Musik an sich


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Bericht vom Southside-Festival 2003

Fr. 20.06.03 18:00 Union Youth
Aus einem netten Städtchen namens Bad Bentheim kommend, zogen sie aus, um Southside und Hurricane zu beglücken. Und von beglücken kann sicherlich die Rede sein, denn als eine der Bands, die das Southside beginnen lassen, machen sie dies auf sympathische und eindrucksvolle Weise. Man wundert sich, dass diese Jungens erstens aus dem Heimatland der Besucher kommen und sich zweitens noch in einem frühen Stadium des Alterungsprozesses befinden. Einige Songstrukturen lassen kurz das Wort "Nirvana" im Bewusstsein aufflackern, doch durch Union Youths eigene Art verschwindet der Gedanke, obwohl er sicherlich berechtigt im Hinterkopf verweilen kann. 
JA

Fr. 20.06.03 19:45 Grandaddy
Nach einer Portion Wartezeit darf man sich für Grandaddy bereit machen. Bedauerlicherweise schleicht sich anfangs das Gefühl ein, dass diese Musikkapelle ihren Namen zu Recht trägt, denn besonders abwechslungsreich klingt die Musik in meinen Ohren nicht. Nichtsdestotrotz berührt die Stimme des Sängers Jason Lytle einen Teil in meinem Gehirn, der Ruhe, Geborgenheit, Glück und Entspannung auslöst. In späteren Teilen ihres Sets scheint mehr Spielfreude aufzukommen, was auch das Publikum eher anspricht und zu schlumpfigen Getanze anregt.
JA

Fr. 20.06.03, 20:15 Counting Crows
Die Counting Crows bestechen bei ihrem Festival-Auftritt in vielerlei Hinsicht. Neben dem äußerst sympathischen Sänger, der eine sehr positive Ausstrahlung verbreitet, beeindruckt mich vor allem die technisch saubere Spielweise der kompletten Band. Die häufigen Instrumentenwechsel gestalten alles sehr interessant. Einsätze von Kontrabass, Orgel und weiterer Instrumente sind nicht nur abwechslungsreich, sondern auch musikalisch sinnvoll, um die verschiedenen Stimmungen in der melodischen Musik der Counting Crows auszudrücken. Gewohnt gekonnt finden sie den richtigen Weg zwischen Rock und Pop. "Mr Jones" ist für mich das Highlight.
KK

Fr. 20.06.03 21:15 Slut
Die sympathischsten Bayern, die mir so bekannt sind, erwartet ein sehr volles Zelt, welches gespannt auf den bunten Musikreigen der genannten Band wartet. Enttäuscht haben sie wohl keinen, denn sie schütteln ihren musikalischen und menschlichen Charme lässig aus dem Ärmel über die Menge und begeistern mit alten wie neuen Songs von "Nothing Will Go Wrong". Dem geneigten Slut-Konzert-Besucher sollte mitgeteilt werden, dass er sicherheitshalber vor diesem Ereignis eine Lebensversicherung abschließt, bitte. Man könnte durch das freudige, tobende Publikum Schaden davontragen. Wohl nur eine weitere Umschreibung für den energischen Auftritt.
JA

Fr. 20.06.03 21:45 Underworld
Die House-Veteranen aus London liefern zweifelsohne eine tolle, Energie geladene Show ab. House live vor Tausenden von Menschen ist ungewöhnlich und es ist sicher auch schwer, doch Underworld gelingt es mühelos die Masse zu begeistern. Unterstützt von einer guten Lichtshow flippen spätestens bei "Born Slippy" fast alle aus. Karl Hyde springt meistens affenähnlich über die Bühne. Beängstigend fand ich jedoch, dass er auch zwischen den Songs, wenn Rick Smith gerade Pause macht, genauso weiter springt. Auch wenn seine Gitarreneinsätze sporadisch und fast überflüssig sind, mag ich seine Stimme.
KK

