Musik an sich


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LaBrassBanda: Es gehört zu uns, dass wir uns auf der Bühne komplett verausgaben!




Info
Gesprächspartner: LaBrassBanda

Zeit: 12.06.2013

Interview: Telefon

Stil: Balkan-Reggae-Ska-Techno-Polka-Blasmusik

Internet:
http://www.labrassbanda.com
https://www.facebook.com/LaBrassBanda

Seit der Spider Murphy Gang gab es wohl keine Band aus Bayern mehr, die derart viel Staub aufwirbelte, wie LaBrassBanda aus dem beschaulichen Chiemgau. Mit ihrer kosmopolitischen Blasmusik hat die authentisch wirkende Gruppe, die komplett frei jeglichen „Alpenrock-Klischees“ agiert, wohl den richtigen Nerv getroffen. Das sprach sich unter anderem bis zum NDR durch, der LaBrassBanda zum Vorentscheid des Eurovision Song Contests einlud. Wie diese Geschichte für Deutschland ausging, dürfte allerdings wohl bekannt sein. Kürzlich veröffentlichte man mit Europa sein drittes Studioalbum, das ein breites Spektrum von organisch erzeugten Dance- über Popsongs, bis zum beschaulich-sparsamen Trompetenstück bietet. Und immer mittendrin: der Mundartgesang von Frontmann Stefan Dettl. Den muss man allerdings nicht wirklich verstehen, um die Musik von LaBrassBanda zu mögen. Hochdeutsch ist den studierten (Klassik bzw. Jazz-/Popularmusik), aber ganz und gar unakademisch daher kommenden Musikern generell ein Graus und so wurde das folgende Interview mit Posaunist Manuel Winbeck selbstverständlich „entdialektisiert“.


In letzter Zeit kommt ihr ganz schön herum: Teilnahme beim ESC-Vorentscheid, Support-Tour für Die Ärzte, Auftritt bei TV Total. Früher hörte man eure Musik eher als Hintergrundbeschallung bei z.B. Galileo. Macht sich hier auch der Wechsel zum Indie-Label Trikont zum Major Sony Music bemerkbar?

Man merkt einfach, dass die Firma von der Infrastruktur viel größer ist und es sich deswegen mehr Möglichkeiten bieten. Trikont ist ein wahnsinnig tolles Label, sehr schön und äußerst charmant. Es ist nur so, dass die Firma aus vier Personen besteht, die für alle Veröffentlichungen zuständig sind, während sich hier fünf Personen fast nur um uns kümmern. Es ist einfach eine viel größere Reichweite möglich.

Beim Auftritt bei Stefan Raab hat man das erste Mal eure neue Live-Besetzung bewundern können, nachdem Gründungsmitglied, Bassist Oliver Wrege ausstieg. Ist das nur für diese Tour oder könntet ihr euch das länger vorstellen?

Wir werden es auf jeden Fall für die Tour dieses Jahr so machen. Den Plan die Band etwas aufzustocken gab es schon, bevor der Olli sagte, er wolle sich jetzt auf andere Sachen konzentrieren. Die Lieder und Arrangements sollten auch auf der Bühne breiter aufgestellt werden können, um es etwas interessanter zu gestalten. Das macht sauviel Spaß mit den neuen Leuten - auch an die alten Sachen heranzugehen, die dadurch ganz neu eingekleidet werden.

War es anfangs nicht etwas komisch ohne den Olli auf der Bühne zu stehen? Ihr habt sonst immer wie eine eingeschworene Gemeinschaft gewirkt.

Es gibt natürlich Situationen, in denen der Olli abgeht, in denen man merkt, was er eigentlich für ein Typ war. Das kommt auch immer wieder und das wird auch im Sommer der Fall sein. Aber im Endeffekt ist es schon interessant, etwas Neues auszuprobieren und sich mit den Gegebenheiten auseinander zu setzen, bei dem etwas Neues entstehen kann.

Auftritte im Ausland, nacheinander den Zirkus Krone und die Olympiahalle in München ausverkauft, Mitmachen beim Eurovision Song Contest, Auftritte auf den größten Festivals - und das alles in relativ kurzer Zeit. Wird einem bei dem Tempo nicht manchmal etwas schwindelig?

In dem Moment in dem man in der Tour drin ist, kann man gar nicht mehr unterscheiden, ob es jetzt schnell oder langsam geht. Man befindet sich ein einem „Tunnelmodus“, in dem viele Sachen passieren, die man in dem Moment nicht so richtig verarbeiten kann. Man speichert das ab und ein oder zwei Jahre später kommt es wieder hoch. Es geht natürlich schon alles wahnsinnig schnell. Aber irgendwie passt es auch wieder, wenn man in dem ganzen Fluss drin ist.

