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Xavier Naidoo

Alles kann besser werden


Info
Musikrichtung: deutscher Soul

VÖ: Oktober 2009

(Naidoo Records/Netinfect)

Gesamtspielzeit: 158:21

Internet:

http://www.xavier.de



Alles soll besser werden...

Nur kurze Zeit nach dem gemeinsamen Live-Album der Söhne Mannheims und Xavier Naidoo (Wettsingen in Schwetzingen) ist nunmehr auch das neue, opulente Studioalbum von Xavier Naidoo erschienen mit erwartungsgemäß durchschlagendem Erfolg: Alles kann besser werden steht sowohl in Deutschland (bereist jetzt mit Goldstatus), aber auch in Österreich und der Schweiz auf Platz 1 der Albumcharts.

Rein äußerlich kommt Alles kann besser werden anders dager als die voherigen Werke des Künstlers: Das Cover ist verschwommen, die Schrift krakelig und undeutlich, der Zusammenhang der Symbole erschließt sich nahezu gar nicht... Auch im Innenteil ändert sich daran nicht viel: Drei Mal Xavier Naidoo, einmal davon mit Wunden im Gesicht und auf dem Körper... Auch reichte das Material des Künstlers dieses Mal sogar für insgesamt 3 CDs, und zurecht fragt sich, was ihn auf Alles kann besser werden erwartet - ist vielleicht sogar alles erst einmal "anders" geworden? In jedem Fall ist das kreative Output und die Energie dieses Ausnahmekünstlers zu bewundern, die gepaart ist mit der Fairness gegenüber dem CD-Käufer, der diese Menge an "Output" - immerhin fast 160 Minuten Musik! - für nur wenig mehr Geld erstehen kann als er für jedes andere Album hinzulegen hätte... Dafür auf jeden Fall großen Respekt!

Aber zum Album selbst:
"Alles kann besser werden" setzt den Maßstab für den ersten Teil des 3er-Packs, die erste mit "Hell" überschrieben CD - noch immer ist die soulige Stimme von Xavier Naidoo phantastisch und herausragend wie eh und je. Was evtl. ein wenig überrascht sind zum einen die etwas härteren Hip Hop-beats, die zum großen Teil auch den Rhythmus des Gesangs bestimmen. Beim zweiten Song "Mut zur Veränderung" wird der Beat zusätzlich durch Piano und Streicher kontrastiert. "Stern" macht vielleicht am klarsten, wie stark Hip Hop-dominiert diese erste CD ist, ähnliches gilt für die beiden nächsten Songs "Alles lebt" und "Der Kreis".
Mit "Ich brauche dich" stimmt Xavier Naidoo dann das erste lupenreine Soulstück auf Alles kann besser werden an, klassisch schön wie es sonst eigentlich nur noch Simply Red gelingt. Den Rest des ersten Teils dominieren dann wieder die Beats, die mit z.T. unglaublich schönen Melodien in Kontrast gesetzt werden; am besten gelingt meiner Meinung nach diese Mischung bei "Wild vor Wut". Doch auch das folgende "Königin" sticht heraus und läßt unwillkürlich an das Cover denken, wirkt ein wenig wie der Schlüssel zum Album... Demgegenüber steht mit "Bitte hör nicht auf zu träumen" ein versöhnlicher, ruhiger und positiver Abschluß von "Hell 1", der wie der Titelsong stark nach einem "klassischen" Xavier Naidoo-Track klingt...

Für die CD 2 ("Hell 2) eröffnet "In too deep" mit einem Miteinander von sehr leisen und sehr bombastischen Passagen, mit einem Misch aus leisen und harten Rhymes. Mit Bombast wartet auch das folgende "Was hab ich falsch gemacht", hier aber im klassischen Soulgewand. Mit dem Beginn von "Ich warte bis du kommst" scheint der Bogen hin zum Soul dann endgültig geschlagen, doch überrascht Naidoo dann wieder mit einem kalten, harten Beat und fast aggressiven Streicherklängen.
Spätestens mit den ersten drei Songs dieses zweiten Teils stellt sich beim Hörer langsam ein starker Gewöhungseffekt ein - vieles klingt, als ob man es schon einmal gehört hat: die verschiedenen Stilelemente von Soul und Hip Hop, die Instrumentierung mit Streichern und Piano, die unterschiedlichen Beats und Gesangsstile... Wäre Xavier Naidoo nicht ein derart hervorragender Sänger würde selbst ein großartiges Stück wie "Gib dich nicht auf" an dieser Stelle schon nicht mehr zünden; vielleicht ist ein derart umfangreiches Album dann doch schlichtweg zuviel...
Aus dieser Gewöhnung wird der Hörer durch "Europa" gerissen, dass sich dadurch von den anderen Tracks unterscheidet, dass hier die "Walzer"-klänge lediglich der Untermalung der gesungenen Botschaft von der Vision eines gemeinsamen Europas dienen.
Auf "Hell 2" findet sich dann mit "Für dich öffnen sie die Tore" findet sich dann der einzige bereits schon bekannte Track, der nämlich schon auf Wettsingen in... vorgestellt worden war; auch auf der Studioversion übernimmt Azad die Raps, und man wünschte sich, er hätte diese ein weniger härter interpretiert (ähnlich der Liveversion)...
Mit "So calm" scheint "Hell 2" ähnlich ruhig wie "Hell 1" zu enden - so scheint es der Titel ja auch nahezulegen, dann wird der Song zuerst sphärischer, dann setzt der Beat ein - und am Ende bricht er ab, open end... eine Überleitung zum dritten Teil "DunkHell"?!

