiederveröffentlichungsserie der Studioalben Alternatives Cover 2007)


4.) Download

Bandeigene Remaster-Version veröffentlicht über Bandcamp 2012


Titelliste LP, CD und Download:
(Veröffentlicht ebenfalls in anderen Versionen)

Side A:

Red Castles (Chemical Playschool 1&2 MC & CD)
Louder After 6 (Chemical Playschool 1&2 MC & CD)
The Wedding (Chemical Playschool 1&2 MC & CD)
Apocalypse Then (Chemical Playschool 1&2 MC & CD)

Side B:

Legacy (Chemical Playschool 1&2 MC & CD)
City Ghosts (Chemical Playschool 1&2 MC & CD)
Hanging Gardens(Chemical Playschool 1&2 MC & CD)
Soma Bath (Only Dreaming MC, Kleine Krieg MC & CD & (Chemical Playschool 1&2 MC & CD)
Premonition 4


Musiker:

Synthesizer: P. Harmonix (Phil Knight)
Guitars: Rik Chevrolet
Bass: Rolls Anotherone (Roland Calloway?)
Drums: Keith (Thompson)
Vox: Edward Ka-spel
Keyboards/Guitar: M 019 (April Iliffe)


Fakten zum Album:


Brighter Now ist das offizielle Debütalbum der zur Zeit der Aufnahme sechsköpfigen Band von 1982. Offizielles Debüt deshalb, weil die 1980 gegründete Band vorher bereits sehr fleißig aufgenommen hatte und bereits fünf Musikkassetten in sehr limitierten Stückzahlen veröffentlicht hatte. Auch Brighter Now war zuvor in einer etwas kürzeren Version als Kassette veröffentlicht worden. Die Veröffentlichungsform der Kassetten war seiner Zeit sehr beliebt, in den 80ern hatte sich eine richtige "Do It Yourself"-Szene gebildet. So behielten auch die Legendary Pink Dots diese Form der Veröffentlichung noch einige Jahre bei.

Die enorme Menge an Material, insbesondere der frühen Jahre, schlug sich bei den Legendary Pink Dots in einer Menge solcher Veröffentlichungen nieder. Viele der auf den Kassetten veröffentlichten Stücke bildeten dabei Urversionen von Songs, die bis in die 90er-Jahre hinein später Bestandteil der offiziellen LP- und CD-Veröffentlichungen wurden. So auch bei Brighter Now, welches bei Erscheinen auf Vinyl 1983 gerade mal ein neues Stück, nämlich “Pemonition 4“, bot. Alle anderen Stücke gab es zuvor auf den Kassetten Only Dreaming (OD) und / oder Chemical Playschool 1 & 2. (CP1&2) oder Kleine Krieg (KK). Für die Albumversion wurden die Stücke dann entweder überarbeitet oder komplett neu eingespielt.

Brighter Now ist insgesamt noch sehr von den durchaus ein wenig als naiv zu bezeichnenden Anfangstagen der Band gekennzeichnet. Die Stücke weisen schon alle Trademarks auf, welche die Dots ausmachen bzw. später ausmachen sollten. Man findet Spuren von Krautrock, psychedelische Klänge, Dark-Wave-Anleihen und Synthie-Pop. Bezeichnend ist, dass dieses Album, wie sein Nachfolger Curse, sehr stark von Bassist Rolls Anotherone geprägt ist. Sein richtiger Name lautet übrigens Roland Calloway. Ein weiteres besonderes Merkmal ist der Einsatz eines richtigen Schlagzeugs auf fast allen Songs. Auf den meisten frühen Kassetten ist kein Schlagzeuger zu hören und nach Brighter Now entschied man sich auch für lange Zeit gegen einen festen Schlagzeuger in der Band und setzte zumeist auf Drumprogramming und Drummmachines. In seltenen Fällen griff man nochmals auf Gastschlagzeuger zurück (auch auf Curse), doch als fester Drummer sollte erst Anfang der 90er-Jahre Ryan Moore kommen.

