Musik an sich


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Beethoven, L. v. (Faust – Melnikov)

Sämtliche Sonaten für Klavier und Violine


Info
Musikrichtung: Klassik Kammermusik

VÖ: 14.08.2009

Harmonia Mundi / Harmonia Mundi 4 CD / DDD (& DVD) / 2006-2008 / Best. Nr. HMC 902025.27

Gesamtspielzeit: 218:0



ERFRISCHEND MUSIKALISCH

Der künstlerische Erfolg und der Anklang, den Isabelle Fausts und Alexander Melnikovs Einspielung der berühmt-berüchtigten Kreutzer-Sonate 2007 beim Publikum gefunden hat, führte folgerichtig zur Gesamteinspielung sämtlicher Sonaten für Klavier und Violine von Ludwig van Beethoven. Die beiden Interpreten vereinigen dazu die Errungenschaften der historisch informierten Aufführungspraxis mit ihrem „modernen“ Instrumentarium und einer gänzlich undogmatischen, urmusikalischen Interpretation.
Melnikov traktiert seinen Steinway so, dass die tiefen und mittleren Lagen sich nicht über Gebühr in den Vordergrund schieben und die Geige in Bedrängnis bringen. Dennoch wirkte das Instrument nicht einfach trockengelegt, sondern bei aller dynamischen und artikulatorischen Disziplin stets farbintensiv und auf den Punkt.
Isabelle Faust gestaltet ihren Part mit einem klaren, apart angeschärften Ton, der prägnante Gestik mit Geschmeidigkeit verbindet (Freunde des Vibratos könnten den geraden Klang freilich auch etwas wenig persönlich finden). So irritiert – gerade bei dieser sich manchmal vulkanisch gebärenden Musik - nicht jene kühle Distanz, die die kürzlich erschienene Aufnahme von Hiro Kusoaki und Linda Nicholson charakterisiert (Accent). Trotz authentischer Instrumente wirkt deren Einspielung zwar makellos, im Ganzen aber recht steril, vielleicht gerade deshalb, weil die Interpreten vom historischen Standpunkt zwar alles „richtig“ machen, sich aber zu sehr auf die technische Seite konzentrieren.

Faust und Melnikov zeigen mit der Einspielung aller zehn Sonaten, dass sie auch für die weniger extremen Kompositionen Beethovens ein untrügliches Gespür besitzen. Aber was heißt bei diesem Komponisten schon „weniger extrem“? Auch die früheren Stücke, mit denen Beethoven nicht zuletzt sein Wiener Publikum als Komponist und Pianist gewinnen wollte, sind einfallsreich und vielschichtig, spielen mit Hörerwartungen und überraschen durch ergreifende Zartheit und launigen Humor.
Diese Facetten bringen Faust und Melnikov heraus. So ist ein untrügliches Zeichen für die hohe Kunst der Interpretation dieser Musik ihre Fähigkeit, den Hörer in jedem Augenblick zu fesseln und für die Musik zu begeistern, ohne zu forcieren. Sie entfaltet sich ganz spontan und natürlich. In diesen gut dreieinhalb Stunden Kammermusik gibt es nicht einen Moment der Material- oder Hörerermüdung. Vielleicht weil Faust und Melnikov nicht nach einer letzten, sondern einer lebendigen, im wahrsten Sinne zeitgenössischen Deutung suchen (und dabei offen für Veränderungen sind, wie Faust in einem Interview äußert). Diese uneitle, aber selbstbewusste Herangehensweise klingt im Ergebnis einfach sehr erfrischend.

In Zeiten der Download-Euphorie ist es schön, wenn eine wertige Aufmachung die Lust auf klassische Tonträger wach hält. Doch dieses Mal hat man des Guten zu viel gemacht. Die CDs werden leider in einer umständlichen zu öffnenden Klapp-Packung angeboten. Ins Zentrum wurde das Beiheft fest eingeklebt, so dass es praktisch unbenutzbar ist. Dafür kann man auf der Rückseite von CD 4 die Produktion der Kreutzer-Sonate auf der DVD-Schicht im Film verfolgen.



Georg Henkel



Trackliste
CD 1: Sonaten op. 12, Nr. 1-3
CD 2: Sonaten op. 23, 24 und 96
CD 3: Sonaten op. 30, Nr. 1-3
CD 4: Sonate op. 47 „Kreutzer“ & DVD
Besetzung

Isabelle Faust: Violine
Alexander Melnikov: Klavier


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