Fr. 20.06.03 23:30 Radiohead
Zu Radiohead muss man wohl nicht allzu viel sagen. Von Presseleuten und zahlreichen Musikliebhabern immer wieder mit dem Etikett "beste Band der Welt" behaftet, ist es sicher nicht leicht, die Erwartungen zu erfüllen, doch dass es möglich ist, beweisen die Engländer. In erster Linie präsentieren sie natürlich das neue Album "Hail to the Thief". Ich möchte eigentlich nicht in die übertriebenen Lobeshymnen der Musikjournalisten mit einstimmen, doch war es einfach nur beeindruckend. In sämtlichen Kritikpunkten haben mich die Jungs überzeugt. Der Sound war klasse, wobei der Bass mir besonders gut gefiel. Darauf bauten sich oftmals verspielte und experimentelle Gitarrenarbeit auf. Besonders, wenn auch noch Thom Yorke zur Gitarre greift, ist der Sound von drei Gitarren bestechend. Die Möglichkeit ist so nicht gegeben, all die Gitarrenspuren zu hören, die auch auf der Platte sind.
Vor allem bei der ersten Single "There There" begeistern mich die beiden Trommel schlagenden Gitarristen. Ansonsten steht natürlich die Stimme Thom Yorkes im Vordergrund. Auch die elektronischen Parts werden bestens umgesetzt. Neben den neuen Tracks spielt "die beste Band der Welt" auch älteres Material. Stücke wie "Karma Police" und "Paranoid Android" aus den "OK Computer"-Zeiten sind für mich große Highlights.
Es fällt mir schwer, all die tollen Eindrücke auf Papier zu bringen, dich ich dort gesammelt habe, aber glaubt mir einfach, dass es der absolute Wahnsinn ist, Radiohead live zu erleben.
KK

Sa. 21.06.03 13:20 Kettcar
Die Spielzeug-Freunde aus Hamburg kommen mit einem Programm um die Ecke, das sich im Schleudergang gewaschen hat. Die Umsetzung der Songs fällt etwas rockiger als auf dem Album aus, was definitiv gefällt. Dargeboten werden unter anderem Wundertüten wie "Ausgetrunken", das den Anfang des musikalischen Festtagsessen macht, "Im Taxi weinen", "Landungsbrücken raus", "Latten messen" und auch "Money Left to Burn". Die sympathische Truppe um Ex-…But Alive-Sänger Marcus Wiebusch lässt einen Zustand des Glücks und der Freude in Zuschauern wie mir aufkommen.
JA

Sa. 21.06.03 13:50 Danko Jones
Danko Jones, der nach dem Frontmann benannte Dreier aus Kanada bezeichnet sich selbst als Retter des Rock'n'Roll. Textlich geht es bekanntermaßen zu 99% um Sex. Bisher habe ich Danko Jones eigentlich immer sehr gemocht und über die Texte konnte ich bisher schmunzeln, doch live fand ich es irgendwann nicht mehr so toll. Das Gelaber vom Frontmann nervt einfach und kann nicht wirklich als Spaß verstanden werden. Ernst kann ich es aber genauso wenig nehmen und daher wirkt es lächerlich auf mich. Musikalisch finde ich Danko Jones weiterhin klasse, doch ein sympathischer Auftritt war es nicht.
KK

Sa. 21.06.03 15:00 Therapy?
Nach einem mehr oder weniger kleinen Besetzungswechsel sind Therapy? aus Belfast wieder zurück. Ich erinnere mich noch daran, dass ich, als ich kleiner war, oft vorm Plattenregal stand und viele Male eine Therapy?-Platte kaufen wollte, aber das Taschengeld nie richtig gereicht hat (jaja, früher eben). Eine Zeit lang hatte ich Therapy? nicht mehr beachtet, doch war es toll für mich, die Band nun zu sehen. Druckvoll wie bekannt legen die Nordiren eine sehr gute Show hin. Interessant fand ich den Drummer, der sehr ungewöhnlich spielt. Was er macht, ist oft überraschend, aber manchmal leider, so finde ich, auch nicht unbedingt passend, aber auf alle Fälle interessanter als ein langweiliger Standard-Rhythmus. Zudem habe ich mich über den Einsatz eines E-Cellos (wenn das der richtige Begriff ist) gefreut.
KK

Sa. 21.06.03 16:20 Starsailor
Das Wetter vermittelte irgendwie eine falsche Atmosphäre für eine Band wie diese. Schon beim Namen kommen doch Assoziationen zu Sternen, Dunkelheit, laue Sommernächte mit Wunderkerzen auf. Stattdessen war da der Uhrzeit angemessener, erbarmungsloser Sonnenschein. Dennoch sorgen die emotionalen und rührend-schönen Songs irgendwie für eine Stimmung der Friedlichkeit. Sterntaler wie "Alcoholic", "Lullaby", "Poor Misguided Fool" und "Good Souls" laden Kenner und vor allem Kennerinnen zum Mitsingen ein. Des Weiteren stellen sie neue Werke ihres in Zukunft erscheinenden neuen Albums vor.
JA

