Musik an sich


Reviews
Mozart, W. A. (Daniel)

Mitridate, re di ponto (DVD)


Info
Musikrichtung: Wiener Klassik / Oper

VÖ: 15.08.2008

(Opus Arte / Naxos / DVD, 2008, AD: 1993, Best.nr. OA R3105 D)

Gesamtspielzeit: 177:00

Internet:

Opus Arte



BLECHSCHADEN

Wer ein Paradebeispiel dafür sucht, wie Ton und Regie alles, aber auch alles zunichte machen können, der ist mit dieser "Mitridate" bestens bedient. Musikalisch ist Mitridate als Jugendwerk Mozarts, das er im Alter von 14 Jahren komponierte, überaus bemerkenswert, denn Mozart bedient sich hier zwar der Mittel und Schemata der Opera Seria und perfektioniert sie. Er durchbricht sie aber auch immer wieder und tastet sich dabei bereits an jene psychologisierend-persönliche Charakterzeichnung heran, die seine späten Bühnenwerke ausmacht. Dies arbeitet Paul Daniel am Dirigentenpult des Londoner Opernhauses auch sehr sorgfältig heraus. Vor allem entlockt er dem Orchester des Opernhauses einen schlanken, zugespitzten Mozartklang, wie man ihn sonst eher bei den Ensembles der historischen Aufführungspraxis vermuten würde. Auch die Sängerriege der schon 1993 aufgezeichneten Produktion kann sich hören lassen: Jochen Kowalski zeigt sich auf der Höhe seiner Kunst, Ann Murray präsentiert eine intensive sängerische Deutung des Sifare und Lilian Watson wertet durch einen extrem beweglichen, virtuosen Vortrag die sonst eher randständige Figur der Ismene deutlich auf. In der Titelrolle gibt sich Bruce Ford mit großem Stimmvolumen kämpferisch, wenngleich sein Tonfall, ähnlich wie jener Luba Orgonasovas (als Aspasia) eher zur Oper des 19. als zu der des 18. Jahrhunderts passen mag.
Indes: Die sängerischen Qualitäten der Akteure sind eigentlich kaum zu beurteilen, denn ihr Gesang ist vom Ton-"Meister" derart schlecht ausgesteuert worden, dass man ständig die Lautstärke nachregulieren muss, weil der Hörer oft nur ein Flüstern vernimmt, um gleich darauf fast angebrüllt zu werden. Zu allem Übel wurden die Mikrofone offenbar in oder an den (ausladendenden) Kostümen angebracht, weshalb sie von Zeit zu Zeit von Haarteilen, Textilien oder Accessoires verdeckt werden und dann nur noch einen Klang wie durch´s Taschentuch gesungen einfangen.

Womit wir bei Bühnenbild, Kostümen und Regie wären: Da geht´s nicht mehr schlimmer. Die Kostüme sind eine Mischung aus Augsburger Puppenkiste, Star Wars, Peking Oper und Barockrobe, seitlich bügelbrettartig erweitert und hier und da mit Blechapplikationen versehen, so dass die Sänger nur über die Bühne wanken können. Das Bühnenbild erschöpft sich weitgehend in sinnbildlich blutroten Elementen, die unmotiviert hin- und herbewegt werden. Die Sänger wurden genötigt, bis zur Lächerlichkeit stilisiert zu agieren, was zusammen mit den sinnfreien Bewegungen der Ballettgruppe und eingestreuten absurden Einzelgesten einen geradezu grotesken Gesamteindruck produziert. Man wäre spätestens nach 30 Minuten geineigt, das Bild abzustellen, um nur noch der Musik zu lauschen - wenn da nicht die erwähnten Tonprobleme wären, die auch noch ein solch halbes Vergnügen zunichte machen.

Dass Regisseur Graham Vick der Geschichte nichts abzugewinnen vermag, ist das eine, dass er es aber so deutlich meint zeigen zu müssen, ist unverzeihlich. Die Sänger können einem leid tun - die Zuschauer auch.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Mitridate: Bruce Ford, Tenor
Sifare: Ann Murray, Mezzosopran
Farnace: Jochen Kowalski, Altus
Aspasia: Luba Orgonasova, Sopran
Ismene: Lilian Watson, Sopran
Arbate: Jacquelyn Fugelle, Sopran
Marzio: Justin Lavender, Tenor

The Orchestra of the Royal Opera House

Ltg. Paul Daniel

Inszenierung: Graham Vick


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