Musik an sich


Reviews
Ives, Ch. (Metzmacher u. a.)

Songs. Orchestral Sets (für kleines Orchester / Auswahl)


Info
Musikrichtung: Moderne Lied / Ensemble

VÖ: 06.06.2008

(EMI Classics / EMI / CD ADD/DDD 1967-1991 / Best. Nr. 2 06631 2)

Gesamtspielzeit: 79:24



FÜR FORTGESCHRITTENE

Diese Platte aus der EMI-Reihe American Classics bietet in Wiederveröffentlichungen eine anspruchsvolle Auswahl von Werken des originellsten amerikanischen Komponisten des frühen 20. Jahrhunderts: Charles Ives. Ich würde die Platte nicht gerade Einsteigern empfehlen, obwohl die Stücke für Ives Art zu komponieren durchaus repräsentativ sind. Die 13 Songs sind ja noch recht eingängig. Aber die 24 kurzen Ensemblestücke, die Ives oft für diverse Theaterorchester mit ihrem bunten Instrumentarium komponierte, sind weniger leicht zugänglich als die größeren Orchesterwerke mit ihrer „weicheren“ orchestralen Politur und der klanglichen Weiträumigkeit.
Das Collageprinzip wirkt in den zwei eingespielten Orchestral Sets für kleines Orchester – Ives komponierte derer zehn; sie sind nicht zu verwechseln mit den drei für großes Orchester – um einiges rauer und radikaler. Zumal Ingo Metzmacher und das Ensemble Modern einen ausgezeichneten Instinkt für die unterschiedliche Stilhöhe des von Ives verwendeten Materials besitzen. Märsche sind bei ihnen Märsche und Choräle Choräle. Die Tongebung ist entsprechend kernig und manchmal auch etwas schnoddrig, scheppernd und lustvoll oder eben andächtig und gediegen. Jahrmarkt und Gottesdienst verbinden sich zu ganz eigenwilligen Mischungen, die als Klangskizze etwas von der Welt, in der Ives lebte, abbilden. Oder besser: Diese Welt entsteht für die Dauer eines Stückes in den Kontrapunkten der Musik, ihren verwirrenden Rhythmen und der kompromisslosen Polyphonie, zu denen sich auch eine Singstimme gesellen kann. Henry Herford deklamiert in zwei Stücken expressiv und farbenreich, ganz auf der Höhe von Metzmachers Dirigat.

Leider hat man die Orchester-Fassung des Liedes General William Booth Enters into Heaven mit Herford bei dieser Neuzusammenstellung nicht mit aufgenommen. Immerhin findet sich im ersten Teil der CD die Klavierfassung. 1967 hat sie die Sopranistin Marni Nixon mit dem Pianisten John McCabe in ihre Auswahl von 13 Ives-Liedern aufgenommen. Nixons Stimme klingt ungewöhnlich: Sie hat mehr was von Musichall als von Oper oder klassischem Gesang. Das hohe, lebhafte und irgendwie kindliche Timbre überrascht aber auch immer wieder durch vielfältige Farben. So klingt vieles ungemein ehrlich, direkt, unangestrengt, z. B. At the River, Ann Street und Side Show.
Ives Songs sind jedoch stilistisch weit gespannt, umfassen alles vom avancierten Kunstlied über religiöse und militärische Hymnen bis hin zum kunstvollen Schlager. Manchen Stücken fehlt es bei Nixon dann doch an der nötigen Dichte, z. B. West London. Und obwohl ihre vokale Wandlungsfähigkeit bei General William Booth Enters into Heaven außer Frage steht, gewinnt das sperrige Stück nicht jene zwingende Kraft, die ich eigentlich damit verbinde. Klanglich kommt diese alte Aufnahme von 1967 übrigens sehr gut weg.



Georg Henkel



Trackliste
01The Greatest Man
02 At the River
03 Ann Street
04 Christmas Carol
05 The Swimmers (Extract)
06 West London
07 Soliloquy
08 Evening
09 Charlie Rutlage
10 Side Show
11 The Cage
12 Farewell to Land
13 General William Both Enters into Heaven
14-19 Set No.1 for Small Orchestra (No.1-6)
20 Tone Roads No.1
21 From the Steeples and Mountains
22 Tone Roads No.3
23 Set No.3 for Small Orchestra (No.1)
24 Mists
25 On the Antipodes
26 The Rainbow (So it may be!)
27 The Pond
28 The Bells of Yale, or Chapel Chimes
29 The Gong on the Hook and Ladder (Firemen's Parade on Main Street)
30 All the Way Around and Back
31 Over the Pavements
32-33 Set No.2 for Small Orchestra (No.1 & 2)
34 Aeschylus and Sophocles
35-37 Set for Theatre or Chamber Orchestra
Besetzung

Marni Nixon: Sopran
Henry Herford: Bariton

John McCabe: Klavier

Ensemble Modern

Leitung: Ingo Metzmacher


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