Musik an sich


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Verdi, G. (Mehta)

La Traviata


Info
Musikrichtung: Ital. Oper

VÖ: 10.06.2006

Farao Classics (2 SACD (AD: 2006, live) / Best.nr. S 108070)

Gesamtspielzeit: 121:24

Internet:

Farao Classics

Piotr Beczala



EINWECHSELUNG

Dass Einwechselungen von der Ersatzbank dem Spiel oft erst den rechten Schwung verleihen, ist uns seit der Fusball-WM ja bestens vertraut. Aber ein solch gelungener Griff, wie er im März 2006 der Bayerischen Staatsoper gelang, ist selten und man kann von Glück sagen, dass das Label Farao Classics diesen ganz besonderen Moment live mitgeschnitten hat.
In der Titelrolle sprang kurzfristig die jetzt 34jährige Anja Harteros ein. Ihre Violetta ist ein Gesamtkunstwerk von höchster Überzeugungskraft. Harteros gelingt das Wunder, all die vielen Facetten dieser komplexen Figur in ihrer Stimme nicht nur aufscheinen zu lassen, sondern sogar noch zu verstärken. Man braucht keine Bühnenaktion zu sehen, wenn man ihr zuhört, denn etwas, das über das Gehörte hinausginge, ließe sich schwerlich darstellen. Dabei sind ihre Seufzer und Klagen, ihre hinausgeschriene Verzweiflung und ihr liebevolles Schwärmen nie theatralisch übertrieben. All das wirkt herrlich jung und natürlich und gerade deshalb so anrührend. Hinzu kommt eine helle, auch in der Höhe brillant kraftvolle Sopranstimme von großer Strahlkraft.

An ihrer Seite agiert der - ebenfalls eingesprungene - polnischstämmige Tenor Piotr Beczala deutlich überzeugender, als noch in der Züricher Inszenierung (vgl. Rezension bei MAS). Zwar steigt er wiederum mit einem gewissen Hang zur stimmlichen Übertreibung in die Partie ein, singt sich dann aber schnell frei und präsentiert einen sehr emotionalen, stimmgewaltigen Alfredo. So werden die Szenen, die Violetta und Alfredo gemeinsam absolvieren, zu einem Fest der Stimmen, das sich nicht in leerem Wohlklang erschöpft.

Dankbar wäre man, wenn es Paolo Gavanelli in der Rolle von Giorgio Germont, Alfredos Vater, gelungen wäre, auch nur ansatzweise einen solchen Wohlklang zu produzieren. Der erfahrene Bariton überzieht hier die durchaus differenziert zu gestaltende Figur des Vaters mit einem salbungsvollen, zudem engen und gequetschten Ton, wie man ihn bisweilen bei schlechten Sarastro-Darstellern findet.

Die Aufnahme bezieht, neben der überragenden Leistung der Protagonisten, ihren Reiz ganz wesentlich auch aus dem Dirigat Zubin Mehtas, der mit Pfiff und dramatischem Gespür eine musikalische Sogwirkung zu entfesseln weiß, die fernab jeder Routine liegt. Der Orchesterklang wurde dabei trocken, mit leichter Überpräsenz des Schlagwerks eingefangen.
Die Klangqualität der SACD ist aber, mit den üblichen Abstrichen bei Live-Aufnahmen (Hustenzeit in München...), insgesamt nicht zu beanstanden.

Fazit: Ein großer Opernabend, der für alle, die ihn verpasst haben, nun dauerhaft greifbar ist.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Violetta: Anja Harteros
Alfredo: Piotr Beczala
Giorgio: Paolo Gavanelli
Annina: Helena Jungwirth
u.a.

Bayerisches Staatsorchester
Chor der Bayerischen Staatsoper

Ltg. Zubin Mehta


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