Musik an sich


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De Sayve, L. (Tubéry)

Messe zur Krönung von Kaiser Matthias (1612)


Info
Musikrichtung: Barock Geistliche Musik

VÖ: 01.07.2008

(Ricercar / Note 1 / CD 2006/ Best. Nr. RIC 266)

Gesamtspielzeit: 52:32



URWÜCHSIG

Lambert de Sayve (1549-1614) gehört zu jenen Kleinmeistern, deren Musik heute zunächst wegen des historischen Kontextes interessiert, in dem sie einst erklungen ist. Wie gut, dass der aus der Nähe von Lüttich stammende Komponist im Dienst der Habsburger stand und darum als Komponist 1612 mit der Musik zur Kaiserkrönung seines Gönners Erzherzog Matthias beauftrag wurde. Welche Werke von ihm zu den heiligen Zeremonien genau erklangen, darüber lässt sich zwar nur spekulieren. Die liturgischen Texte für eine solche Prozedur standen freilich fest – nur ihre angemessen prunkvolle „Einkleidung“ und Anreicherung mit weiteren geistlichen Gesängen oblag den Hofmusikern.
Das Ensemble La Fenice und der Choeur de Chambre de Namur unter der Leitung von Jean Tubéry haben sich bei ihrer Rekonstruktion als Fundament für die prächtigste der drei erhaltenen Messen von Lambert de Sayve entschieden: die vierchörige Missa super Dominus regnavit (für insgesammt 16 Stimmen). Zusammen mit ebenfalls prächtigen Motetten aus De Sayves Sammlung Symphoniae Sacrae sowie instrumentalen und gregorianischen Einlagen entstand so ein üppig klingender und abwechslungsreicher Soundtrack zu einem Ereignis aus längst vergangenen Zeiten.
De Sayves Musik offenbart in ihrem „originalen“ Rahmen ein brillantes Klangprofil und eine urwüchsige Musikalität, die die Satzkunst der späten Renaissance, venezianische Mehrchörigkeit und barocke Kraft in sich vereint. Man hört in der Musik sozusagen ein Gegenstück zu den wuchtigen Voluten und dem schweren verkröpften Gebälk der Altäre und den ekstatisch entrückten Heiligenfiguren des frühen Barock. Zu den vokalen Stimmen treten Zinken, Posaune, Fagott und Orgel. Das Klangbild der Motetten wird von effektvollen Wechseln zwischen Soli, kleinen und großen Ensembles beherrscht.
Das alles repräsentiert den Zeitstil auf qualitativ hohem Niveau und ist überdies in dieser Aufnahme sehr gut gemacht. Die Ausführenden wirken alles andere als routiniert, sondern musizieren mit hymnischer Freude. Auch die einstimmigen gregorianischen Partien verbreiten alles andere als nur musikologischen Weihrauch.



Georg Henkel



Trackliste
1Intrada (Alessandro Orologio)
2 Regna triumphalem (motetto a 12 voci, in tre cori)
3 Introïtus: Da pacem Domine sustinentibus
4 Sinfonia: Dominus regnavit exultet (intavolatura per due organi)
5 Kyrie
6 Gloria in excelsis Deo (Missa super Dominus regnatvi a 16)
7 Graduale: Rogate aque ad pacem sunt Jerusalem
8 Alleluia: Venite exultemus (a 12, in 4 cori di voci pari)
9 Da Pacem (motetto diminuito)
10 Credo in unum Deum (Missa super Dominus regnatvi a 16)
11 Offertorio: Laudate Dominum quia benignus est
12 Jubilate Deo (motetto a 16, in 4 cori)
13 Prefacio: Per omnia secula saeculorum
14 Sanctus (Missa super Dominus regnatvi a 16) & Elevatio: Sonata piano e grave per l’elevatione
15 (Adriano Banchieri: L’organo suonerino, 1611)
16 Agnus Dei (Missa super Dominus regnatvi a 16)
17 Sinfonia: Princeps gloriosissime (intavolatura per due organi)
18 Communio: Pacem meam do vobis
19 Deo Gratias: Plaudat nunc organis (motetto in sinfonia, a 8 in 2 cori)
Besetzung

Choeur de Chambre de Namur
Psallentes (Gregorianischer Gesang)
La Fenice

Jean Tubéry: Leitung



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