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Reviews
Händel, G.F. (Malgoire)

Agrippina (DVD)


Info
Musikrichtung: Barockoper

VÖ: 24.06.2004

Dynamic / Klassik Center Kassel (2 DVD (AD: 2003) / Best. Nr. 33431)

Gesamtspielzeit: 172:00

Internet:

Dynamic



GÖTTLICHER NERO

Händels 1709 uraufgeführte Oper "Agrippina" brachte ihm den Durchbruch in England. Dabei ist das Libretto aus der Feder Vincenzo Grimanis keineswegs sonderlich originell: Nachdem sie (fälschlicherweise) Kunde vom Tod des Kaisers Claudius erhalten hat, versucht dessen Gattin Agrippina, ihren halbwüchsigen Sohn Nero auf dem Thron zu platzieren. Als dies schon fast gelungen erscheint, trifft der Bericht von der Rettung und vom Überleben des Claudius ein. Dieser verdankt sein Leben dem Feldherrn Ottone, den er zum Dank als seinen Nachfolger ausersehen hat. Agrippina spinnt ein Netz von Intrigen, um eine solche Thronfolge zu verhindern und verleumdet Ottone zu diesem Zweck auch bei dessen Geliebter, Poppea. Zwar fliegt die Intrige auf, letztlich verzichtet Ottone aber selbst auf den Thron, weil er sich ganz der Liebe zu Poppea widmen will. Nero wird zum neuen Cäsar erhoben.

Händel hat das ganze Füllhorn seines Genies über diese Geschichte ausgeschüttet und zeichnet die Charaktere mit großer Genauigkeit. Sein melodischer Erfindungsreichtum und seine musikalische Affektsprache verleihen dem Werk trotz dessen Länge größtmögliche Kurzweiligkeit.
Dass es dennoch nicht leicht fällt, einen solchen Stoff heute zu inszenieren, wird an dieser Aufführung, die im Stadttheater von Tourcoing (Frankreich) mitgeschnitten wurde, überdeutlich. Weder Regisseur, noch Kostüm- oder Bühnenbildner wußten mit dem Stoff etwas anzufangen. Die Figuren bewegen sich oftmals recht verloren auf der Bühne. Zu ihren teils barock anmutenden Kleidern hat man ihnen knatschbunte Perücken und ähnliche Accessoires verordnet und sie damit zu albernen Kasperlefiguren degradiert, ohne dass dies inhaltlich besonders viel Sinn machen würde. Das Bühnenbild, bestehend aus eher abstrakten Elementen, ist nüchtern bis schlicht. Gelungen erscheint einzig der Einfall, im Hintergrund wechselnd stumme Figuren agieren zu lassen, mal wie lebendige Statuen, mal wie gebannte Zuschauer.
Da zudem die Bildqualität der DVD zu wünschen übrig läßt und die Kameraführung absolut einfallslos wirkt, tut man gut daran, sich auf den musikalischen Eindruck zu konzentrieren; insoweit sei am Rande erwähnt, dass die Produktion auch als CD erhältlich ist...

Beim musikalischen Grundkonzept bleibt Jean-Claude Malgoire seiner Linie treu: Sein Händel ist stets sehr edel und kultiviert, aber deshalb auch recht blutarm. Die Phrasierungen und dynamischen Abstufungen herauszustellen, wie mancher Kollege aus der Schule der hsitorischen Aufführungspraxis es tut, ist Malgoires Sache nicht. Damit geht einiges an Möglichkeiten verloren und die Zeichnung der Figuren bzw. ihrer Emotionen bleibt blass. Malgoires eher lyrisch zu nennender Ansatz wird Händels Musikdramen nie ganz gerecht.
Die Sänger versuchen teilweise, dagegen anzukämpfen. Und mitunter gelingt ihnen dies sogar ganz ausgezeichnet. Gewohnt souverän und mit eher samtigem Sopran agiert in der Titelrolle dabei Véronique Gens. Sie gestaltet die Figur der Agrippina differenziert und mit Mut zum stimmlichen Experiment. Zwar ziert sie die Gesangslinien nicht sonderlich stark aus, bietet aber in den Koloraturen einen Farb- und Gestaltunsgspielraum, der seinesgleichen sucht.
Zum wirklichen Star der Einspielung avanciert der Countertenor Philippe Jaroussky. Seine Stimme ist stets weich und rund, ähnelt eher der einer Mezzosopranistin. Das bei diesem Stimmtypus sonst so oft zu hörende Näseln bleibt hier gänzlich aus. Auch in den Höhen gelingt Jaroussky noch eine perfekte Tongebung. Die Weichheit der Stimme, das jugendliche Äußere des erst 26 Jahre alten Sängers und seine linkischen Bewegungen auf der Bühne sind perfekt geeignet, das Bild des halbwüchsigen, verwöhnten Muttersöhnchens Nero zu zeichnen, der alles tut, um an die Macht zu kommen. Und in den ausladenden Arien des 3. Aktes ("Coll´ardor del tuo bel cor" bzw. "Come nube che fugge dal vento") brennt Jaroussky ein wahres Feuerwerk der Sangeskunst ab, das ihn an die Spitze seines Fachs katapultiert und eindrucksvoll beweist, dass seine Stimme ohne weiteres bühnentaugliches Volumen hat.

Auch unter den übrigen Akteuren ist das Niveau teilweise erfreulich hoch. Besonders gilt dies für die Sängerin der Poppea, Ingrid Perruche. Mit ihrem schlanken, ungemein beweglichen und silbrig-glänzenden Sopran schafft sie einen idealen Kontrast zu ihrer Gegenspielerin und zeigt sich in der Affektdarstellung meisterhaft.
Mag der Bariton Nigel Smith es als Kaiser Claudius auch bisweilen mit der Kraftmeierei übertreiben, liefert doch auch er eine beachtliche Leistung ab. bewältigt seine Partie gleichfalls fehlerlos.
Enttäuschend demgegenüber der zweite Altus Thierry Grégoire als Ottone. Neben mancher Intonationsschwäche wirkt er durchgehend kraftlos und kurzatmig. Den Anforderungen, die die Koloraturen stellen, zeigt er sich nicht immer gewachsen. Nicht ganz zu überzeugen vermag schließlich auch der Sopranist Fabrice Di Falco. Ihm bereitet die Tongebung hörbar Mühe.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Agrippina: Véronique Gens, Sopran
Nerone: Philippe Jaroussky, Altus
Poppea: Ingrid Perruche, Sopran
Claudio: Nigel Smith, Bariton
Ottone: Thierry Grégoire, Altus
Pallante: Bernard Deletré, Bass
Narciso: Fabrice Di Falco, Sopran
Lesbo: Alain Buet, Bass

Le Grand Ecurie et la Chambre du Roy

Ltg. Jean-Claude Malgoire

Regie: Frédéric Fisbach



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