"DunkHell" beginnt mit leisen Pianotönen und einer Einleitung ("Du musst es nicht tun"), einer Erläuterung zu den folgenden Tracks, in denen Xavier Naidoo "seine Meinung, nicht die Wahrheit" zu den Umständen "da draußen" kundtun möchte - fast klingt es nach einer Warnung... man ist gespannt, in welchem Sinne er seine sozialkritische Einleitung einzulösen gedenkt...
"Das war noch nicht alles" ist vom Text her ein zweites Intro, musikalisch erinnert es dagegen viel stärker an die bisherigen Songs vor Alles kann besser werden. Auch die folgenden Tracks "Söldnerlied (Drogen und Gold)", "Sie verdienen einen besonderen Schutz", "Schiff Ahoi" und "Holt die Seeleute heim" erinnern doch mehr als deutlich an frühere Tage von Xavier Naidoo und machen damit deutlich, wie sehr sich die Teile "Hell 1" und "Hell 2" eben davon unterscheiden. "Raus aus dem Reichstag" unterscheidet sich musikalisch ebenfalls nicht, stellt aber lyrisch einen unglaublichen Tiefpunkt im Schaffen von Naidoo dar - möge sich jeder selbst von überzeugen, doch denke ich, dass hier die Begriffe "unreflektiert" und sogar "dumm" angebracht sind, mit diesem Text hat sich der Mannheimer nun überhaupt keinen Gefallen getan! Unnötig...

Die folgenden Titel setzen keine neuen Akzente mehr, verbleiben im bisherigen Schema von "DunkHell". Was also läßt sich als Fazit festhalten? Wer das bisherige Schaffen von Xavier Naidoo verfolgt hat, egal ob in seiner Gesamtheit oder auch nur in den Charts, den werden die beiden Teile "Hell 1" und "Hell 2" doch sehr überraschen, nicht nur durch die stark angewachsenen Hip Hop-Elemente, sondern vor allem durch die oben schon des öfteren angesprochenen musikalischen und auch stimmlichen Kontraste. Insofern kann es sich der Hörer selbst aussuchen, ob er einen direkten Zugang zum "neuen" Xavier Naidoo wählt, oder aber mit "DunkHell" die Sache etwas schonender angeht. Spannendes Konzept, in jedem Fall. Manko ist letztlich dann doch die zu Beginn eigentlich gelobte Menge des Materials, der Gewöhnugseffekt der "Hell"-Phase ist doch deutlich zu stark. Damit konterkariert der Ausnahmekünstler leider das angelegte Konzept...
Nichts desto trotz: Spannendes Konzept, überwiegend gute Songs und Arrangements, eine wie immer überragende Stimme - ein insgesamt nicht überragendes, aber gelungenes Album, und auf die Wirkung bei der laufenden Tour darf man zurecht gespannt sein!



Andreas Matena



Trackliste
1CD 1:
2 Alles kann besser werden 4:31
3 Mut zur Veränderung 5:08
4 Stern 3:22
5 Alles lebt 3:35
6 Der Kreis 4:50
7 Ich brauche dich 3:58
8 Meine Muse 3:49
9 Shine like a star 5:00
10 Wild vor Wut 3:10
11 Königin 3:27
12 Sie kommt zurück 3:58
13 Bitte hör nicht auf zu träumen 4:10
14
15 CD 2:
16 In too deep 3:50
17 Was hab ich falsch gemacht 4:06
18 Ich warte bis du kommst 4:30
19 Gib dich nicht auf 4:57
20 Europa 4:46
21 Halte durch 4:00
22 Befreit 4:24
23 Ich kann nicht weinen 6:03
24 Für dich öffnen sie die Tore 5:19
25 So calm 6:02
26
27 CD 3:
28 Intro: Du musst es nicht tun 2:21
29 Das war noch nicht alles 3:50
30 Söldnerlied (Drogen und Gold) 4:30
31 Sie verdienen einen besonderen Schutz 5:13
32 Schiff Ahoi 5:30
33 Holt die Seeleute heim 5:27
34 Raus aus dem Reichstag 6:22
35 Verschieden 3:38
36 Goldwaagen/Goldwagen 3:33
37 Aufklärungsarbeit 3:25
38 Ruth Maude 3:25
39 Seltsamer Junge 4:06
40 Long and winding road 4:06

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