Musik an sich


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Beethoven, L. v. (Dawson)

Musing on the Ocean - Volksliedbearbeitungen


Info
Musikrichtung: Wiener Klassik Lied

VÖ: 28.08.2009

(Berlin Classics / Edel / CD / 2008 / Best. Nr. 0016392BC)

Gesamtspielzeit: 60:41

Internet:

Lynn Dawson



SIMPLICITY

Man kann vielleicht nicht gerade sagen, dass der Schotte George Thomson an Beethoven herangetreten war, um das Genie aus Stroh Gold spinnen zu lassen, aber eine merkwürdige Aufgabe für einen hochgeachteten Komponisten war es schon: Beethoven sollte - wie auch Haydn, Pleyel und Kozeluch - für Thomson eine Reihe schottischer, irischer und walisischer Volklieder mit einer adäquaten Instrumentalbegleitung versehen. Adäquat bedeutete dabei nach dem Willen des Auftraggebers vor allem: einfach, denn die zahlungskräftigen Kunden des Verlegers sollten damit Material für´s häusliche Musizieren erhalten.

Thomson zahlte nicht schlecht für die Arbeit, die Beethoven allerdings keineswegs leicht von der Hand ging. Das mag nicht zuletzt daran gelegen haben, dass der Komponist nur die Liedmelodien kannte, nicht aber die Liedertexte, die Thomson erst noch erarbeiten ließ und die Beethoven in Ermangelung englischer Sprachkenntnisse ohnehin kaum zu deuten gewußt hätte. Beethoven versuchte daher, dem spezifischen Gehalt der oft melancholisch verschatteten, herben Melodien nachzuspüren und ihnen einen dem jeweiligen Charakter angemessenen Instrumentalsatz beizugeben. Es waren also zunächst einmal tatsächlich Lieder ohne Worte.
Beethoven ging dabei mit höchster Akribie zu Werke und auch mit der ihm eigenen kompositorischen Finesse, was dem nach Einfachheit strebenden Herausgeber aus kaufmännischen Erwägungen durchaus mißfiel. Aus heutiger Sicht kann man von Glück sagen, dass Beethoven sich nicht beirren ließ. Denn er hat mit seiner Begleitung die schlichten, strophischen Weisen so veredelt, dass sie zwar ihren volkstümlichen Charakter bewahren konnten, aber doch schon fast zum Kunstlied geadelt werden. In jeder Liedbegleitung finden sich raffinierte Details, kleine Zwischenstücke und Nachspiele, die den Stimmungsgehalt noch einmal en miniature zusammenfassen. Dabei lässt Beethoven die Liederstrophen und die reinen Instrumentalteile so perfekt ineinander übergehen, dass ein bruchloses Ganzes entsteht, eine fliessende musikalische Bewegung.

Die Lieder trägt die britische Sopranistin Lynn Dawson mit hörbarer Liebe zur heimatlichen Musik, dabei aber unaufgeregt schlicht vor. Ihr kommt zugute, dass sie sich in den letzten Jahren nach umfangreicher Tätigkeit als Opernsängerin verstärkt als Sängerin des romantischen Liedrepertoires betätigt hat und aus der kleinen Form - mit nicht zu großem Ton - Großes zu gestalten versteht.
Beethovens Instrumentalbgeleitung hat in Alida Schat, Jaap ter Linden und Bart van Oort höchst kundige, versierte und sensible Sachwalter gefunden. Die Musiker produzieren auf historischen Instrumenten, zumal auf dem Fortepiano, einen samtigen, betont kammermusikalischen Klang, der sich ideal mit der Singstimme verbindet, sie gleichsam einbettet und abrundet.

Eine liebens- und hörenswerte Produktion, deren Stimmungsgehalt vielleicht gerade zum nahenden Herbst am besten passt.



Sven Kerkhoff



Trackliste
1. Hide not thy anguish
2. Come, Darby dear! easy, be easy
3. To the blackbird
4. The old strain
5. O might I but my Patrick love
6. Helpless woman
7. Thy ship must sail
8. The parting kiss
9. The dairy house
10. Musing on the roaring ocean
11. When mortals all to rest retire
12. No riches from his scanty store
13. Dim, dim is my eye
14. The fair maid of Mona
15. Thou emblem of faith
16. Love without hope
17. Sad and luckless was the season
18. The vale of Clywd
19. No more, my Mary
20. O let the night my blushes hide
21. Sweet Richard
22. Since greybeards inform us
Besetzung

Lynn Dawson: Sopran

Alida Schat: Violine
Jaap ter Linden: Violoncello
Bart van Oort: Fortepiano


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