Musik an sich mit-bester-empfehlung.com - Webkatalog - TopNews - Linktausch - Onlinespiele - Mahjongg - Solitaire - Puzzle - Mahjong - Blumen - Singlebörsen


Reviews
Kiesewetter, P. (Ensemble Bereshit)

Bereshit


Info
Musikrichtung: Neue Musik Oratorium

VÖ: 01.07.2005

Cavalli Records / Note 1
CD DDD (AD live 2001) / Best. Nr. CCD 432




KRAFT DER WORTE – MACHT DER MUSIK

Bereshit – mit diesem Wort beginnt die Bibel: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“. Der 1945 geborene Komponist Peter Kiesewetter hat für seine 1995-1996 komponierte Azione Sacra gleichen Titels allerdings das erste Kapitel mit dem klassischen Schöpfungsbericht wegen der „wahrhaft überirdischen Ausmaße“ des kosmischen Geschehens ausgelassen und sich auf wesentliche Teile der Kapitel 2-11 beschränkt: den Weg des Menschen vom Sündenfall über die Vertreibung aus dem Paradies, den Brudermord, die Sintflut bis zum spektakulären Turmbau zu Babel und der Verwirrung der Sprache. Als Einleitung und „Zwischenspiele“ zu den biblischen Berichten fungieren Benediktionen aus dem jüdischen Morgengebet.

„Das Intervall ist nicht nur Material, sondern Erlebnisgröße,“ bringt Kiesewetter seine musikalischen Überzeugungen auf den Punkt. Das ist eine klare Absage an einen unverbindlichen Materialfetischismus und die Anerkennung der ‚Macht der Musik’ in ihren elementaren melodischen Klang-, Gestalt- und Ausdrucksqualitäten. Dass diese Macht durchaus ambivalent ist, wusste schon der hl. Augustinus. Die Hymnen der frühen Kirche rührten ihn zu Tränen – und ließen ihn zugleich daran zweifeln, ob es vor allem die bewegende Kraft der gesungenen heiligen Worte, oder nicht doch „nur“ die herrlichen, von schönen Stimmen vorgetragenen Melodien waren, die ihn so erschütterten.

In Bereshit dominiert der Text über die Musik, die in der Hauptsache der expressiven und klangmalerischen Verdeutlichung der Worte dient. Bei dem dreistündigen, aus 17 Einzelsätzen bestehenden Zyklus handelt es sich im Grunde um ein heterophon aufgefächertes einstimmiges Werk, bei dem die Kernstimme von den Instrumenten umspielt wird. Süße Melodien und rauschende Orchesterfarben wird man vergebens suchen. Geschult an der Gregorianik, bevorzugt Kiesewetter meist einfache melodische Formeln mit klarer Intervallstruktur. Der Text ist zwei Sängerinnen und Zuspielstimmen vom Tonband im hebräischen Original anvertraut. Ein Begleitensemble aus zwei Violen, zwei Zittern und diversem Schlagzeug sorgt für ein sparsames, dabei ausdrucksstarkes Kolorit. Vorherrschend ist ein stark deklamatorischer Duktus: Es tönt rhythmisch und gestisch markant, in Klangfarbe und Artikulation stets nah am Wort.
Das klingt, trotz einer gewissen Archaik und orientalisierender Anklänge, keineswegs nach weltmusikalischem Eintopf oder heimelig angerauter Gregorianik. Das ist in seiner klanglichen Schroffheit auch weit entfernt vom meditativen Weichspülerklang neuer geistlicher Lieder oder beruhigender „Tintinnabulismen“ à la Arvo Pärt. Wenn sich ein Vergleich aufdrängt, dann ist es Carl Orff und dessen Suche nach einer neuen, ganz aus dem Wort geborenen, dramatischen, ja theatralischen Musik!

Das Ergebnis überzeugt: Bei Kiesewetter ragt das biblische Geschehen um den Anfang der menschlichen Unheils- und der göttlichen Heilsgeschichte in seiner ganzen kosmischen Wucht auf. Die litaneiartigen Wiederholungen, die konzentrierten, aber sprechenden Motive des Instrumentatriums, der Wechsel von lakonischer Sprech- und emotionell aufgeladener Singstimme und nicht zuletzt die spürbare Spannung des insgesamt ausgezeichneten Livemitschnitts sorgen dafür, dass man unwiderstehlich in das Drama zwischen Götterwesen und Menschenkindern hineingezogen wird. Vom „lieben Gott“ ist da weder biblisch noch musikalisch die Rede: Bereshit reicht auf der Klang- und der Textebene in ältere, mythischere religiöse Schichten und kultische Traditionen hinein.

Das Booklet enthält die Texte im transkribierten Original und deutscher Übersetzung; allerdings erschweren die etwas inkonsequente Einteilung der Tracks und die unterschiedliche Nummerierung der Abschnitte im Libretto und auf dem Cover die Orientierung.



Georg Henkel



Besetzung

Ensemble Bereshit:

Adelheid Maria Thanner, Martina Koppelstetter (Gesang)
Caroline Fink, Adelheid Maria Thanner, P. Kiesewetter (Sprechstimmen)
Georg Glasl, Leopold Hurt (Zither)
Kelvin Hawthorne, Gunter Pretzel (Viola)
Tobias Kästle, Rudolf Bauer (Schlagzeug)
Egino Klepper (Klangregie)



 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>