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Reviews
Händel, G. F. (Katschner)

Teseo


Info
Musikrichtung: Barockoper

VÖ: 17.06.2005

Arthouse Musik / Naxos
DVD (AD 2004) / Best. Nr. 100 708


Gesamtspielzeit: 166:00



GREAT MUSICAL ENTERTAINMENT

MYTHOLOGIE MIT BUDENZAUBER

Ja, so macht eine Händel-Oper Spaß: zupackendes Orchesterspiel, junge, passende Stimmen, authentische Verzierungen und eine Inszenierung, die den Stoff so ernst wie nötig und so unterhaltsam wie möglich aufbereitet. Aber eins nach dem anderen: Teseo war Händels zweite Londoner Oper. Ein Fest für sechs Spitzensänger/innen, darunter drei Kastraten. Die Handlung (nach einem französischen Libretto) schröpft die antike Mythologie: leicht psychopathische Zauberin (Medea, nach ihrem berüchtigten Kindermord) kompensiert ihren Liebesfrust, indem sie sich an einen wackeren Helden (Theseus) heranmacht, der sich allerdings in die hübsche Prinzessin (Agilea) verguckt hat, auf die leider auch der unstete Ex-Geliebte der Zauberin (König Egeo) scharf ist. Intrigen und teuflischer Budenzauber sind vorprogrammiert.

Händel hat dieser Plott erneut zu einer großen Arien-Revue inspiriert – vor allem, was die mehr oder weniger diskrete, aber stets geschickte Zweitverwertung seiner italienischen Opern- und Kantatenkompositionen angeht. Stilistisch ist die Oper zwar noch nicht auf der Höhe der subtilen Charakterporträts des reifen Komponisten. Dafür ist die Musik ungemein knackig, ausdrucksstark und phantasievoll. Die Arien zünden wie ein Silversterfeuerwerk.

SÄNGER/INNENFEST

Mit besonderer Hingabe hat Händel Medea musikalisch ausgestaltet – eine Vorahnung seiner Alcina. Maria Riccarda Wesseling singt die Zauberin bravourös, mit Verve und Furor bringt sie die Rachegöttin ebenso überzeugend auf die Bühne wie die unglücklich Liebende. Den Barock faszinierte dieser Typ, der zugleich begehrenswerte Frau und dämonische femme fatale ist. Und Wesseling hat auch sichtlich Lust, die Extreme ihrer Rolle auszutesten: Ihre Medea, die mit ihrem gruftigen Makeup und pelzigen Fummel gelegentlich wie eine Figur aus einen Ralf König-Comic wirkt (und tatsächlich der berühmten Medea Maria Callas’ nachempfunden sein dürfte), bewegt sich trittsicher auf dem schmalen Grat zwischen Karikatur und Tragödin.
Als Objekt zauberischer Begierde gibt Jacek Laszczkowski einen in jeder Hinsicht ebenbürtigen Partner ab. Laszczkowski hat erst spät das Fach eines männlichen Sopranisten für sich entdeckt. Umso beeindruckender seine stimmliche Potenz: Er kann den Ton noch in der höchsten Höhe vom zartesten Piano bis zum explosiven Forte anschwellen lassen, verfügt für einen Countertenor über ein erstaunlich großes farbliches Differenzierungsvermögen und klingt in allen Registern volltönend und angenehm timbriert. Wie es der nicht gerade kräftig gebaute Sänger so ganz nebenbei schafft, seine nicht unbedingt girlie-schlanke Partnerin über die Bühne zu tragen, bleibt ein Rätsel.
Seine Kollegen Martin Wölfel als Egeo und Thomas Diestler als Arcane sind stimmlich auf ihre Weise bestens für ihre Rolle disponiert: Wölfel gibt mit weich oder auch zickig modulierter Stimme einen ebenso wankelmütigen wie herrischen Narziss. Diestler mit seinem satten und beweglichen Altus agiert sehr überzeugend als verliebter oder eifersüchtiger Höfling.
Die beiden anderen Damen, Miriam Meyer als patente Clizia und Sharon Rostorf-Zamir als leidensbereite Agilea, wissen ebenfalls, ein schönes Timbre mit hinreißender Agilität und intensivem Ausdruck zu verbinden.
Das Orchester der Lautten Compagney Berlin spielt unter Wolfgang Katschner zünftig auf. Trotz der kleinen Besetzung ist der Klang – wohl auch aufgrund des intimen Spielorts, dem „Schlosstheater Neues Palais“ in Potsdam – präsent und süffig. Die kernige Phrasierung und flotte, jedoch nicht übereilte Tempi passen bestens zu den effektvollen Arien und lassen die Spannung auch in den Rezitativen nicht erlahmen.

MENSCHEN, DÄMONEN, SENSATIONEN - UND EINE PRISE IRONIE

Zur Empfehlung wird diese Produktion aber nicht zuletzt durch die gelungene Szene. Mit Axel Köhler hat ein erfahrener Händelsänger die Regie übernommen. Das insgesamt schlichte Grundkonzept – schwärzlich-monochrome Schiebekulissen – sorgt für einen wandlungsfähigen Bühnenraum, der mal Stadtmauer, mal Thronsaal, mal Zitadelle der Zauberin ist. Köhler, unbekümmert um Aktualisierungen und vermeintliche „Botschaften“, inszeniert stets nahe an der Musik, nimmt die griffige Rhetorik der Arien auf und übersetzt sie in eine stimmige Gestik und Personenführung. Witzige Einfälle und ironischen Brechungen unterlaufen das Pathos der Haupt- und Staatsaktion und sorgen dafür, dass die Charaktere in ihrer Ambivalenz und Menschlichkeit kenntlich bleiben. Und – und das ist nicht das Wenigste – dass die Oper für die Dauer von beinahe drei Stunden bestens unterhält.



Georg Henkel



Besetzung

Maria Riccarda Wesseling, Medea
Jacek Laszczkowski, Teseo
Martin Wölfel, Egeo
Thomas Diestler, Arcane
Miriam Meyer, Clizia
Sharon Rostorf-Zamir, Agilea

Sänger/innen des Fachbereichs Musikpädagogik der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg
Lautten Compagney Berlin
Wolfgang Katschner, Ltg.

Axel Köhler, Regie
Stephan Dietrich, Bühne und Kostüme


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