Musik an sich


Reviews
Foster Jenkins, F. (Collup)

Florence Foster Jenkins. A world of her own


Info
Musikrichtung: Gesang Dokumentation

VÖ: 22.08.2008

(VAI / Codaex / DVD 2007 / Best. Nr. 4431)

Gesamtspielzeit: 89:00



FOTOSTRECKE

Diese Dokumentation ist das Werk eines echten Fans. Donald Collup lässt das Leben der wohl bizarrsten Sopranistin der Schallplattengeschichte Revue passieren: Florence Foster Jenkins. Die wenigen Aufnahmen der Dame sind inzwischen mehrfach auf CD nachgepresst worden, u. a. preiswert bei Naxos. Foster Jenkins Ruhm gründet sich auf diese wenigen Juwelen eindrucksvoll unterirdischer Gesangskunst, in denen alles mit großer Hingabe neben der Spur, übersteuert, unverstanden und überhaupt so herrlich schrecklich klingt, dass man aus dem entgeisterten Lachen nicht herauskommt. Ich verweise nur auf die entsprechende Rezension unter dem Naxos-Link.
Dass hinter der Opern-Trash-Ikone eine muskialisch gebildete und ungemein umtriebige Persönlichkeit des amerikanischen Kulturlebens steckt, offenbart Collups Film, der sichtlich bemüht ist, jedes noch so kleine Detail aus dem Leben Jenkins zu vermitteln und sie nicht mutwillig der Lächerlichkeit preiszugeben. Dabei ist er auf seine Sammlung unzähliger SW-Fotografien angewiesen. Bewegte Bilder gibt es nämlich nicht aus dem Leben der Diva.

Die Dokumentation hat darum etwas von einer ambitionierten Power-Point-Präsentation mit Texten und Klängen aus dem Off. Das ist zunächst etwas mühsam zu gucken, aber mit der Zeit vergisst man die medialen Begrenzungen und taucht ein in die pretentiöse Musikwelt einer amerikanischen Society-Lady, die Vorsitzende und Mitglied in so ziemlich jedem musikalischen Club Amerikas gewesen zu sein scheint, bis sie schließlich selbst als Gründerin des Verdi Clubs in Philadelphia ein Instrument zur Verwirklichung ihrer Opern-Träume geschaffen hatte.
Von Haus aus pianistisch wie sängerisch vorgebildet, trat Jenkins zunächst vor allem als Hauptdarstellerin von tableaux vivants auf, in denen berühmte Opernszenen dargestellt wurden. Köstlich sind die Bilddokumente, auf denen die nicht gerade schlanke Florence zwischen ebenfalls recht fülligen, mitunter seltsam viril anmutenden Damen erscheint, oft in bizarrer Kostümierung als Brünhilde oder Elsa oder Engel. Überhaupt: die Mode! Was man hier an Einblicken in die oft wenig schmeichelhafte Damenbekleidung und Friseur-Kunst der 20er bis 40er Jahre des 20. Jahrhunderts bekommt, ist schon irre.
Florence Eltern wie auch der erste Ehemann hatten ihr aus guten Gründen von einer Gesangskarriere abgeraten, aber die Dame ließ sich nicht beirren, auch nicht von Schmähungen und schlechten Kritiken: „Die Leute können vielleicht behaupten, dass ich nicht singen kann, aber niemand kann behaupten, dass ich nicht gesungen hätte.“
Nun, ihre Auftritte vor exklusivem Publikum, das sich bei ihren üppig kostümierten Auftritten königlich amüsierte, sind legendär. 1944 trat sie dann im Alter von 76 Jahren endlich ein einziges Mal in der Carnegie-Hall auf – ein schräger Pop-Event, die Karten kosteten auf dem Schwarzmarkt astronomische Summen. Kurz darauf starb sie. Was blieb, waren die wenigen Tonaufnahmen und offensichtlich genügend Fotos, um ihr Leben als Bilderbogen zu präsentieren.

Der umfangreiche, mit viel Liebe gänzlich ohne Ironie gemachte Film entspricht kaum ihrer geringen musikalischen Bedeutung, versteht es aber, das kulturelle Phänomen Florence Foster Jenkins verständlich zu machen. Leider gibt es keine Untertitel – wenngleich das Englisch gut verständlich ist.
Von einem Fan für Fans.



Georg Henkel



Trackliste
keine Untertitel, keine Extras
Besetzung

Regie: Donald Collup



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