Musik an sich


Reviews
Sacchini, A. (Brown)

Oedipe à Colone


Info
Musikrichtung: Klassik / Oper

VÖ: 14.08.2006

Naxos / Naxos (2 CD, DDD (AD: 2005) / Best.nr. 8.660196-97)

Gesamtspielzeit: 112:47

Internet:

Naxos
Opera Lafayette



GLUCK LIGHT

Als Antonio Sacchini (1730-1786) nach durchaus erfolgreichen Jahren in Florenz, Venedig, Neapel und London wegen finanzieller Schwierigkeiten im Jahre 1781 den Entschluss fasste, sein Glück in Paris zu suchen, konnte er nicht wissen, in welche künstlerischen Intrigen er hier geraten sollte.

Im Streit zwischen den sog. Piccinisten und den Gluckisten um die zeitgemäße Form der Oper wollte jede Partei den Italiener auf ihrer Seite wissen, doch konnte er es keiner wirklich recht machen: Den Gluckisten waren seinen Bühnenstücke dramatisch zu schwach, den Piccinisten zu nahe am Stile Glucks.

So wurde letztlich auch die Aufführung der im Auftrage von Marie Antoinette komponierten, auf einem Stoff der antiken Mythologie basierenden Oper "Oedipe à Colone" hintertrieben und Sacchini sollte die Uraufführung schliesslich nicht mehr erleben. Dabei gelang ihm gerade mit diesem Werk die Synthese der sich so unversöhnlich gegenüberstehenden Stilrichtungen.

Zwar tritt im ersten Akt das musikdramatische Element zugunsten der lyrischen Passagen in den Hintergrund, die Sacchini melodienselig entfaltet, doch besitzt die Oper im zweiten und dritten Akt auch Feuer und theatralische Kraft. Dies allerdings in einer Gluck zwar bis in einzelne Wendungen hinein oft verwandten aber doch abgemilderten, gefälligeren Weise, die dem Ohr stets schmeichelt.

Harmonische Rückungen, schnelle Wendungen vom Dur zum Moll und ein farbiger Orchestersatz samt der eingeschobenen, typisch französischen Ballettsätze sorgen zugleich für Abwechslung und ein breites emotionales Ausdrucksspektrum.

Diese Qualitäten konnten auch dem Publikum nicht verborgen bleiben und so erlebte die Oper nach ihrer Uraufführung 1787 bis ins Jahr 1830 hinein regelmäßig weitere Aufführungen und brachte es dabei auf die erstaunliche Zahl von 583 Vorstellungen. Nach einer kurzen Wiederbelebung infolge der Fürsprache Hector Berlioz´ 1843 verschwand sie dann jedoch in der Versenkung.

Dem Label Naxos ist es zu verdanken, dass dieses nicht allein musikgeschichtlich interessante Opernjuwel nun wieder ans Tageslicht befördert wurde. Dabei sorgt das in der historischen Aufführungspraxis versierte amerikanische Ensemble Opera Lafayette unter seinem Leiter Ryan Brown für eine solche musikalische Zugkraft, dass es den führenden Orchestern und Opernensembles der Welt auf diesem Gebiet in nichts nachsteht.

Es erstaunt nachhaltig, welche Qualität hier in einer Low Budget-Produktion erreicht wird, die auch klangtechnisch ausgewogen und höchst vital daherkommt.

Unter den Sängern sticht die Leistung des Tenors Robert Getchell heraus, der mit steter Präzision und stimmlicher Präsenz, sowie dramatischem Gestaltungswillen überzeugt. Auch Nathalie Paulins durchsetzungsfähiger Sopran, der in der mittleren und tiefen Lage viel Wärme, in der Höhe aber auch die nötige Brillanz entfaltet, bewegt sich auf Weltklasseniveau. Der Bassbariton Francois Loup agiert als Oedipe klangschön, doch wäre hier bisweilen mehr dramatische Kraft zu wünschen gewesen.

Ryan Brown merkt in seinem Beitrag zum Booklet an, man hoffe, dass "Oedipe" bald eine moderne Inszenierung erfahre. Dem kann man sich nur anschliessen und möchte hinzufügen, dass eine solche Inszenierung sich musikalisch auf dem Niveau dieser mustergültigen Einspielung bewegen möge.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Oedipe: Francois Loup
Antigone: Nathalie Paulin
Polinice: Robert Getchell
Thésée: Tony Boutté
Eriphile: Kirsten Blaise

Opera Lafayette Orchestra and Chorus

Ltg. Ryan Brown



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