Die erste Vinylfassung von Brighter Now litt insgesamt stark unter der wenig ausbalancierten und leisen Aufnahme. Als kleine persönliche Anekdote sei noch erwähnt, dass ich persönlich anfangs nicht viel von dem Album hielt. Dies lag an einem kleinen, aber entscheidenden Fehler meines Freundes Thomas. Der hatte die schon längst vergriffene Platte auf einer Plattenbörse ergattert und mir freundlicherweise überspielt. Im gefiel das sehr kurze und etwas piepsige Album im Übrigen auch nicht so wirklich. Was ihm nicht aufgefallen war: er hatte die Scheibe bei seinem ersten Hördurchgang und auch bei der Aufnahme für mich auf 45 RPM laufen lassen. Auf der anderen Seite ist dieser Fauxpax der Grund dafür, dass ich dieses seltene Vinyl nun selber besitze, denn Thomas verkaufte mir die Scheibe, die ich als Komplettist natürlich trotzdem haben musste. Als ich sie dann bei mir abspielte, stellte sich der Irrtum heraus und so fand Brighter Now dann doch noch in meine Gehörgänge.


Kritik:


Brighter Now beginnt mit “Red Castles“. Sofort setzt Edward Ka-Spels typischer Gesang ein, insgesamt noch etwas höher als in späteren Jahren und auch noch nicht ganz so melodisch wie heute. Der pumpende Bass mit den typischen Pink-Dots-Rhythmen, die später jedoch mehr elektronisch erzeugt werden sollten, sticht auch mit heraus. Phil Knight, der Silverman, steuert recht einfache Keyboardspuren bei, die einen Mix zwischen 70er-Jahre und 80er-Synthipop darstellen. Das Schlagzeug hingegen ist sehr traditionell und doch irgendwie anders. Dieser recht einfache Song gewinnt durch die zusätzlichen Chorgesänge, die wohl auch elektronisch verfremdet wurden.

“Louder of Six“ arbeitet mit einem ebenso pumpenden Bass. Die Keyboards sind wie der Gesang wesentlich fröhlicher gestimmt. Der Bass spielt fast einen Walzer. Die später einsetzenden Gitarren klingen nach den 70er-Jahren und auch die Keyboardsolos erinnern an keyboardorientierte Progbands der 70er. Bei genauem Hinhören besitzt “Louder after Six“ einen hohen Popappeal mit unterschwelligem Wavecharakter. Und auf jeden Fall eine unglaublich schöne und betörende, wenn auch einfache Gitarre. Und das Stück kommt ohne Schlagzeug daher.

“The Wedding“ deutet den Tiefgang der Band an. Ein recht einfaches Stück mit einer sehr schönen und ebenso traurigen Pianomelodie. Wenige perkussive Klänge tauchen im Hintergrund auf, ansonsten trägt das verloren wirkende Piano die ebenso klingende Stimme Edward Ka-Spels, der sein Leid über die Liebe klagt. Ein eindeutiger Höhepunkt des Albums, der auch gleichzeitig ein wenig heraus fällt, da er völlig anders ist als der Rest des Albums. Ein wenig klingt "The Wedding" wie ein Vorläufer von "Love Puppets" vom folgenden Album Curse.

“Apocalypse then“ schließt dann die erste Vinylseite. Es beginnt mit einer kleinen Soundspielerei, welche die Band später immer weiter perfektionieren sollte. Dieses Lied wird von einem treibenden Drumcomputer angetrieben, der von dem prägnanten Bass flankiert wird. Silverman steuert für diese Zeit typische Keyboards sporadisch bei, später setzt eine schöne, perlende Gitarre ein. Ein eingängiges Stück zwischen traditionellem Artrock und Dark Wave.

Die zweite Seite eröffnet mit an 70er-Progbands gemahnenden Keyboards und einer sehr klaren Akustikgitarre. “Legacy“ wirkt durch die Keyboards ein wenig düster, entwickelt sich dann aber zu einem recht eingängigen Stück aus Krautrock und New Wave. Der prägnante Bass kommt auch hier wieder zum Einsatz. Die Keyboards bilden einerseits die Grundlage, andererseits tauchen psychedelische Klänge auf.

Mit “City Ghosts“ kommt dann der Höhepunkt der zweiten Seite. Diese Stück kann man durchaus als Artrock bezeichnen, wenn natürlich auch die große Produktion, die diese Richtung auszeichnet, hier fehlt. Das Stück baut auf die für diese Zeit typischen Elemente der Dots auf. Der pumpende Bass, die zwischen verspielt und schwebend wandelnden Keyboards. Zusätzlich liegt hier wiederum eine perlende und glasklare Gitarre über den Sounds und besonders beachtenswert ist das extrem interessante und verspielte Schlagzeugspiel.

