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Vivaldi und das Urheberrecht



Vivaldis Oper „Motezuma“ gilt nach der sensationellen Wiederentdeckung schon jetzt als ein Meilenstein seines bühnenmusikalischen Spätwerks. Die Handlung berichtet von den Geschehnissen rund um die Eroberung Mexikos und brachte erstmals in der Geschichte des europäischen Musikdramas ein den amerikanischen Kontinent betreffendes Sujet auf die Bühne. Die Noten zu dem Werk waren seit seiner Uraufführung im Jahre 1733 in Venedig verschollen. Erst 2001 wurde sie mit dem geamten Noten-Archiv als sog. Beutekunst an die Berliner Sing-Akademie zurückgegeben. Unter der Vielzahl der Partituren und Autographe fand der Hamburger Musikwissenschaftler Steffen Voss bei der Sichtung des Archivs 2003 auch "Motezuma". Die Sing-Akademie veröffentlichte Anfang 2005 eine Ausgabe der Partitur und genehmigte eine konzertante Aufführung im Juni in Rotterdam.
Jetzt sollte das Werk im Rahmen zweier Festivals in szenischer Umsetzung eigentlich einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt werden. Unter anderem war dies als einer der Höehpunkte für den kommenden "Düsseldorfer Altstadtherbst" geplant. Erhebliche Sponsorengelder und Mittel der Kulturstiftung des Bundes und des Landes NRW waren bereits in das Projekt geflossen.

Aber: Die Aufführung darf nicht stattfinden, wie das Landgericht Düsseldorf im Rahmen einer einstweiligen Verfügung jetzt entschieden hat (es wurde inzwischen Berufung eingelegt).
Das Gericht folgte damit dem Antrag der Sing-Akademie Berlin. Es sei "überwiegend wahrscheinlich", dass die Sing-Akademie aus ihrer Veröffentlichung der Partitur im Januar Verwertungsrechte ableiten kann. Nach dem Willen der Sing-Akademie soll die Uraufführung - "der hohen Bedeutung des Werkes angemessen" - in einem international renommierten Opernhaus vonstatten gehen.

Nach geltendem, auf europäischen Vorgaben fußendem Urheberrecht (§ 71 UrhG) steht demjenigen, der ein bislang nicht erschienenes Werk, das niemals dem Urheberrechtsschutz unterstanden hat, erstmals öffentlich wiedergibt oder erscheinen läßt, daran für die folgenden 25 Jahre das ausschließliche Verwertungsrecht zu. Er allein darf also bestimmen, wann, wo und von wem es aufgeführt wird, ob die Noten veröffentlicht werden, ob es einen Radiomitschnitt oder eine CD-Produktion geben darf.
Der Ansatzpunkt für die Rechtsvertreter des "Altstadtherbstes" im Prozeß ging dahin, dass inzwischen eine Kopie des Werkes aufgetaucht sei, die aus einer Kopistenwerkstatt des 18. Jahrhunderts stamme, so dass das Werk schon damals im Sinne der genannten Vorschrift "öffentlich erschienen" sei.

Ob dieses Argument verfängt, wird demnächst das Oberlandesgericht Düsseldorf zu entscheiden haben. Hier mag es um die grundsätzlichere Frage gehen, ob der Schutz, den das Urheberrecht an dieser Stelle gewährt, nicht ganz allgemein zu weit geht.
Der Sinn der Norm leuchtet dabei zunächst ein: Wer sich die Mühe macht, ein Werk "auszugraben", soll dafür belohnt werden. Nur: Die Belohnung fällt recht üppig aus. Es würde wohl genügen, demjenigen, der das Werk entdeckt und wiederveröffentlicht bzw. wiederaufführt, ein Recht auf eine angemessene Vergütung für jede weitere Verwertung in den folgenden Jahren einzuräumen. Dass diese Person oder Organisation aber die Möglichkeit erhält, nach Gutdünken für 25 Jahre ggf. überhaupt jede weitere Verbreitung und Nutzung zu unterbinden, gewährt ihr einen exklusiven Zugriff auf Werke, die zum kulturellen Erbe ALLER Menschen zählen. Es kann nicht angehen, dass durch historische Verwicklungen der Sing-Akademie das Recht in den Schoß fällt, gleich einer Zensurbehörde zu bestimmen, wer "Motezuma" in welcher Form aufführen darf und wer die Oper zu hören bekommt. Die Gleichstellung der Rechte mit denen eines Urhebers erscheint in solchen Fällen überzogen. Immerhin entsteht das Urheberrecht aufgrund einer eigenen geistigen, schöpferischen Leistung, während die ebenso umfangreichen Befugnisse des "Wiederentdeckers" u.U. nicht mehr erfordern, als vielleicht rein zufällig in einem alten Schuhkarton auf ein Werk zu stoßen, dieses ein paarmal zu kopieren und zu verteilen.
Ein Minimum von Anstandsgefühl seitens der Verantwortlichen, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass hier bereits erhebliche Aufwendungen einschließlich des Einsatzes öffentlicher Gelder für eine Aufführung getätigt wurden, hätte wohl dafür gesorgt, einen nur die Eitelkeit befriedigenden Gerichtsprozeß zu vermeiden. Wenn der Anstand dafür nicht reicht, so wird es Aufgabe des Gesetzgebers sein, die Rechte des "Wiederentdeckers" auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen.
Jedenfalls nimmt es sich merkwürdig aus, wenn sich die Verantwortlichen eines öffentlichen Zwecken dienenden Archivs gebärden wie launische Privateigentümer einer Musik, zu der sie nicht eine Achtel-Note beigetragen haben.


Sven Kerkhoff



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