Mit einem gewissen Abstand, was waren eure bisherigen Highlights?

Es gibt ganz viele Highlights. Wir hatten von Anfang an große Lust nach draußen zu gehen - einfach weit weg. Da hatten wir die Möglichkeit in Sibirien zu spielen oder in Afrika. Das waren für uns als Musiker wie als Menschen großartige Erfahrungen. Oder natürlich auch Festivals die man früher nur als Fan kannte oder schon immer davon geträumt hatte; z.B. das Chiemsee Reggae Summer oder das Roskilde Festival in Dänemark. Das sind Highlights die man nicht mehr vergisst.


Entstammt dieser Reiselust auch der Albumtitel Europa?

Genau, das ist ein Wegbegleiter von Anfang an. Wir suchten schon immer den Kontakt nach draußen. Was kann man mit unseren Liedern machen, mit unseren bayerischen Texten? Ist es unmöglich, dass man damit rausgeht oder funktioniert es irgendwie, dass auch Leute weit weg vom heimatlichen Bayern das verstehen und gut finden? Das waren auch die schönsten Erfahrungen, wenn man irgendwo hin kommt, nicht weiß wie es ankommt oder ob einen die Leute verstehen. Wenn das Publikum dann positiv darauf reagiert, ist das besonders toll.

Die Erwartungshaltung der Fans auf das neue Album war sicherlich nicht gerade klein. Habt ihr einen besonderen Druck während der Arbeiten gespürt?

Beim Arbeiten im Studio zu Hause sind wir eigentlich schon immer für uns. Da können wir alles was draußen passiert gut ausblenden. Es geht nur darum, was wir wollen und wobei wir uns gut fühlen. Ich glaube das ist auch der einzige Weg, etwas auf die Beine zu stellen das einen selbst zufrieden stellt. Wenn man nur irgendwelchen Erwartungen hinterher läuft, tut man sich ganz schwer.

Eure ersten beiden Platten klangen recht basisch, fast wie Liveaufnahmen. Jetzt scheint ihr euch aber so richtig mit den Möglichkeiten eines Studios auseinander gesetzt und experimentiert zu haben. Von housemäßigen Stücken wie „Schweden“ und „Frankreich“, bis zu ganz reduzierten Sachen wie „Russland“ ist einiges Interessantes dabei.

Wir haben in alle Richtungen ausprobiert. Wir versuchten das erste Mal mit einem Produzenten zusammen zu arbeiten. Das haben wir allerdings größtenteils wieder verworfen. Es war zwar cool, hat sich aber noch nicht richtig angefühlt. Dann haben wir das wieder verworfen und komplett neu angefangen und sind dadurch auch wieder auf ganz ursprüngliche Sachen zurück gekommen. Wir haben komplett in Eigenregie aufgenommen und viel rumprobiert. Wir haben auch noch ein wenig in der elektronischen Musik geforscht und recherchiert was mit unseren Möglichkeiten machbar ist. Es ist einfach interessant neue Möglichkeiten auszuloten und mit anderen technischen Möglichkeiten rumzuspielen und sich dort nicht zu verlieren, zu schauen, wo man noch was rauskitzeln kann, ohne sich zu verbiegen. Ich glaube es eine runde Sachen geworden.

Wie lange habt ihr denn an dem Album gearbeitet? Ich denke, ihr habt die längere Livepause intensiv genutzt.

Die intensive Arbeitsphase war ungefähr sechs bis sieben Monate. „Russland“ z.B. gibt es schon länger. Das hat Stefan 2009, kurz bevor wir nach Russland gefahren sind, als Vorausschau geschrieben. Er hat versucht ein Stück zu schreiben, wie er sich Russland vorstellt. Die Uraufführung war dann auch in der transsibirischen Eisenbahn.

Wie entstehen im Allgemeinen die LaBrassBanda-Stücke?

Die ersten Kompositionen entstehen meistens beim Stefan. Er ist sozusagen der Komponist von LaBrassBanda. Und dann entwickeln sich die Lieder einfach. Ich schreibe Texte dazu, teilweise auch der Stefan. Anschließend werden die Lieder gemeinsam mit der Band ausgearbeitet. So richtig in der Band wird dann überwiegend das Livearrangement ausgetüftelt.

Was mir an LaBrassBanda gefällt, ist dass ihr euch nicht immer nach typischen Pop-Songwriting-Formeln richtet. Fast scheint es, als gäbe es keine stilistischen Grenzen. Gibt es trotzdem etwas, das Du Dir nicht vorstellen könntest?

