Musik an sich


Reviews
Lehár, F. (Honeck)

Die lustige Witwe (DVD)


Info
Musikrichtung: Operette

VÖ: 18.07.2008

(medici arts / Naxos / DVD, 2007, live, Best.nr. 2056818)

Gesamtspielzeit: 145:00

Internet:

medici arts

Semperoper



ES GEHT NICHT MEHR

"Es geht nicht mehr, es geht nicht mehr", soll verzweifelt ein hoher Beamter aus dem Bundesprsäidialamt nach einer der legendären Reden Heinrich Lübkes geseufzt haben. Und ähnliches möchte man über Gunther Emmerlich sagen. Es ist traurig, wenn ein Sänger nicht weiß, wann es Zeit ist, die Bühne anderen zu überlassen. Emmerlich hat den Zeitpunkt definitiv verpasst und gibt als Baron Mirko Zeta in dieser "Lustigen Witwe" eine tragikomische Figur ab. Sein Gesang ist zu einer Art Sprechgesang verkommen, die Töne trifft Emmerlich mit der Wahrscheinlichkeit eines Sechsers im Lotto und sein Spiel ist so altbacken, dass man es schon fast wieder rührend finden kann.
Doch er ist nicht der einzige Schwachpunkt dieses Mitschnitts aus der Dresdner Semperoper. Hauptmanko ist die verunglückte Inszenierung durch Jérome Savary, dem zu dem Stück eigentlich nichts eingefallen ist. Er versucht dies durch bemühte Anspielungen auf die Jetzt-Zeit zu kaschieren: So muss der Operettenstaat Pontevedro hier als Paradabeispiel des "failed state" herhalten, der sich durch den Handel mit Kokain finanziert und ungefähr so pleite ist wie die - Achtung: witzig! - Sachsen LB. Und so weiter, und so weiter. Keines der neckischen Witzchen wird zuende gedacht, alles wird mal eben angerissen. Der Humor kommt oft mit der Brechstange daher, was nun gerade die "Lustige Witwe" weder verdient, noch überhaupt nötig hat. Und auch das Dresdner Publikum vermochte hörbar nicht, sich in der Pause derart mit Sekt vollaufen zu lassen, dass es über solch abgedroschene, peinliche Witze hätte lachen können.

Doch nicht alles ist schlecht: Im Ensemble überzeugen neben dem das böse Spiel der Regie gequält mitspielenden, aber dafür herrlich singenden Bo Skovhus als Graf Danilo, auch die freche, stimmlich frische Lydia Teuscher in der Rolle der Valencienne und Petra-Maria Schnitzer als Hanna. Letzterer hat man allerdings einen aufgesetzten, penetranten amerikanischen Akzent verpasst, was ihre Sprechtexte nahezu unerträglich macht.
Apropos unerträglich: Valenciennes Verehrer Camille wird von Oliver Ringelhahn bis zur (diesmal ausnahmsweise unbeabsichtigten) Lächerlichkeit "verknödelt", wobei das Köndeln zeitweise auch noch neben der Spur geschieht. Und Ahmad Mesgarha hat man einen derart überdrehten Njegus aufgezwungen, dass es wahlweise zum Bemitleiden oder zum Davonlaufen ist.

Einen echten Lichtblick bietet das pfiffige, transparente Spiel der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Daneben bemüht sich das unverwüstliche MDR Fernsehballett tapfer aber erfolglos, die Inszenierung durch schmissige Auftritte zu retten.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Baron Mirko Zeta: Gunther Emmerlich
Valencienne: Lydia Teuscher
Graf Danilo Danilowitsch: Bo Skovhus
Hanna Glawari: Petra-Maria Schnitzer
Camille de Rosillon: Oliver Ringelhahn
Vicomte Cascada: Christoph Pohl
Raoul de St. Brioche: Gerald Hupach
Njegus: Ahmad Mesgarha

Staatsopernchor Dresden
Sächsische Staatskapelle Dresden

Ltg. Manfred Honeck

MDR Deutsches Fernsehballett

Inszenierung: Jérome Savary


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