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Mactätus - Sardonischer Untergang statt irreligiöser Darbietungen
 

Mactätus sind nach viel zu lang anmutender Pause wieder zurück und im Geschäft, was ihnen folgerichtig – oder eben auch nicht – sogleich von allen Seiten vorgehalten wird. Warum eine der spielstärksten Black Metal-Bands dieser Tage sich verteidigen muss, weil ihr Album „Suicide“ betitelt ist, leuchtet wahrscheinlich niemandem weniger ein als mir.

Schelte der Presse war demnach ein Thema, das im Gespräch mit Gaut, einem der beiden Gitarristen in Reihen der Norweger, zur Sprache kommen musste. Doch auch über, natürlich, Suizid wurde diskutiert, über das Leben und den Tod, wobei Gaut sich freundlich, zugleich aber sehr bestimmt zeigte, und darüber hinaus vor allem als eines: Ein integrer Künstler.

Zu aller erst richtete sich mein Interesse aber auf die Geschichte der Band von den Anfangstagen hin zur heutigen Sextettkonstellation, welche aufgrund der nicht sonderlich starken Medienpräsenz der Norweger für so manch bislang Uninformierten aufschlussreich sein könnte.

"Die erste Inkarnation von Mactätus kam bereits 1989, damals noch unter dem Namen Blasphemy, über die Welt. Vertreten wurde dieses unter unheiliger Flagge segelnde Schlachtschiff von Vokalist Hate Rodvitnesson und mir, Gaut, an der Gitarre. Wenig später schloss unser ab dato zweiter Gitarrist Ty sich uns bei der Suche nach einem geeigneten Schlagzeuger an, der jedoch erst 1993 in Mjolne gefunden wurde.

Nach Vervollständigung dieses Line-Ups wurden aus Blasphemy Mactätus und unser erstes Demo „In sorrow“ konnte eingespielt werden. Der damalige Stil kann am ehesten als Doom Death Metal bezeichnet werden, im weiter voranschreitenden Kreativprozess veränderte er seine Form dann mehr und mehr in Richtung Black Metal. „Sorgvinter“, unser zweites Demo, brachte uns den erhofften Plattenvertrag mit dem französischen Label Embassy Productions, für die 1993 mit Unterstützung des Aushilfsbassisten Herr Beukkefot das wenig beachtete Debütalbum „Blot“ eingespielt wurde. Die schlechte Arbeit der Plattenfirma für die CD war einer der Gründe dafür, dass Mactätus sich anschließend sehr schnell wieder von Embassy trennten.

Gut vier Jahre brauchte es dann bis zu unserem nächsten Lebenszeichen, der MCD „A dark journey“, mit der wir – verstärkt durch Keyboarder Forn und einen festen Bassisten in Person von Istar - uns erneut bei verschiedenen Labels bewarben, was zur Unterzeichnung bei den Österreichern von Napalm Records führte.

Dort erschien im Frühjahr 1999 „Provenance of cruelty“, welches von Emperors Samoth produziert das zweite Album, dennoch aber quasi das erste international vernehmbare Lebenszeichen der Band überhaupt darstellte. Istar verließ darauf die Band und wurde durch Mefistofeles ersetzt, womit die bis heute stabile Besetzung komplettiert war. Das Jahr 2000 sah die Veröffentlichung des Albums "The complex bewitchment" und den Re-release von "Blot" auf Moribund Records.

Und im Januar 2002 schließlich wurde das Abyss Studio geentert, um „Suicide“ aufzunehmen, das vierte Mactätus-Album, das am 22.05. auf die Menschheit losgelassen worden ist."

Eine nicht unproblematische Biografie voller Einschnitte, Rückschläge und zu überbrückender Wartezeiten. Auch in den knapp zwei Jahren zwischen dem dritten und dem vierten Album war es sehr still um Mactätus. Auch ein Grund dafür, dass Mactätus trotz unbestrittener musikalischer Klasse noch keinen wirklichen Durchbruch zu verzeichnen haben, was Gaut ebenfalls gern geändert sähe.

"In der von dir genannten Zeit bin ich umgezogen, um zu studieren, weshalb wir die Band für einige Zeit komplett auf Eis gelegt haben. Danach haben wir weiter geprobt und das neue Material ausgearbeitet, uns dafür aber sehr viel Zeit gelassen und außerdem das Leben abseits der Musik nicht zu kurz kommen lassen.

Mactätus ist fast ausschließlich eine Studio- Band, die bislang nur einzelne kleine Konzerte hinter sich hat. Wir haben uns ehrlich gesagt auch nicht sonderlich bemüht, auf Tour zu kommen, was sich nach der Veröffentlichung von „Suicide“ ändern soll. Auf Tour zu gehen ist eine sehr wichtige Form der Promotion, weshalb wir nun in dieser Richtung mehr Anstrengungen unternehmen. Wir hätten allerdings schon erwartet, seitens des Labels hierbei mehr Unterstützung zu erfahren."