“City Ghosts“ hingegen ist dann Legendary Pink Dots pur. Schwebende Keyboards vom Silverman, verträumter Gesang von Edward Ka-Spel und natürlich der fast singende Bass. Später setzt auch hier eine Akustikgitarre ein, die dem Ganzen dann die spezielle Note gibt. Warum es Pink Dots pur ist? Die psychedelisch verschrobene Stimmung. Und die vielen Soundeffekte. Hier experimentiert die Band mit viel Hall und Echos und am Ende mit einer Rückwärtsschleife. Das Besondere an dieser Schleife ist, dass sie die Kanäle getrennt haben. Teilweise läuft der rechte Kanal rückwärts, dann wieder der linke. Experimente, welche die Band später auf die Spitze treiben sollte.

“Soma Bath“ lehnt sich dann wieder mehr am Wave der 80er an. Schräge Keyboardpassagen, kantiger Rhythmus und ebensolcher Gesang. Nur der Bass spielt weiter wie zuvor und gibt dem Stück somit das Flair den er braucht, um auf dieses Album zu passen.

Das einzig neue, für das Album produzierte “Premonition 4“ beendet die Platte und startet gleichzeitig eine Reihe von Songs, welche die Band bis heute immer mal wieder aufgreift. “Premonition 4“ ist dabei noch eines der Stücke, die fast als Song und weniger als Klangmalerei durchgehen, wobei es auf dem Album genau anders herum ist. Sind alle anderen Stücke irgendwie, nein, eigentlich sogar besonders deutlich als Song zu verstehen, ist das Instrumental “Premonition 4“ Klang und Atmosphäre. Der Bass scheint hier auszuklingen, die Keyboards schweben dahin, die Perkussion treibt anfangs ein wenig an, jedoch verhallend und bedrohlich. Am Ende verklingen all diese Sounds und ein verrauschtes Piano spielt eine melancholische Melodie, die verhallt. “Premonition 4“ ist die kürzeste aller “Premonitions“. “Premonitons“ variierten zukünftig (bis heute) in Längen von ca. 7 Minuten, bis in den Berereich einer halben Stunde. Bis auf wenige Ausnahmen verfügen alle über sehr melodische und packende Parts, doch bestehen sie zu großen Teilen aus in Improvisationen entstandenen Klängen.


Fazit:

Brighter Now zeigt schon sehr deutlich das Gesicht der Band. Ihre Liebe zum Experiment setzt sie ihren damaligen Mitteln entsprechend stark um. Klar erkenntlich sind bereits ihre Stärke für eingängige Melodien, welche sie dann jedoch mit Ecken und Kanten versehen. Brighter Now ist eines der einheitlichsten Alben der Band, vor allem was den Klang, aber eben auch die Komposition und Instrumentierung betrifft. Das ist an sich besonders beachtlich, da sich die Band hier natürlich noch extrem in der Findungsphase befand. Die Band deutet hier ihr Potential deutlich an, ohne dies komplett abrufen zu können. Ich bin überzeugt, dass sie aus diesem Album ein paar Jahre später ein richtiges Meisterwerk gemacht hätte. So wirkt noch einiges sehr naiv und unfertig, was aber den Charme des Albums ausmacht. Brighter Now ist sicherlich nicht das beste Einsteigerwerk, doch wer dem Charme der Legendary Pink Docs erst einmal erlegen ist, wird auch dieses Album lieben.


Cover:


Das Album erschien mit vielen verschiedenen Covern. Die erste Kassettenversion hatte einen gesichtslosen männlichen Engel als Bleistiftzeichnung auf der Hülle. Das Originalalbum erschien dann in einem Rosa/Pink-Cover, auf dem auch dieser Engel abgebildet war. Dieses ist in meinen Augen das schönste Cover von allen, da es in seiner Art der an sich recht klaren und noch nicht so verspielten und psychedelischen Musik entspricht.

Die Soleilmoonversion des Albums, zuerst erschienen in der Lullebyes for the new dark ages-Box, kam in einem sehr unpassenden, sakralen Cover heraus. Man sieht auf dem Foto die Kanzel einer Kirche und viele brennende Kerzen, das ganze in einem stylischen Schwarz-Weiß und als verschwommenes Bild. Das Cover passt mehr auf die dunkle Atmosphäre einiger Stücke vom Curse-Album, aber in keiner Weise zu Brighter Now, welches insgesamt ja viel lichter daher kommt.


