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Interview mit den Psychobilly-Helden von Nekromantix

Meist ist es ja so, dass auf Psychobilly-Konzerten im Allgemeinen eine eher aggressive Stimmung herrscht. Durch aufgesetzte Coolness versucht jeder dem anderen seine Überlegenheit darzustellen.
Überraschend, dass mit Nekromantix eine der größten und besten Bands dieses Genres selbst eigentlich fast ein Spiegelbild dazu darstellen.
Kim (Coffin-Bass), Peter (Gitarre) und Kristian (Schlagzeug) sprechen mit mir im Interview über Dänemark als musikalisches Dritte-Welt-Land, die Meteors-Reunion, Kims sargförmigen Bass, die Psychobilly-Szene, musikalische Einflüsse, faule Schlagzeuger, Songwriting, Texte, ...

Kim:
Stell aber ja keine komplizierten Fragen! Nur leichte!

Peter:
Na, die schwierigen beantworte ich dann schon.

MAS:
Keine Angst. Erst mal will ich wissen wie deine Arbeit an deiner Psychobilly-Bibel so voranschreitet, Kim?

Kim:
Sehr langsam, aber die echte Bibel hat ja auch ne Weile gebraucht bis sie fertig war. Es läuft schon gut, aber eben saulangsam.

MAS:
Ich habe euch diesen Winter in Lindau gesehen. Was mich da überrascht hat war, dass ihr ohne Support gespielt habt. Woran lag das?

Kim:
Ich weiß es nicht, vielleicht hatte die Booking-Agentur einfach nicht genug Geld dafür. Ich hab keine Ahnung. Normal haben wir schon eine Vorband, aber keine Ahnung woran das lag, ist eigentlich selten, dass wir ohne Support spielen. Letztes Mal in Amerika hatten wir eine feste Vorband, in Europa haben wir meistens jedes mal ne andere.

MAS:
Gibt es vielleicht auch Probleme in Deutschland Psychobilly-Bands zu finden, die für euch eröffnen könnten?

Peter:
Ach, wir spielen mit Punkbands, Rock'n'roll-Bands, das ist uns egal.

MAS:
Die Szene ist in Deutschland nicht unbedingt sehr klein, aber es gibt nicht gerade viele Bands. Wie ist das in Dänemark, wo ihr herkommt?

Kim:
Dänemark hat keine Szene (lacht). In Deutschland ist das eine gute Szene, aber es mangelt an neuen, jungen Bands, es sind da immer noch die alten. Aber hoffentlich wird das in Zukunft anders.

Peter:
In Amerika ist da ziemlich viel in Bewegung. Es sind natürlich nicht alles brillante Bands, aber das ist auch nicht wichtig. Um was es geht, ist einfach die Szene zu vergrößern. Viele dort denken "Mensch der hat nen Coffin-Bass, der ist cool, ich will auch so cool wie er sein"

Kim:
Ja, aber das ist es wie man anfängt. Man beginnt damit und erkennt dann, ob man talentiert ist oder nicht. Und wenn es bei ein paar Jungs klappt ist das doch okay. Ich vermute, dass in ca. 5 Jahren sehr gute Bands aus Amerika kommen werden. Es kommt auch noch dazu, dass auch größere Labels wie das deutsche People Like You und Hellcat/Epitaph in Amerika Psychoband ins Programm nehmen und so eine neue Hörerschaft erschließen.

MAS:
Ja, das denke ich auch. Wer The Bones von PLY mag, wird vielleicht auch die Meteors, Mad Sin oder Demented Are Go mögen.

Kim:
Ja, genau so ist es. Da bewegt sich was. Es ist auch so, dass vor allem in den Achtzigern und den frühen Seunzigern Punks und Billys nichts miteinander zu tun hatten. Das gibt es aber zum Glück heute nicht mehr. Psychobilly ist ein Teil Punk...

Peter:
... und Rock'n'roll.