Genau dieses Label hat einige meiner Meinung nach eher alberne, weil auf purem Namedropping beruhende Werbeanzeigen in Auftrag gegeben, auf denen "Black Metal geschmiedet vom Meister persönlich" zu lesen ist. Ein Slogan, der weder in Peter Tägtgrens Ohren, noch in denen der Mactätus-Mitglieder überzeugend klingen kann.

"Die Produktion ist sehr, sehr gut und zudem perfekt zu unserem Songmaterial passend. Ich gebe nicht viel auf die erwähnte Werbung, aber Peter ist nun einmal ein großartiger Produzent. Dass das Statement der Plattenfirma reines Klischee ist, ist letztlich unerheblich; Peter hatte keinerlei Einfluß auf die Songs, von "Concluding act of violence", zu dem er die Vocals beigesteuert hat, abgesehen."

Von den Vocals zu einem weiteren randgermanischen Ausdruck, nämlich den Lyrics: Die Bewegung der Mactätus-Texte weg von typischen Black Metal-Inhalten und hin zum oben erwähnten Konzept ist mir sehr willkommen und wirkt trotz des makabren Topos geradezu erfrischend. Die Kehrtwende ist in diesem Fall als gemeinschaftlich beschlossene Kurskorrektur anzusehen, ins Korsett musste niemand gezwungen werden.

"Hate und ich gaben den Anstoß, als wir über das Thema Selbstmord diskutierten und dabei der Einfall aufkam, es auf das neue Album anzuwenden. Wir präsentierten die Grundidee den anderen und die waren begeistert von der Idee, so dass mit dem Schreiben der Stücke und der dazugehörigen Texte begonnen werden konnte."

Das Gesamtkonzept ist dabei nicht besonders "coole" oder "schockende" Unterhaltung, sondern vielmehr ein Weg, über Geschehnisse der Wirklichkeit zu reflektieren.

"Es ist etwas, das jeden beschäftigt, jeder macht sich Gedanken darüber, und ich wollte meine zum Ausdruck bringen. Das ist das grundlegende Fundament für die Wahl des Themas. In keiner Weise verbirgt sich Berechnung dahinter, wir wollen uns durch die Verarbeitung der vorliegenden Thematik sicher nicht interessanter machen. Auch Vorfälle wie der bei euch in Erfurt haben selbstverständlich keine Verbindung zu unseren Texten, da diese bereits im Vorfeld entstanden sind. Ähnliche Taten wurden schon so oft begangen, und wir sind, wie alle anderen Menschen, begierig dahinter zu kommen."

Indes produzierte sich ein schwarzweißgedrucktes Magazin deutscher Schwermetall-Legaten jüngst mit Vorhaltungen, verunglimpfte deren Intention gar als "ziemlich lauen Ansatz der Pseudo-Betroffenheitsmasche". Für mich mehr als unverständlich, wenn nicht unverschämt, für den sonst sehr besonnen Gaut Veranlassung, aus der Haut zu fahren.

"Ich will den mir hier eingeräumten Platz nutzen, um all denen, die unsere Aufrichtigkeit anzweifeln, ein heftiges „Fuck off“ entgegen schallen zu lassen. Das gewählte Thema hat unsere Neugier geweckt und spielt sich zudem in einer Grauzone der Gesellschaft ab, über die trotz ihrer Wichtigkeit nicht entsprechend berichtet wird.

Sämtliche Kommentare dazu werden von mir mit Verständnis und Demut entgegengenommen, und als Künstler bin ich selbstverständlich für alle meine Arbeit betreffenden Reaktionen offen. Aber manche Leute fällen ihre Urteile definitiv zu schnell. Ich jedoch weiß, was meine Worte mir bedeuten, so dass ich mich wirklich nicht darum schere, wenn mich jemand, der absolut nichts daraus zu ziehen weiß, die Früchte meine Kreativität kritisiert.

Diese sind - in diesem Fall leider - nicht durchgängig fiktiv.

"Einige von uns sind selbst mit Selbstmord in Kontakt gekommen und Menschen gekannt, die diesen Weg gewählt haben. Sie erhalten keinerlei Respekt meinerseits, Suizid ist eines Feiglings Weg zu sterben, wer ihn wählt, entscheidet sich für den einfachen Ausweg aus schwierigen Situationen."

Oder, in der Lyrik von Mactätus gesprochen: "One chooses to fade towards death in honor or vanity".

"Mit Ehre zu sterben ist gleichbedeutend damit, dem Tod auf natürliche Weise zu begegnen. Das Leben, sowohl das eigene, als auch das anderer abzukürzen, dafür stehen Leere und Nichtigkeit. Der Protagonist unserer Geschichte versucht, sich selbst davon zu überzeugen, seine Opfer hätten ihr Schicksal selbst gewählt. In seinen Augen ist es ihre Schuld, dass sie von ihm getötet werden; er projiziert seine Schuld auf die Toten."