Die vom polnischen Label The Big Blue in den 00er-Jahren veröffentlichte Version trägt ein in meinen Augen ebenso unpassendes Cover. Insgesamt finde ich die Big-Blue-Veröffentlichungen hässlich. Man hat hier sicherlich versucht, eine Reihe aufzubauen die mit einem durchgängig ähnlichem Design versehen wurde. Das kann funktionieren, wenn die Gestaltungen schön sind, im Falle Big Blue finde ich, dass sie billig und schnell produziert wirken und überhaupt keinen Bezug zur jeweiligen Platte aufweisen. Im Falle von Brighter Now sieht man einen kargen, rot-braunen Boden, ein hässliches und seltsam angestrichenes Gebäude mit einem Tor ohne Tür darin. Das Ganze wirkt auf mich wie ein Endzeitbild. Ich finde auf dem Album nicht einen Song, der musikalisch und textlich auf dieses Bild passt. Mit viel Mühe könnte ich “Apocalypse Then“ auf dieses Bild beziehen, doch das Album heißt auf Grund der Musik ja zurecht: Brighter Now. Kurzum: Ich finde die Covergestaltung komplett daneben.


Klangqualität:


An dieser Stelle kann ich natürlich nur über die Veröffentlichungen berichten, die mir vorliegen. Wie eingangs geschrieben leidet in meinen Ohren die erste Albumversion an der Klanqualität. Das Album klingt wenig druckvoll, der prägnante Bass kommt nicht richtig zur Geltung. Das führt(e) bei mir dazu, dass ich viele Facetten des Albums Anfangs gar nicht erkannt habe und es für viel zu elektronisch mit wenig Dynamik und Abwechslung gehalten habe. Natürlich muss ich dazu sagen, dass diese Erinnerungen schon fast 30 Jahre zurückliegen.

Die CD-Version von Soleilmoon hingegen klingt viel transparenter. Hier kommt der Bass sehr gut zur Geltung, manchmal fast zu stark. Die Gitarren klingen hingegen immer fantastisch. Glasklar, verspielt, verzaubernd. In meinen Ohren klingt Brighter Now auf dieser CD wie ein völlig anderes Album, da es viel mehr nach einem organischem Bandalbum klingt als die LP, die steril wirkt.

Andere Versionen dieses Albums konnte ich bisher nicht hören. Die Stücke auf Only Dreaming, Chemcal Playschool 1 & 2 sowie Kleine Krieg klingen zumeist dumpfer, was natürlich großteils an der Überspielung auf Kassette liegt. Manche Versionen klingen fast 1:1 wie die auf dem Album erschienenen, manche stark abweichend. Zumeist ist der Bass nicht so prägnant oder gar nicht vorhanden, oftmals fehlt das Schlagzeug und wurde durch den Drumcomputer ersetzt.

Den Pink Dots ist es nach einem großen Streit mit Play it again Sam Records Mitte der 90er gelungen, die Rechte an ihrem kompletten Backkatalog zurück zu erhalten. Dies führte zu den oben bereits erwähnten Neuveröffentlichungen bei Soleimoon und Big Blue. Da sich inzwischen auch eine kommerziell gesehen kleine Kapelle wie die Legendary Pink Dots dank einer Plattform wie Bandcamp leisten kann, sich um ihren Backkatalog zu kümmern, kamen in den letzten paar Jahren Remasters der frühen Alben und auch einiger der oben genannten Kassetten heraus. Für mich als Sammler der frühen Jahre eine Zwiespältige Sache, da so die „heiligen Kassetten“ nicht mehr so rar sind, wie sie sein sollten.

Ihr wisst schon, was ich meine. Anderseits ist es schön, dass einiges an altem Material in neuem Glanz erscheint und neue Hörer generieren kann, und natürlich eine prima Einnahmequelle für die Dots. Ihr solltet dort auf alle Fälle einmal stöbern gehen.
Was die remasterten Originalalben betrifft, so kann ich nur sagen, dass es einige Alben wirklich stark aufgewertet hat. Da ich mir jedoch nicht alle Alben nochmals zugelegt habe, kann ich die Qualitäit des Remasters von Brighter Now nicht beurteilen.



Wolfgang Kabsch



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