Musik an sich


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Mahler, G. (Dausgaard, Th.)

Sinfonie Nr. 10


Info
Musikrichtung: Romatnik Orchester

VÖ: 29.07.2016

(Seattle Symphony / Naxos / CD / AD 15 / DDD / Best. Nr. SSM1011)

Gesamtspielzeit: 71:54



POSTHUMER MAHLER

Es ist eine ausgesprochen dichte, geschlossene Interpretation von Gustav Mahlers posthum durch Deryck Cooke vollendeter Sinfonie Nr. 10, die die Seattle Symphony hier unter ihrem Gastdirigenten Thomas Dausgaard vorlegt. Nur die ersten beiden Sätze existierten bei Mahlers Tod in einer fertig instrumentierten Fassung, die übrigen drei in Particellform. Ihre Ausarbeitung und Orchestrierung hat Cooke über viele Jahre beschäftigt, das Ergebnis hat, aller Skepsis zum Trotz, seit der Uraufführung 1975 immer wieder überzeugt.

Dramaturgisch schlägt der Dirigent über das mitunter stark zerklüftete, vielfach verschachtelte Geschehen einen großen Bogen, wobei er extreme Langsamkeit vermeidet ohne zu hetzten. Die beiden ausladenden langsamen Außensätze wirken hier wie konträre Zwillinge, die die drei schnelleren Mittelsätze umkreisen. Darin eingebettet finden sich zahlreiche Solopassagen und kontrapunktische Ensembles und natürlich fehlen nicht die charakteristischen Elemente wie Walzer, Volks- und Tanzlieder, hier in mitunter fast schon collagenhafter Schichtung.

Besonders besticht die Transparenz und Klarheit, die selbst in den großen, harmonisch mitunter kühnen Aufgipfelungen waltet (zu nennen ist der berühmte Neunklang, der im ersten und letzten Satz zur erhaben-apokalyptischen Schmerzensgeste sich auftürmt). Kein pastoser, spätromantischer Klang wird hier zelebriert, vielmehr betont Dausgaard, ohne zu übertreiben und ohne grelle Zuspitzungen, die modernen Aspekte von Mahlers Partitur, die sich ausnimmt wie ein Kaleidoskop seines sinfonischen Schaffens. Gewiss hat Cooke daran seinen Anteil, denn er hat sich Mahlers Stil zu eigen gemacht und ihn gleichsam auf die vorhandenen Materialien projiziert.

Die Seattle Symphony erweist sich an allen Pulten ausgezeichnet besetzt, die anspruchsvollen Soli überzeugen durchweg - es ist eines der großen amerikanischen Orchester. Vor allem der verbindliche, warme Klang vermag zu gefallen. Der Live-Mitschnitt ist tadellos und frei von Nebengeräuschen.



Georg Henkel



Besetzung

Seattle Symphony

Thomas Dausgaard: Leitung


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