Musik an sich


Reviews
Tamer Abu Ghazaleh

Thulth


Info
Musikrichtung: Weltmusik / Psychedelik / Electronic Folk

VÖ: 26.08-2016

(Mostakel / Cargo)

Internet:

http://www.tamer.ag


Tamer Abu Ghazaleh, ein 1986 geborener, ägyptischer Musiker und Produzent mit palästinischer Abstammung, ist ein musikalisches Wunderkind. Er begann bereits mit zwei Jahren Musik zu machen und komponierte seine ersten Stücke mit fünf Jahren. Aus seiner Feder stammt um Beispiel das Stück “Ma Fi Khof“ (übersetzt: keine Angst), welches während der ersten Intifada vielfach skandiert wurde.

Nach seiner musikalischen Ausbildung am National Conservatory of Music in Ramallah komponierte er weiter fleißig, veröffentlichte jedoch weniger, da er sich mehr auf das Produzieren verlegte. Er gründete eine unabhängige Musikorganisation Namens eka3, mit welcher er sich der ägyptischen alternativen Musikszene widmete. Diese konzentriert sich auf Musik, die sich der Öffnung der traditionellen Musik für moderne Musik, also durchaus auch Rock und elektronischer Musik, widmet. Außerdem ist er auch Mitglied der Band Alif, deren neues Album ich im Juli vorgestellt habe.

Vom Ansatz her bewegt sich das nun veröffentlichte, dritte Album Thulth auf dem selben Pfaden wie Alif. Auf den ersten Blick, oder besser, beim ersten Hören, wirkt Thulth ein Stück weit mehr der traditionellen Musik verhaftet. Stücke wie das eröffnende “Fajrobeed“ weisen zwar durchaus auch einen rockigen Ansatz auf, verzichtet aber weitestgehend auf den Einsatz nicht-traditioneller Instrumente. Dieser Ansatz setzt sich bei “Namlah“ und “El Ghareeb“ fort, wobei im erstgenannten eine wunderbar fremdartig klingende psychedelische Popmusik, im zweiten Falle eher etwas Poppiges, Chansonartiges entsteht. Der dunkle Refrain mit seinen tiefen Pianoakkorden konterkariert das Ganze wunderbar und führt das Stück fast in sowas wie orientalischen Prog.

“Hob“ widerum klingt wie traditionelle orientalische Musik in Hochgeschwindkeitstempo mit rituellen Trommeln. In den Zwischenpassagen tauchen lichte Passagen aus Piano und Oud auf. Auch “Alameh“ eröffnet mit einer schönen Melodie auf der Oud, unterlegt mit einer dunklen Klaviermelodie. Anfangs gibt sich das Schlagzeug jazziger, changiert dann jedoch im Refrain wieder mehr ins Traditionelle. Ein ausdruckstarkes Stück, mit jazziger Instrumentierung und unglaublicher Atmosphäre.

“Khaber Ajel“ ändert dann die Ausrichtung. Ein pumpender synthetischer Bass, ein wenig Elektronik. Angetrieben wird das Stück von interessanter Perkussion, über die sich dann ein dichter Mix aus Piano, Oud und anderen Instrumenten legt. Ein scheinbar unmöglicher Mix aus Jazzelementen, Funkbeat, Rock und ägyptischer Musik. Packendes Stück. “Helm“ beginnt mit mystischen Keyboardklängen und ebensolchen Klaviertönen. Der erzählerische Gesang schwillt ebenso wie die Musik immer mehr an bis das Stück auf einem ersten Höhepunkt wieder zur Anfangssequenz wird und sich erneut ebenso mysteriös wieder aufbaut. Ein melancholischer Gefühlsritt.

Eine extreme Mischung aus Folklore und jazzrockigen Elementen stellt “Takhabot dar, das durch seinen Aufbau und seine verschiedenen Parts zusätzlich sogar noch in den Progbereich driftet. Im Schlussteil, der ein wenig zerfasert wirkt, hält die eingebaute Pink-Panther-Melodie, welche kurz angedeutet wird, den Spannungsbogen hoch und bringt das Stück zu seinem furiosen Schluss. Zum Abschluss werden in “El Balla'at“ nochmal alle Register gezogen. Der Einstig klingt ein wenig ironisch in seiner Mischung aus Plastik-Elektropop mit Oud und Perkussionen, die nach einem Schnarch- und Weckergeräusch einsetzt. Danach entwickelt sich das Stück zu einer Mischung aus Rock und Folklore in bester und packendster Manier.

Die fein ausbalancierten Tracks begeistern durch ihren transparenten Klang ebenso wie durch ihre spannende Mischung verschiedener Stile. Zu diesen Stilen gehört natürlich auch der Gesang, welcher anfangs sicherlich ein wenig gewöhnungsbedürftig ist. Mit der Zeit erkennt man jedoch auch ohne die Worte zu verstehen die hohe Emotionalität des Gesangs und seine Rolle im Gesamtklang.

Zusätzlich ist diese interessante Scheibe auch noch ebenso interessant verpackt. Sie kommt in einem 6-seitigen Faltkarton daher, der auch gleichzeitig das Booklet darstellt.



Wolfgang Kabsch



Trackliste
1Fajrobeed
2 Namla
3 El Ghareeb
4 Hab
5 Alameh
6 Khabar Ajel
7 Helm
8 Takhabot
9 El Balla´at
Besetzung

Tamer Abu Ghazaleh: Gesang, Oud
Kyan Allami: Schlagzeug
Shadi El-Hosseiny: Schlagzeug
Mahmoud Waly: Bass
Khaled Yassine: Perkussion


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