Kim:
Alles ist Rock'n'roll. Es gab da aber eben immer diese Unterschiede zwischen Punks, Skinheads, Rude Boys ... Heute gehen diese Gruppen nicht mehr auf Konzerte um sich zu bekämpfen sondern um Spaß zu haben.

MAS:
Das ist auch ein Punkt, dass die Stile sehr miteinander verbunden werden.

Kim:
Ja, das ist cool.

Peter:
Das ist auch ganz normal. Leute, die sich als die Psychobilly-Szene noch klein war nach Härterem orientiert haben kommen nun zurück und bringen ihre Einflüsse rein.

Kim:
Und vor allem bekämpfen sich die Gruppen nicht mehr so, das war in Vergangenheit sehr kontraproduktiv. Wenn vor 15 Jahren ein Metaller auf ein Konzert hier gekommen wäre, wäre er schnell wieder rausgeprügelt worden, aber darüber regt sich einfach keiner mehr auf.

MAS:
Und es gibt in Dänemark wirklich gar keine Szene?

Peter:
Eine kleine Rock'n'roll-Szene vielleicht, aber das sind immer die gleichen Leute. Wir spielen einmal im Jahr in Dänemark vor 150 bis 200 Leuten und das sind alles Freunde. Auf einem Festival in Leipzig wurde Dänemark als musikalisches Dritte-Welt-Land tituliert und das stimmt ganz einfach.

Kim:
Es gibt in Dänemark viel Dance-Music und Radiohead-Klone und Dänemark ist auch einfach ein kleines Land und wenn man das prozentual umrechnet, wie vielen Leuten unsere Musik gefallen kann kommt man auf eine kleine Zahl.

MAS:
Wie seit ihr dann in die Psychobilly-Szene gekommen?

Kim:
Wir sind mit Freunden nach Deutschland und Holland auf die großen Festivals und irgendwann hab ich mir gedacht, dass ich schon auf diesen Festivals sein will, aber eben auf der Bühne. In Deutschland gibt es auch eine gute Live-Konzert-Kultur, was es in Dänemark eben nicht gibt.

MAS:
Was denkt ihr eigentlich über die Meteors-Reunion?

Kim:
Hmm, vor zwei Jahren haben sie gesagt, sie spielen nicht mehr und nach nem Jahr fangen sie wieder an. Das ist okay, aber ...

Peter:
Ozzy Osbourne hat das am besten gemacht indem ne Tour No More Tours-Tour genannt hat. Und natürlich kam er zurück.

Kim:
Wenn sie spielen wollen, ist das gut, aber ich halte es für dumm, nach einem Jahr wieder zukommen. Man hätte auch nichts sagen können und einfach ne Pause machen. Das wirkt für mich dann schon wie PR.

MAS:
Ich hab sie auch gesehen dieses Jahr und sie waren scheiße. Ihr seid ja nun auch eine der bekanntesten und besten Psychobilly-Bands, was denkt ihr, macht euch besser oder besonders?

Kim:
Das ist schwer über einen selbst zu sagen.

MAS:
Klar!

Kim:
Ohne jetzt überheblich zu sein denke ich, dass wir uns einfach nicht so sehr mit Stilen beschäftigen, wir haben keine Angst zu experimentieren. Wenn wir irgendwas wie Gothic, Punk, Ska oder weiß ich was mögen lassen wir es einfach einfließen.

Peter:
Viele machen sich da viele Gedanken darüber und denken, dass das richtiger ist, was mehr Leute mögen. Ich habe da die Sichtweise vorsichtiger zu sein, wenn viele Leute etwas richtig finden, weil sie vielleicht daneben liegen.

Kim:
Und eigentlich machen wir einfach was wir wollen. Wir sind in einer Band und jeder mag etwas anderes und jeder ist ein Teil davon und wenn wir irgendwas machen, dann ist es Nekromantix. Wir denken nicht in einem Schema irgendwie klingen zu müssen. Und wenn es die Leute nicht mögen ist es auch egal. Dann mag es vielleicht jemand anderes.

