Musik an sich


Reviews
Monteverdi, C – Godard, M. – Swallow, St. (Laurens – Godard u. a.)

Monteverdi – a trace of grace


Info
Musikrichtung: Barock / Jazz - Ensemble

VÖ: 12.09.2011

(Carpe Diem / Naoxs / CD / DDD / 2010 / Best. Nr. CD-16286)

Gesamtspielzeit: 65:71



FREIHEIT IN SPIEL UND MUSIK

Ein geheimnisvoll hauchiger, erdhaft tiefer Ton, der wie eine Mischung aus Posaune und Zink klingt: Was Michel Godard aus dem schlangengleich gewundenen Serpent für urtümliche Wohlklänge hervorzaubert und wie er diese zu überraschend weit schwingenden Melodien verbindet, ist bei diesem sperrigen Instrument höchst erstaunlich. Das titelgebende „A trace of grace“ gerät ihm dabei geradezu zu einer Kontemplation der Schwerelosigkeit.

Seiner Hommage an Claudio Monteverdi, die sich dem italienischen Barockmeister ohne historisierende Scheuklappen aber dennoch sehr bewusst nähert, verleiht der Serpent eine ganz besondere Note. Zugleich schlägt Godard eine Brücke über die Epochen hinweg: Das 17. und 21. Jahrhundert treten in einen Dialog, der von „Freiheit in Spiel und Musik“ (so Schirin Nowrousian im Booklet) gekennzeichnet ist. Es gehen auf dieser CD nämlich nur fünf der 13 Stücke unmittelbar auf Monteverdi zurück, die übrigen sieben Kompositionen sind zeitgenössische, vom Jazz beeinflusste Antworten darauf, die von Michel Godard oder dem E-Bassisten Steve Swallow stammen. Dabei mischen sich vor allem in diesen Eigenkompositionen ganz selbstverständlich alte und neue Instrumente. Godard greift zwischendurch auch zum E-Bass, Cavino Murgia steuert ein Saxophon bei, Fanny Paccoud eine Violine und Bruno Helstroffer eine Theorbe. Schließlich gibt es noch eine Sängerin, ist Monteverdi doch vor allem ein Meister für Vokalmusik.
Guillemette Laurens bringt ihre barockerprobte Mezzo-Stimme ein, die in der Akustik der Abteikirche von Noirlac eine dunkle Glut entfaltet. Ob sie nun das verspielte „Zefiro torna“ oder das dramatische „Lamento die Arianna“ anstimmt, die Kraft von Monteverdis Musik teilt sich unmittelbar mit. Die „Zwischenspiele“ und Improvisationen, die Swallow, Godard und Murgia (hier mit in die Eingeweide gehendem Kehlkopfgesang) beisteuern, wirken wie ein integraler Bestandteil der Musik Monteverdis.
So gelingt es, den vielbeschworenen Jazz-Charakter mancher Monteverdistücke durch ein Ausspinnen der musikalischen Substanz anklingen zu lassen. Die penetrante Betonung synkopierter Rhythmen hingegen, die z. B. eine vergleichbare Monteverdi-Aufnahme des italienischen Ensembles „La Venexiana“ (Glossa) kennzeichnet, gibt es nicht. Godard legt Wert auf den Respekt vor dem Originaltext und seinen Eigenheiten. Die Singstimme genießt darum unbedingte Priorität.
Auch die Eigenkompositionen geben sich vom Vokalstil Monteverdis beeinflusst. Sie sind gleichsam freifließend und oft auch versponnen, ja labyrinthisch, eben ganz inspiriert von der Improvisationskunst vergangener Jahrhunderte: barockiger Blues, meist wunderschön elegisch und melancholisch, manchmal aber auch tänzerisch (wie die ausgelassene Saxophon-Linie in „Doppo il tormento“).

Ein Stil- und Epochengrenzen souverän überschreitendes Album.



Georg Henkel



Besetzung

Michel Godard: Serpent & E-Bass
Guillemette Laurens: Mezzosopran
Gavino Murgia: Saxophon & Stimme
Fanny Paccoud: Violine
Bruno Helstroffer: Theorbe
Steve Swallow: E-Bass


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