Sa. 21.06.03 17:40 Turbonegro
Der Turboneger aus Oslo ist eine der Hauptattraktionen. Die Kult-Band ist wieder zurück und im Moment, wie man überall merkt, sehr angesagt. In erster Linie stellen die Norweger ihr neues Album "Scandinavian Leather" vor, was auch bestens glückt. Der Auftritt ist nicht mehr ganz so verrückt wie letztes Jahr auf dem Bizarre-Festival. Vor allem manche Aussagen Hanks vom letzten Jahr habe ich nicht unbedingt vermisst, auch wenn man letztes Jahr vielleicht noch lachen konnte. Durchgehend spielen die Death-Punks eine große Show, die nie langweilig wird. Technisch wird alles sehr sauber aber druckvoll gespielt. Turbonegro sind einfach Kult und das zu Recht. 
KK

Sa. 21.06.03 19:00 Millencolin
Millencolin sind sowohl von Danko Jones, als auch von Turbonegro wärmstens empfohlen worden. Das hat mich zunächst verwundert, da ich nicht erwartet hatte, dass Millencolin von diesen Bands so anerkannt würde. Es sollte das zweite Mal sein, dass ich Millencolin sehe und genauso das zweite Mal, dass ich sehr enttäuscht wurde. Millencolin haben sicher einige fantastische Songs geschrieben, aber nun bin ich überzeugt worden, dass sie keine gute Live-Band sind. Sie spielen auch viele der älteren Songs, doch wirken sie auf mich wie eine unbegabte Cover-Band ihrer selbst. Der Sound ist breiig und auch die Vocals lassen zu wünschen übrig. Würde man nicht alle Songs kennen, würde man sich umdrehen und gehen, so meine ich zumindest. Alles wird zwar schneller gespielt, doch dennoch nicht härter, sondern nur abgehackter. Einzig "Kemp" fand ich gut umgesetzt, doch ansonsten bin ich keineswegs überzeugt.
KK
[Laie JA sagt: Meiner Meinung nach keine schlechte Show, in einer Art mitreißend. "Kemp" war schon toll.]

Sa. 21.06.03 21:30 Röyksopp
Die nächsten Skandinavier, um genau zu sein: Norweger, bitten zum elektronischen Tänzchen. Nicht mehr ganz zur Tanztee-Zeit lassen sich viele darauf ein, die logische Konsequenz eben ein volles Zelt. Soundmäßig klingt alles klar und deutlich, dennoch klingen einige Songs von ihrer Grundstruktur her beliebig, könnten noch weiter ausgebaut und detailfreudiger sein. Bekanntere Liedsträußchen wie "Poor Leno", "Remind Me" und die neue Single "Eple" machen aber Freude und retten das durchwachsene Set.
JA

Sa. 21.06.03 23:45 Coldplay
Einer der Höhepunkte vorneherein versprechen Coldplay zu sein. Durch ihre liebenswerte, unaufdringliche Art und fantastische Songs haben sie sich bekannt gemacht. Die Schönheit gepaart mit Melancholie ihrer Songs präsentieren sie auch heute. Sänger Chris Martin buhlt um die Gunst des Publikums mit seinen wenigen Deutsch-Kenntnissen und man versucht sich an "Alle meine Entchen". Die bekannten Singles "Yellow", "Don't Panic", "Trouble", "In My Place", "The Scientist", "Clocks", "God Put a Smile upon Your Face" sind der Masse textlich bekannt und es wird sowieso animiert, mitzusingen. Die weiteren Album-Tracks bleiben im Ohr und in der Erinnerung, wie zum Beispiel "A Rush of Blood to the Head". Schließlich sind Coldplay auch für mehrere Zugaben zu haben. In allem ein sehr gelungener Auftritt. 
JA

Sa. 21.06.03 01:00 Sigur Rós
Sigur Rós ist für mich eine der wichtigsten, interessantesten und wegweisendsten Bands. Die Isländer spielen die Gitarre mit einem Geigenbogen und lassen sich von exzellenten Streichern begleiten. Von der aktuellen Platte () werden nur zwei Stücke zum Besten gegeben. Das finde ich besonders spannend, da man sich so in etwas andere Klangsphären ziehen lassen kann, als man sie schon von der bestechenden Platte kennt. Mit dem Bass als Grundstock verbinden sich packende Keyboard-Sounds mit der beschriebenen Gitarre und den Streichern zu einem einzigartigen Klangbild. Auch das sehr ruhige Schlagzeug ist beeindruckend und nicht zu vergessen ist natürlich die tolle Stimme. Sigur Rós ist live wirklich ein Erlebnis, das einen auch wirklich in alle Melancholie berührt.
KK