MAS:
Besonders viele junge Bands wählen da den Meteors-Weg, weil der eben freigestrampelt ist und richtig erscheint.

Kim:
Ja genau, aber der einzige Weg ist nun mal der eigene Weg.

Peter:
Als ich mich anfangs mit Psychobilly beschäftigt hab wusste ich nicht was das ist und man hat mir gesagt, was zwischen Punk und Rockabilly. Das fand ich cool.

Kim:
Auch Kristian als Drummer fragte mich anfangs was er spielen sollte, aber ich hab gemeint, er solle einfach das spielen, nachdem er sich gefühlt hat.

Peter:
Ich übe auch gar nicht an der Gitarre so zu spielen wie jemand anderes, weil meine Gitarren-Helden technisch sehr schwach waren, aber einfach ihr Ding gemacht haben.

Kim:
Das "Nekromantix-Erfolgsrezept" ist auch, dass wir in diesem Genre keine Vorbilder oder Einflüsse haben. Wir machen was wir machen. Wir versuchen die Sachen so zu machen wie wir sie gerade fühlen.

Peter:
Es geht einfach viel weniger um das Hirn dabei als um das Herz.

Kim:
Was uns vielleicht auch von anderen Bands unterscheidet ist, dass es gar keine musikalischen Regeln gibt.

MAS:
Aber Peter, ich finde dich technisch eigentlich sehr gut.

Peter:
Ja, ich bin gut in dem was ich tue, weil ich es liebe. Das ist eben meine Musik. Und es muss auch mit den anderen Musikern übereinstimmen. Ich kann das beste Solo der Welt spielen und es ist nichts wert, wenn die Band nichts taugt. Und anders herum kann ich ein weniger gutes Solo spielen und es kling t gut.

MAS:
Mich interessiert auch noch ganz stark wie denn dein Coffin-Bass technisch funktioniert.

Kim:
Naja, im Moment funktioniert er gar nicht. Normal klingt er gut, aber im Moment ist er scheiße. Den den ich jetzt spiele ist ein akustischer, aber ich baue auch gerade einen elektrischen.

MAS:
Machst du alles daran selbst?

Kim:
Ja, den ersten habe ich aus einem echten Kindersarg und dem Hals einem Kontrabasses gemacht, aber der war zu schwer.

Peter:
Aber die Saiten macht er nicht selber!

Kim:
Was redet du da für nen Scheiß?

Peter:
Machst du die jetzt auch selber?

Kim:
Ja, zumindest eine davon (lacht).

MAS:
Ist Instrumentenbau dein Job oder dein Hobby?

Kim:
Mein Hobby. Ich hab's gemacht, weil ich was anderes wollte.

MAS:
Wie lange habt ihr normale Jobs neben der Musik machen müssen?

Peter:
Immer so wenig wie möglich!

Kim:
Das geht immer hoch und runter. Manchmal hat man viel Geld und manchmal keins.

Peter:
Und wenn man mal was hat gibt man es auch gleich wieder aus.

Kim:
Gerade geben wir viel Geld aus.

MAS:
Also müsst ihr immer noch manchmal arbeiten?

Kim:
Ja, manchmal. Aber im Moment nicht. Ich mache jetzt auch ein Label und hab noch ne andere Band. Was ein geregeltes Einkommen angeht ist das Musikbusiness scheiße, aber so lange wir glücklich sind und mit dem zufrieden sind was wir haben ist das schon okay.

MAS:
Und wie ist das, Kristian, du bist Pfarrer?

Kim:
Nein, er ist so was wie ein Psychologe und hat Theologie studiert. Er könnte einer werden.

MAS:
Und wie kannst du deinen Glauben mit Textzeilen wie "bargain with the devil to achieve my goal" in Einklang bringen?

Kristian: Kein Problem!

