Musik an sich


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Forqueray, A. (Hausgand)

Suiten für Cembalo 1-5


Info
Musikrichtung: Barock Cembalo

VÖ: 17.06.2011

(Glossa / Note 1 / 2 CD / DDD / 1995 / Best. Nr. PSC1317)

Gesamtspielzeit: 128:00



„ZWEIFELHAFTES“ ORIGINAL UND „ORIGINALE“ BEARBEITUNG

Als Jean-Baptiste Forqueray 1747, zwei Jahre nach dem Tod seines Vaters Antoine Forqueray, eine Sammlung mit fünf Suiten für Viola da Gamba und basso continuo aus dessen Nachlass veröffentlichte, hatte dieses Instrument den Zenit seiner Beliebtheit schon überschritten. Es zehrte von jenem Ruhm, den es unter Marin Marais erlangt hatte. Marais musiziere „wie ein Engel“, so der zeitgenössische Kritiker Hubert Le Blanc. Forquerays Spiel hingegen, der sich von der französischen Verfeinerung und Eleganz seines Vorläufers absetzen wollte, wurde von Le Blanc als teuflisch charakterisiert.
Der Teufel klang für einen echten Franzosen des 18. Jahrhundert vor allem Italienisch. Eine gewisse italienische Vitalität und gelegentliche Hitzigkeit lässt sich bei den Suiten Forquerays auch kaum bestreiten. Dabei war Forquerays Ziel nicht vordergründige Virtuosität, sondern die Schaffung von Charakterstücken, die in den Suiten wie in einer Gemäldesammlung aufeinander folgen und oft Persönlichkeiten bei Hofe oder Musikerkollegen in Blick nehmen, darunter Marais, Jean-Marie Leclair oder Jean-Phillippe Rameau. Auch ein Selbstporträt Forquerays findet sich.
Wobei gerade bei dieser posthumen Veröffentlichung nicht mehr genau zu klären ist, in wie weit der Sohn, der selbst ein erfolgreicher Musiker und Komponist war, das in Skizzen überlieferte Material seines Vaters überhaupt erst vollendet hat. Auf jeden Fall werden die Möglichkeiten des Instruments noch einmal bis in die Extreme hinein erkundet, wobei die leidenschaftliche Rhetorik weit über die stilisierte Melancholie, die man der Gambe gemeinhin attestiert, hinausgeht. Offenbar wollte Forqueray noch einmal bekräftigen, dass eine Gambe kein näselnder Vorläufer der Violine ist, sondern ganz eigene, durchaus temperamentvolle Möglichkeiten hat und dass imposante Klänge und Farben in ihr stecken.

Die Aufnahme von Paolo Pandolfo und seinen wechselnden Begleitern, die Glossa jetzt nach 16 Jahren in neuer Aufmachung herausbringt, ist auf jeden Fall ein doppeltes Vergnügen: einmal wegen der herrlichen Musik und dann wegen der überaus gelungenen Interpretation. Pandolfo präsentiert die nicht einfach zu spielenden Stücke mit immer wieder frischem Sinn für ihre innere Dramatik, geht dabei bei den schnellen Tempi auch bis an die Grenzen der Ausführbarkeit. Schnelle Tonfolgen wirken dann schon mal wie mit dem Pinsel gezogen, ohne dass die Ausführung unpräzise wirken würde. Wie ein Seismograph folgt Pandolfo den expressiven und lyrischen Bewegungen der Musik, stets wach für den überraschenden Moment. Eindrucksvoll sind die dunkle Erhabenheit und harsche Strenge, die aus „La Rameau“ spricht. Fein und delikat tönt dagegen „La Dubreüil“. Eine zweite Gambe, Cembalo, Theorbe und barocke Gitarre vertiefen die Stimmungen und Charakterbilder durch ein breites und wechselndes Spiel von Klangfarben. Wie schnell da rund zweieinhalb Stunden vorrübergehen!

In der Cembalofassung dieser Suiten muss man auf derlei klangliche Reize verzichten. Allerdings hat Forquerays geschäftstüchtiger Sohn diese Version mit Hilfe seiner Frau, der Cembalistin Marie-Rose Dubois erstellt – als eigenen Bearbeiter seiner „Vollendungen“ der väterlichen „Originale“. Um möglichst viel von der klanglichen Substanz zu bewahren, hat Jean-Baptiste sich auf die tiefen Register des Cembalos konzentriert. In dieser neuen Einspielung musiziert Ketil Hausgand auf einem eigenhändigen Nachbau eines Ruckers-Cembalo und erfüllt sich damit einen langgehegten Traum.
Mit viel Gespür für die artikulatorischen Finessen und ohne Hast übersetzt er den Klang des Streichinstruments in die Möglichkeiten des Zupfinstruments. Die Darbietung enthüllt manche Details, die in der effektvoller auftrumpfenden Vergleichseinspielung von Blandine Rannou (ZigZag) weniger deutlich ins Ohr springen. Dadurch gewinnen die Porträts an Tiefe. Allerdings mangelt es Haugsands Instrument in den tiefen Registern doch etwas an Kraft und die maßvollen Tempi erzeugen eine gewisse Schwere. Der Preis für die Deutlichkeit ist ein Mangel an spielerischer und klanglicher Energie. Haugsand bietet zwar eine musikalisch, aber nicht in gleichem Maße musikantisch befriedigende Deutung.

Für die Einspielung von Ketil Hausgand:



Georg Henkel



Besetzung

Ketil Hausgand: Cembalo nach flämischen Vorbildern


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