So. 22.06.03 12:00 Blackmail
Trauriger- und unverschämterweise müssen die Koblenzer Blackmail ein Dasein um 12 Uhr am Sonntagmorgen fristen, was sie sicherlich nicht verdient haben. Denn mittlerweile sollte jeder erkannt haben, welches Potenzial und Talent diese großartige Band besitzt. Bemüht um Stimmung zu dieser unchristlichen Uhrzeit spielen sie dennoch und man bekommt grandiose Songs wie "Same Sane", "Ken I Die" und "It Could Be Yours" zu hören. Zudem finde ich die Stimme und die Ausstrahlung des Sängers Aydo Abay beeindruckend.
JA

So. 22.06.03 13:50 The Datsuns
Wuhu, wer bei diesen neuseeländischen Burschen noch zögert, einen Blumenstrauß für Rock zu schenken, dem kann wohl nicht mehr geholfen werden. Energisch, kraftvoll und laut kommen sie zur Tür herein und spielen mitreißende Songs. Eine Auswahl derer wären "In Love", "MF from Hell", "Freeze Sucker" und "Harmonic Generator". Da wird gesprungen, ob vor oder auf der Bühne. Manches erinnert an AC/DC ohne Gitarrensoli, nur besser. Bitte spielen Sie weiter.
JA

So. 22.06.03 15:05 Interpol
Interpol haben den Retro-Sound komplett verinnerlicht. Gibson-Gitarren und ein Rickenbacker -Bass werden traditionell von Fender-Amps verstärkt. Die gesamte Spielweise und der sehr einzigartige Stil sind unverwechselbar. Interpol verarbeiten zahlreiche geniale Ideen in ihrer Musik, wobei einen die Stimme stets direkt anspricht. In Einheitsanzüge gekleidet, ist die Band zudem auch noch äußerst sympathisch. Echt sehenswert!
KK


So. 22.06.03 17:00 NoFX
Keine Band dieser Welt labert mehr als NoFX. Hätte Fat Mike nur halb so viel geredet, wäre noch Platz für ca. 5 Songs mehr gewesen, aber das ist eben NoFX. Die Jungs und Mädels beim Pogo brauchen sicher auch mal ne Verschnaufpause. Ansonsten ist die Band natürlich wie immer sehr witzig und durchaus nett anzuschauen. Auch, dass sie sich selbst nicht allzu ernst nehmen, macht alles sympathisch, doch im Allgemeinen ist es einfach so, dass ich NoFX musikalisch uninteressant und langweilig finde. Sauber gespielt ist aber auf jeden Fall alles.
KK

So. 22.06.03 18:00 Hellacopters
Die Hellacopters lösen bei zahlreichen Rock'n'Roll-Fans wahre Begeisterungsstürme aus. Wie bekannt, spielen sie auch beim Southside sehr rotzig und dreckig. Sie sind stark 80s-beeinflusst und auch sonst kann man gut mit den Songs mitgehen, doch richtig begeistert bin ich nicht. Ich zumindest halte das Meiste nicht für besonders kreativ, was aber sicher Ansichtssache ist. Man kann die Band nämlich auf jeden Fall auch sehr cool finden.
KK

So. 22.06.03 19:30 Fu Manchu
Eine regelrechte Freude ist es, dass die Stoner-Rock-Helden aus Kalifornien den Weg nach Neuhausen gefunden haben. Fu Manchu machen einen ganz typischen Stoner-Rock-Sound, der die Betonung besonders auf die verblüffend punktgenaue und schnelle Gitarrenarbeit zieht. Sie sind einfach eine sehr gute Band, über die mir außer "empfehlenswert" eigentlich gar nicht so viel einfällt. 
KK

So. 22.06.03 20:00 Seeed
Seeed aus Berlin haben sich nach einigen Jahren jetzt den Status erarbeitet, den sie auch verdient haben. Bestätigt wird das durch den Zuspruch des Publikums. Dancehall scheint mehr Leute mitreißen zu können, als man glaubt. Wenn ich mich nicht verzählt habe, sind insgesamt 22 Musiker für das großartige Gesamtwerk verantwortlich. Bemerkenswert finde ich auch, dass nicht nur die Hits, sondern auch die restlichen Songs bei dem kompletten Publikum sehr gut angekommen sind. Als eine der wenigen Bands ohne Sprachbarriere konnte Seeed auch sehr gut die Masse in die Show mit einbeziehen und mit ihr in den Dialog treten.
KK

Julia Ackermann (JA)  und Kevin Kirchenbauer (KK)