Der Tod der zuletzt geistig vollkommen verwirrten Hauptperson wird in „Broken dreams of death“ geschildert, einem Stück, welches sich stark aus den restlichen des Albums heraushebt. Nicht nur, dass die Keyboards wesentlich flächiger eingesetzt werden, auch die zuvor langen Satzkonstrukte werden urplötzlich durch simple Phrasen der Kategorie „Come on, do it, it’s easy“ ersetzt, was dadurch zu erklären sein dürfte, dass in diesem Fall Hate den Text schrieb. Ein ungewöhnliches, dennoch beabsichtigtes Ende der CD?

""Broken dreams of death" ist der älteste Song auf diesem Album, wir schrieben ihn während der Arbeiten an „The complex bewitchment“ und dachten noch lange nicht an das Verfassen der „Suicide“-Texte. Das Thema ist passenderweise trotzdem das selbe, auch wenn die Lyrics eine simplere, sehr viel direktere Annäherung an die Materie aufzeigen, was auch der Grund dafür ist, dass wir den Track nicht unter die neueren gemischt, sondern als passenden Schlusspunkt des Gesamtwerkes positioniert haben. Es ist ein sehr grimmiger, böser und groovender Song, der einen Platz auf dem Album auf jeden Fall verdient."

Was außer ewig skeptischen Mactätus-Kritikern niemand in Abrede stellen dürfte. Derer gibt es einige, denen besonders die auffallende stilistische Nähe von „Suicide“ zum letzten Dimmu Borgir-Studioalbum missfallen dürfte. Nicht nur eine überaus druckvolle Produktion, auch die Integration eigentlich stilfremder Elemente, in Mactätus’ Fall einer Violine, entwickeln sich allem Anschein nach zu Markenzeichen der Vorreiter einer neuen Generation von Black Metal-Bands. Keine Rücksicht auf Darkthrone-Fans?

"Das als Black Metal bekannte Genre hat seit den Old School-Jahren Anfang der Neunziger umfassende Weiterentwicklungen erfahren, was aber nur die Stärke und die großartigen Möglichkeiten demonstriert, die diese Musik aufbieten kann. Es gibt so viel mehr als den alten Stil. Was die Zuhörer betrifft: Die Fans müssen die Musik für das mögen, was sie ist, andernfalls ist sie nicht aufrichtig. Mactätus wollen nicht den Fans folgen; wir wollen, dass sie sich uns anschließen, aufgrund dessen, was wir ihnen bieten. Die Band hat sich in diese Richtung entwickelt und wir werden nie etwas tun, das uns nicht widerspiegelt.

Und um Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin ein riesiger Darkthrone-Fan, nur ist ihre Musik eben nicht die, die ich selbst spielen wollte."

Sorgen um das eigene Ansehen innerhalb einer Szene macht sich der Gitarrist dementsprechend wenig, zumal er sich nicht einmal einer zugehörig fühlt.

"Ich spiele die Musik, die ich spielen will, auf die Weise, wie ich sie spielen will. Welche Namen mir die Leute geben oder unter welcher Überschrift sie mich einsortieren, ist völlig bedeutungslos. Was ich nicht möchte, ist, mich nach anderer Erwartungen zu richten oder der von ihnen vorgegebenen Richtung zu folgen.

Auch meine persönlichen Einflüsse sind sehr verschiedenartiger Natur. Viele Arten von Musik finden mein Gehör und dieser Tage ist das Wenigste davon Black Metal. Momentan bin ich viel mehr an älterem Heavy Metal und progressiver Musik interessiert, was nicht heißen soll, dass ich nicht nächste Woche wieder beim BM der alten Schule angelangt sein könnte. In meinem Leben gibt es musikalische Perioden, und was ich mir anhöre, verändert sich von Zeit zu Zeit stark."

Ein Ausblick in die Zukunft: Welche Träume will sich Gaut noch unbedingt erfüllen?

"Der größte Traum ist es, von der Musik leben zu können, und dem hier als einziger Arbeit nachgehen zu können.

Im Moment arbeiten wir mit Agenturen zusammen, um zumindest eine Skandinavien-Tour oder allerwenigstens für den Herbst ein paar Konzerte als Vorgruppe zu organisieren.

Außerdem soll recht bald neues Merchandise erhältlich sein. Deine Vorschläge werden wir bei der Gestaltung der Shirts gerne berücksichtigen."

Worauf der Verfasser dieser Zeilen schmierig grinsend hofft.

Letzte Worte?

"Black Metal isn`t just music, but a way of life."

Thorbjörn Spieß

 

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