In dieser Richtung sind wir ziemlich offen. Wo es sehr schnell aufhört ist, wenn es zu belanglos und „lalala“ wird. Nur ausprobieren alleine geht nicht. Wenn dann muss man es schon richtig machen. (lacht)


Obwohl, mit „Nackert“ habt ihr aber schon ein wenig leichte Popmusik-Luft geschnuppert. Aber ich denke, diese Struktur war ja auch mit einem bestimmten Ziel verbunden.

Eigentlich nicht so wirklich. Mitten in der Produktionsphase des Albums kam Anfrage vom ESC, ob wir uns vorstellen könnten, dort mitzumachen. Unsere Überlegung war, wenn wir dort auch wirklich live spielen dürfen, dann sind wir dabei. Wir waren darauf nicht wirklich vorbereitet und hatten das Lied noch gar nicht richtig ausgearbeitet, als wir zusagten. Die Entscheidung fiel beim Durchhören der Demoversionen eher intuitiv. Während der Vorproduktionen sind wir immer wieder am Lied „Nackert“ hängen geblieben und hatten das Gefühl, dass das der richtige Song für den ESC wäre.

Nachträglich seid ihr aber nicht ganz böse, dass ihr nicht lang Malmö fahren durftet, bzw. musstet, oder?

Wir sind eigentlich total entspannt, was dieses Ergebnis betrifft. Wir sind zum einen froh, dass sich der NDR getraut hat, nach 15 Jahren in dem Wettbewerb wieder eine Band live spielen zu lassen. Das ist schon ein Gewinn für die Fernsehlandschaft. Der Jury hat es halt einfach nicht gefallen. Damit muss man leben. Ansonsten freut es uns, dass die Radiohörer durchweg so auf unsere Musik reagiert haben und dass wir auch bei der Telefonabstimmung so gut abgeschnitten haben. Das passt schon! Natürlich, wenn man da mitmacht, möchte man auch gerne gewinnen. Aber es war nicht so, dass wir total angefressen gewesen wären, dass es nicht hingehauen hat.

Eure Texte sind eher persönlicher Natur, verbreiten auch ein bisschen Heimatgefühl und einen Anflug von Freiheit. Gibt es aber auch Sachen, über die ihr nicht singen würdet?

Das ist bei uns keine wirklich bewusste Entscheidung. Wir sind von der Ausbildung her ja eigentlich reine Instrumentalmusiker. Das mit dem Texteschreiben ist erst mit der Band hobbymäßig dazu gekommen. Wir gehen sehr unverkrampft an diese Geschichte ran und schauen einfach intuitiv was am Ende herauskommt. Es gibt nichts, über das wir krampfhaft schreiben wollen, aber auch nichts, das von vornherein ausgeschlossen wäre. Es ist situationsabhängig.

Dann schließe ich daraus, dass der Gesang auch mehr ein Nebenprodukt der Musik ist.

Das kommt automatisch, nachdem wir unsere Instrumente beruflich gelernt haben. Deswegen sind wir dort auf einem anderen Niveau, als beim Texten, das wir nur aus Spaß an der Freude machen. Ich glaube aber, dass es trotzdem eine gute Bereicherung für Lieder ist, wenn dazu gesungen wird. Und die Leute finden das schon auch ziemlich gut, glaube ich.

Livespielen oder die Kreativität im Studio zu Hause - was hältst Du für erfüllender?

Ich brauche beides. Ich arbeite wahnsinnig gerne zu Hause und probiere rum. Nach ein paar Monaten zu Hause merkt man dann aber schon, dass man wieder raus unter die Leute und auf Tour gehen muss. Genauso ist es anders herum. Es ist wahnsinnig schön auf Tour zu sein und eine tolle Zeit mit den Leuten vor Ort zu haben. Nach einer gewissen Zeit ist der Punkt erreicht, an dem du wieder nach Hause zurück ins Studio möchtest und einfach für dich sein und sich selbst weiterentwickeln. Das gehört für mich untrennbar zusammen.

Diskografie
Habediehre (2008)
Übersee (2009)
Live aus dem Zirkus Krone München (DVD, 2010)
Live Olympiahalle München (2012)
Europa (2013)
Wie viel auf der Bühne ist bei LaBrassBanda eigentlich spontan? Als ich euch vor ein paar Jahren auf dem kleinen Woodstock Festival gesehen habe, wirkte einiges davon recht anarchisch.

