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Musik an sich
 
Johann Sebastian Bach (1685-1750): Violinsonaten Teil 2 (BWV 1017-1019, 1023, 1026)
Bereits erschienen (MDG)
Barock
 

Musica Alta Ripa (Ursula Bundies und Anne Röhrig, Violine / Albert Brüggen, Cello / Joachim Held, Theorbe / Bernward Lohr, Orgel und Cembalo)

Sie gehören zu den Chef d oeuvres der Kammermusik: Bachs Sonaten für Violine und Basso Continuo. Entsprechend hat es sich kaum ein renommierter Violinist (und Klavierspieler) alter oder neuer (historisierender) Schule entgehen lassen, seine Version auf Platte bzw. CD zu verewigen. Im aktuellen Katalog dominieren die mittlerweile sehr zahlreichen ‚historisch informierten' Einspielungen, die diese Werke auf Instrumenten barocker Bauart und mit entsprechender Spieltechnik präsentieren. Doch bei aller (tatsächlichen oder vermeintlichen) Kenntnis alter Musizierpraxis ist auch hier der Interpretationsbogen weit gespannt.

Das Ensemble Musica Alta Ripa (1984 gegründet) legt nun bei MDG den zweiten Teil seiner Gesamteinspielung der Bachschen Sonaten vor. Sechs davon hatte Bach wohl erst nachträglich zu einem Zyklus (BWV 1014-1019) zusammengefaßt, die übrigen, darunter auch die hier eingespielte frühe Fuge BWV 1026, liegen verstreut vor. Ursula Bundies und Anne Röhrig teilen sich hier den Violinpart. Vergleicht man ihren Interpretationsansatz z. B. mit dem von Reinhard Goebel, der seine Gesamteinspielung mit Mitgliedern der Musica Antiqua Köln schon 1983 bei der Deutschen Grammophon Archivproduktion vorgelegt hat, wird der stilistische Wandel auch in der ‚historisch informierten' Aufführungspraxis deutlich.

Goebels Ansatz ist insgesamt gespannt, expressiv und virtuos, der Klang seiner Geige scharf konturiert. Die Motive erscheinen in der Phrasierung und Artikulation kleingliedrig und werden eher ‚sprechend' als sanglich aufgefaßt. Der kammermusikalischen Konzeption kommt die diskrete Akustik entgegen, zudem weist die Aufnahmetechnik den Spielern eine genaue räumliche Position zu.

Es ist nun keineswegs so, daß das Spiel von Ursula Bundies und Anne Röhrig weniger expressiv wäre. Aber ihre Interpretation, die mit etwas mehr Nachhall und weicher gezeichneten Linien aufgenommen ist, schwingt sich freier aus und betont den melodischen Fluß. Ihre Einspielung blickt sozusagen schon in die Zukunft und weist auf die Musik (und Spielweise) der Klassik im späten 18. Jahrhundert voraus, während Goebel die barocken Wurzeln Bachs im 17. Jahrhundert betont.

Beides hat seinen Reiz: Der singende, sonore Ton und das weniger analytische Klangbild in der MDG-Einspielung wirkt nicht ‚puristisch' und kommt vielleicht Hörern mit konventionelleren Erwartungen und Vorbehalten gegen ‚historisierende' Spielweisen entgegen. Freilich ist auch Goebels dramatisch pointierte Aufnahme weit davon entfernt, anämisch zu wirken. Letztlich ist es Geschmacksache, welchen Stil man hier bevorzugt. Empfehlenswert ist die neue Aufnahme auf jeden Fall.

16 von 20 Punkte

Georg Henkel

 

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