Musik an sich


Reviews
Bach, J. S. (de Vriend)

Weihnachtsoratorium


Info
Musikrichtung: Barock

VÖ: 08.10.2007

Challenge Records / SunnyMoon (2 SACD hybrid (AD: 2006) / Best.nr. 76608, ISBN 9087490096)

Gesamtspielzeit: 139:00

Internet:

Challenge Records

Combattimento Consort



ERFRISCHEND

In ungewohnter, geschenkgeeigneter Verpackung kommt diese Neueinspielung von Bachs Weihnachtsoratorium daher: Die beiden SACDs befinden sich in einem Buch mit Hardcover, welches in mehreren Aufsätzen interessante Denkansätze über das Werk als musikalische Predigt, über seinen liturgischen und theologischen Gehalt, sowie zum Thema "Mutter und Kind" beinhaltet. Dazu finden sich ein Abruck des Librettos, Biographien der Mitwirkenden und schwarz-weiß Fotografien zum Thema Mutter und Kind. Hätte man das perfekte Weihnachtsgeschenk produzieren wollen, hätte es allerdings insoweit einer Verbesserung des doch arg nüchternen und eher unschönen Layouts bedurft.

Ungeachtet dessen kann man mit der Produktion gewiß auch jedem eine Freude machen, der schon über ein oder zwei Einspielungen des Weihnachtsoratoriums verfügt. Der Ansatz des niederländischen Dirigenten Jan Willem de Vriend ist zwar nicht gänzlich neu, verhilft dem Stück aber zu festlichem Glanz. De Vriend denkt das Werk musikalisch eher von der Parodie her, also von dem weltlichen Ursprung einer Vielzahl der Nummern, die Bach dann lediglich für den weihnachtlichen Anlass umarbeitete. Mal prachtvoll, mal tänzerisch, aber immer mit viel Swing werden die einzelnen Stücke daher präsentiert. Hinzu kommt das pointierte Spiel des Combattimento Consort Amsterdam, das Akzente setzt, ohne zu übertreiben. Die Tempi sind durchweg zügig, aber niemals unangemessen überhastet. Die Aufnahme wirkt dadurch frisch, aber wesentlich organischer als etwa die vom Grundansatz her ähnlich angelegte Interpretation von René Jacobs (HMF), bei der der Zuhörer vor lauter Effekthascherei nicht zum Atemholen kommt. Anders bei de Vriend: Die Effekte, einschließlich nicht notierter Punktierungen und Verzierungen wirken zwar manchmal überraschend, aber immer überzeugend und wohldurchdacht. Erwähnenswert sind hier u.a. die Glanzpunkte, die von den Naturtrompeten gesetzt werden, aber auch der Einsatz der Chitarrone, die dem ganzen bisweilen einen volkstümlichen Klang beimischt.

Der Chorklang der Capella Amsterdam ist bei 8facher Besetzung der Stimmgruppen voll und rund, aber dennoch vollkommen durchhörbar. Ein überzeugendes Plädoyer gegen den ansonsten derzeit oft anzutreffenden, anämisch-schmalen Chorgesang und für den herkömmlichen gemischten Chor.

Unter den Solisten gefallen besonders Malin Hartelius und der Bass-Bariton Detlef Roth. Kristina Hammerströms Alt passt hingegen dann doch eher auf die Opernbühne - in den ihr zufallenden, durchweg eher betrachtenden Arien agiert sie unnötig druckvoll. Jörg Dürmüller überzeugt nicht nur in den Arien, sondern auch als Evangelist durch einen lebendigen, nur ganz selten zu stark skandierenden Vortrag.
Im Klangbild ist die Abbildung von Chor und Orchester übrigens überraschenderweise besser gelungen, als die der Solisten.

Insgesamt eine Einspielung, die nicht nur wegen der besonderen Aufmachung Beachtung verdient und der unter den neueren Interpretationen im Sinne der historischen Aufführungspraxis ein Spitzenplatz zukommt.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Malin Hartelius, Sopran
Kristina Hammerström, Alt
Jörg Dürmüller, Tenor
Detlef Roth, Bass-Bariton

Combattimento Consort Amsterdam
Cappella Amsterdam

Ltg. Jan Willem de Vriend


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>