Das Wichtigste auf der Bühne ist, dass sich der Moment einstellt, in dem es völlig funktioniert, in dem der Groove einfach passt, in dem jeder im Zuschauerraum berührt vom dem Stück ist. Wenn es mal nicht so einfach ist das herzustellen, dann wird schon viel spontan auf der Bühne umgeschmissen und darauf hingearbeitet, Teile wiederholt oder einfach mal abgebrochen und neu angesetzt. Da passiert schon viel spontan. Ich glaube, es ist immer eine Frage was man haben möchte - ob man einen perfekten Ablauf möchte, an dem alles an seinem vorbestimmten Platz ist oder ob man wirklich das Gefühl haben möchte, dass es eine harte Arbeit war, es aber ab einem Punkt gewissen Punkt alle mitgerissen hat.

Ich glaube das zweite ist für den Zuschauer auch das Spannendere.

Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Ich glaube schon auch, dass es für den Zuschauer sehr interessant ist, wenn auch mal etwas in die Hose geht, wenn sich dann jeder zusammen reißt und man schaut sich an, nimmt nochmals einen Anlauf und bekommt es dann doch hin.

Welche Lieder spielst du auf den Konzerten am liebsten? Jetzt gerade wohl die neuen?

Jetzt mit den Zusatzmusikern ist sowieso jedes Lied wieder ein bisschen neu. Es haben sich die einzelnen Parts geändert, die Zuteilungen und die Melodien. Gerade macht eigentlich alles Spaß, wenn man das neue Programm auf die Beine zu stellt.

Die zwei neuen Trompeter sind sicherlich auch eine große Entlastung für den Stefan.

Eigentlich ist es auch für mich eine große Entlastung. Wenn der Stefan gesungen hat, habe ich den Begleitungspart übernommen. Jetzt habe ich immer jemanden, der mich dabei unterstützt. Begleitung ist das härteste was es gibt, wenn du es allein machen musst. Es fängt eigentlich erst an richtig an zu grooven, wenn du zwei Stimmen hast, wie es bei Rockbands die Gitarre macht oder das Keyboard oder in der Blaskapelle zwei Begleiter. Es war früher immer ein Kampf. Mit der größeren Besetzung macht es schon ziemlich Spaß.

Macht sich dann auch eine neue Lockerheit bei LaBrassBanda breit?

(lacht) Ja, schau mehr mal. Nein, das entscheidet sich dann auf der Bühne, wie locker wir sind. Es gehört auch zu uns, dass wir uns auf der Bühne komplett verausgaben, an Anschlag gehen und schwitzen und rote Köpfe haben. Das ist auch für die Leute schön zu sehen, dass auf der Bühne Typen stehen, die sich richtig ins Zeug hängen. Und das wird uns auch mit der größeren Besetzung weiter begleiten.

Welche bayerischen Klischees treffen denn auf LaBrassBanda zu? Mir fallen gerade Dinge wie bayerische Gemütlichkeit, Traditionsbewusstsein, großer Bierdurst, furchtbarer Grant und Dickschädeligkeit ein.

Alles ein wenig, glaube ich. (lacht) Wir sind ganz gemütliche Typen, wenn es um Geselligkeit geht. Wenn es um unsere Arbeit geht, können wir auch sehr ehrgeizig und ungemütlich sein. Natürlich hat auch jeder von uns einen dicken Schädel auf - und das ist auch ganz gut so, dass jeder ein eigener Kopf ist. Das gibt dann auch die Würze, dass das am Ende das rauskommt, was es ist.

Spielt der Begriff Heimat auch eine große Rolle für euch?

Das ist natürlich für jeden eine sehr wichtige Sache, dass er einen Ort hat an den er hingehen und sich entspannen kann und sich zu Hause fühlt. Das ist glaube ich für jeden Menschen auf der Welt ganz wichtig. So auch für uns. Nur mit der Verwurzelung können wir dann rausgehen und überall auf der Welt schauen, wie es dort aussieht. Wenn du entwurzelt bist oder einen solchen Punkt nicht hast, dann tust du dich schwer, dass du dich nicht verlierst.

Welche Ziele malst Du Dir für die Zukunft aus?

Wir sind erst einmal auf die nächste Tour fokussiert. Es ist gerade alles irgendwie neu und spannend. Da freuen wir uns richtig drauf. Und dann wird man sehen was passiert. Wenn das Album schon Europa heißt, muss man nächstes Jahr eine Europa-Tour machen - fände ich zumindest sehr schön und interessant. Ich glaube das ergibt sich jetzt alles im Laufe der Zeit. Jetzt konzentrieren wir uns erst einmal auf die aktuellen Sachen!




Mario Karl



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