Kim:
Ich weiß was du meinst, aber schließlich ist der Teufel auch eine biblische Gestalt und das sind eben zwei Seiten der gleichen Sache, so wie Jin und Jang, Schwarz und Weiß. Eines ohne das andere geht nicht. Wir sind keine satanistische Band.

Kristian: Man kann nicht an Gott glauben ohne an den Teufel zu glauben.

MAS:
In "Rubbermonks and Leathernuns" singt ihr auch Deutsch, wenn es auch nicht ganz perfekt ist?

Kim:
Ja, das wussten wir , aber das war auch egal.

Peter:
Ich war für die Lyrics und fand, dass sie auch wenn sie vielleicht nicht richtig sind gut klingen.

Kim:
Ich wollte auch immer mal was Deutsches singen. Wir müssen ja in Englisch singen, weil diese Sprache jeder versteht. aber dann haben wir einfach ein paar deutsche Worte eingefügt. In dem Song geht es ja auch um die ganze Goth-Szene und Leute, die sich zu wichtig nehmen. Und gerade diese Szene hat starke deutsche Einflüsse mit Sachen wie Rammstein und so, deshalb hat er da ziemlich gut gepasst, deutsch zu singen.

Peter:
Aber dennoch mögen wir Goth-Musik sehr gerne.

Kim:
Hab ich ja auch gar nicht anders behauptet.

MAS:
Denkt ihr, ihr könntet euch in eurer Muttersprache besser ausdrücken?

Kim:
Nein, wenn es um Musik geht nicht.

Peter:
Die Musik, die wir hören ist ja auch englisch. Es geht ja auch nicht nur um die Sprache an sich sondern auch um den Klang der Sprache und da meine ganzen Einflüsse englisch-sprachig sind: wieso dann dänisch singen?

Kim:
Ich weiß, was du meinst, dass unsere Texte in dänisch besser sein könnten, aber ich denke Dänisch ist auch nicht die beste Sprache um Texte daraus zu machen. Und schließlich verstehen einfach alle Leute englisch, was ganz einfaches globales Denken ist. Ganz ehrlich denke ich auch nicht mehr in Dänisch, wenn ich einen Text schreibe.

Peter:
Es gibt da auch so ne japanische Band, die wie die meisten japanischen Bands die japanische Sprache nicht als allzu rock'n':roll-tauglich empfindet. Die haben eine tolle Cover-Version von C'mon everybody gemacht, wobei sie den Text nicht können und manchmal einfach irgendwas gröhlen. Das finde ich cool, weil sie einfach rocken wollen und so klingen wollen wie ihre Einflüsse, also tun sie's.

MAS:
Gibt es eigentlich neue Album-Pläne?

Peter:
Ja, Pläne ein neues Album zu machen (lachen)

Kim:
Nach der Tour werden wir wieder ins Studio gehen und ein neues Album aufnehmen.

MAS:
Gibt es schon Songs oder geschieht das alles nach der Tour?

Kim:
Beides. Es gibt schon Sachen und es werden noch welche entstehen.

MAS:
Findet ihr während dem Touren Zeit zum Schreiben?

Kim:
Nein, aber wir müssen ja.

Peter:
Ich habe meine Akustik-Gitarre immer im Bus dabei.

Kim:
Bei vielen Sachen fehlen auch nur noch die Texte, ansonsten sind sie fertig.

Peter:
Es geht erst mal drum, dass Bass und Gitarre zusammenpassen und dann arbeiten wir im Proberaum noch den Rest heraus.

Kim:
Es war auch schon so, dass wir Kristian, unserem faulen Schlagzeuger, den letzten Schritt im Songwriting aufgetragen haben: das Texten. Erst hat er sich noch dagegen gewehrt, aber wir haben ihm keine Wahl gelassen. So entstand Nekronomicon.

MAS:
Also, ich habe dann keine weiteren Fragen mehr und lass euch jetzt mal wieder in den warmen Backstageraum. Danke für das Interview!

Kevin Kirchenbauer