Musik an sich


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Händel, G. F. (Form)

Alessandro


Info
Musikrichtung: Barockoper

VÖ: 1.8.2012

(PAN Classics / Note 1 / 3 CD / 2012, live / Best. Nr. PCF 10273)

Gesamtspielzeit: 195:00

Internet:

Händel-Festspiele Karlsruhe



KONKURRENZ BELEBT

Für ein Star-Theater par excellence legte Händel seine Oper “Alessandro” an: Neben dem Kastraten Senesino wurde Faustina Bordoni engagiert, die sich – wie zu erwarten – einen werbewirksamen Zickenkrieg mit der hauseigenen Diva Francesca Cuzzoni lieferte. Händel befeuerte diesen Krieg, indem er allen drei Protagonisten eine enge Abfolge halsbrecherischer Arien auf den Leib komponierte und sie so zu Spitzenleistungen trieb. Warum die Oper, die dadurch höchst unterhaltsam und für eine Barockoper vergleichsweise temporeich daherkommt, trotz der Händel-Renaissance heute kaum noch Beachtung findet, ist ein Rätsel. Die letzte Einspielung datiert von 1984 (Kuijken, dhm). Nun, dafür folgen 2012 gleich zwei dicht aufeinander, der Konkurrenzgedanke lebt also weiter: Den Auftakt macht ein Live-Mitschnitt von den Händel-Festspielen in Karlsruhe, der jetzt bei PAN Classics erschienen ist.

Und zum überraschenden Star dieser Interpretation avanciert zunächst einmal das Orchester: Nun gut, die Deutschen Händel-Solisten sind nicht irgendwer und wo Spezialisten wie Michi Gaigg, Klaus Bundies oder Rien Voskuilen mitwirken – um nur einige zu nennen – darf man schon Qualität erwarten. Aber wie der junge Dirigent Michael Form mit diesem Ensemble das Werk drei Stunden lang unter Hochspannung setzt und die Instrumentalfarben auf das Schönste erblühen lässt, das ist dann doch erstaunlich und braucht keinen internationalen Vergleich zu scheuen. Man könnte sagen, hier wird „angriffslustig“ musiziert, was sowohl zur Titelfigur, Alexander dem Großen, passt, als auch zum Sängerkrieg.

In diesem wiederum ist ein Unentschieden zwischen Yetzabel Arias Fernández und Raffaella Milanesi zu verzeichnen. Mag Milanesis Vortrag etwas weicher, gerundeter und tiefenschärfer sein, so besticht Fernández durch eine freche, quicklebendige Zeichnung der Rossanne, die somit ihrer Nebenbuhlerin Lisaura um nichts nachsteht. Als Titelheld präsentiert Lawrence Zazzo eine vergleichsweise virile, jungmännliche Counterstimme, die er auch in der Höhe präzise zu führen weiß, welche es aber in der Mittellage bisweilen an Resonanz fehlen lässt. Das Staraufgebot in Händels Uraufführung ließ naturgemäß wenig Raum für die Nebenfiguren. Aber auch diese kleineren Rollen wurden in Karlsruhe exzellent versehen, wobei besonders die Altistin Rebecca Raffell in ihrer Arie „Sarò qual vento“ den Hauptakteuren durchaus die Zähne zeigt und auf Augenhöhe zu agieren versteht.

Was die Tontechnik angeht, so kann die Einspielung ihren Live-Charakter nicht verhehlen. Die Akustik ist daher eher trocken und einige bühnentechnisch bedingte Nebengeräusche muss man in Kauf nehmen. Dies ändert aber nichts daran, dass die Produktion dieses zu Unrecht so selten gespielte Werk ins beste Licht rückt. Die demnächst bei Decca erscheinende Konkurrenzaufnahme (Cencic, Gauvin, Petrou) wird es daher nicht leicht haben.



Sven Kerkhoff



Trackliste
Alessandro
Dramma per musica, HWV 21 (UA: 1726, London)
Besetzung

Lawrence Zazzo (Countertenor): Alessandro
Yetzabel Arias Fernández (Sproan): Rossane
Raffaella Milanesi (Sopran): Lisaura
Martin Oro (Countertenor): Tassile
Andrew Finden (Bariton): Clito
Sebastian Kohlhepp (Tenor): Leonato
Rebecca Raffell (Alt): Cleone


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