Musik an sich


Reviews
Ohrenfeindt

Schwarz auf Weiß


Info
Musikrichtung: Vollgasrock

VÖ: 15.04.2011

(Phoenix Records)

Gesamtspielzeit: 44:05

Internet:

http://www.ohrenfeindt.de
http://www.phoenixrecords.de


Nachdem aktuell für Atomkraftwerke so genannte Stresstests eingeführt wurden, unterziehe ich mich mal selber einem: schaffe ich es, eine Rezension über ein Album von Ohrenfeindt zu verfassen, ohne den Namen einer sehr bekannten Hardrockband aus Australien zu erwähnen? Oh, das wird schwer! Normalerweise fällt nämlich immer dieser Name mit den vier Buchstaben und einem Schrägstrich in der Mitte, wenn von Ohrenfeindt die Rede ist.

Warum ist das so schwer? Nun, nicht nur bei den Vorgängeralben, sondern auch beim Hören des aktuellen Outputs Schwarz auf Weiß fühlt man sich unweigerlich an die Herren aus Down Under erinnert. Aber eigentlich nicht nur an diese, sondern vielleicht auch noch an Rose Tattoo (nicht nur musikalisch, sondern auch rein äußerlich...), Torfrock oder andere Hardrockhelden. Vom Kiez kommt man und zeigt der Welt, dass St. Pauli mehr zu bieten hat als einen just abgestiegenen Traditions-Fußballverein und die Prostituierten der Reeperbahn: nämlich einfach gute Musik. Wobei die Betonung hier (zum Teil) auf dem Wort "einfach" liegt, aber das muss ja nichts Schlechtes heißen, sondern ist in diesem Fall durchaus positiv gemeint. Vollgasrock nennen das jedenfalls Ohrenfeindt, und auch das ist durchaus passend: Die Musik geht jedenfalls ziemlich bleifußmäßig ab und nicht nur mit steigendem Promillegehalt im Blut können Ohrenfeindt immer mehr zum Ohrenfreundt werden.

Es gab in den letzten Jahren einige Besetzungswechsel bei Ohrenfeindt, einzige Konstante ist Sänger und Bassist Chris Laut. So ging beispielsweise der langjährige Trommler Stefan Lehmann letztes Jahr zum Mitstreiter Torfrock, doch auch mit Flash Ostrock (habe schon bessere Künstlernamen gehört) machen Laut und Dennis Henning da weiter, wo sie vor vier Jahren mit Mit Volldampf & Blaulicht aufgehört haben.

Los geht's mit typischen Hardrocknummern, bei denen viele der Riffs so gut abgehen, dass man glauben könnte, sie kämen von einem neuen Album von ..... (na ihr wisst schon, die aus Australien...). Und Chris Laut (Nomen est omen - herrje, nach AKW, Fußball, Alkohol und Prostituierten kommen jetzt plötzlich noch lateinische Zitate - ...so langsam entgleitet mir diese Rezension...) hört sich hier wirklich an wie die Reinkarnation von Bon Scott (†1980, Ex-Sänger von Fraternity) bzw. wie ein Klon von Brian Johnson (Ex-Sänger von Geordie). Typische Stücke sind hier"'N Job in 'ner Bank", "Alles auf Rot", "So viele Fragen", "Zu jung, zu schnell" oder "Motormädchen". Die erste Single "Sie hat ihr Herz an St. Pauli verloren" kann sogar etwas an Status Quo erinnern. Doch Ohrenfeindt kopieren nicht nur, sondern machen ihr eigenes Ding. Die Texte sind besser und tiefgehender als es die Songtitel vielleicht zunächst vermuten lassen ("In meinem Herzen steht das Penthouse leer, in meiner Seele singt kein Vogel mehr"), und u. a. mit "Valerie" hat man musikalisch wie inhaltlich ein wirklich tolles Stück abgeliefert.

Auch wenn St. Pauli jetzt aus der Bundesliga abgestiegen ist und statt der Kiezkicker nun die Augsburger mitspielen dürfen, hat St. Pauli immer noch ein paar Aufsteiger in petto: Ohrenfeindt! Schwarz auf Weiß ist jedenfalls einmal mehr ein tolles Album geworden, Fans von AC... - Halt, Stopp, war nur ein Schreibfehler, also nochmal: Fans von ach so bekannten Bands wie jene aus Australien können bedenkenlos zugreifen (...puh, gerade noch die Kurve gekriegt...). Wer guten und rauen Deutschrock mag wird bestens bedient, Fans von anderen musikalischen Formaten mit vier Buchstaben wie ABBA oder DSDS sollten aber besser mal Abstand nehmen (oder einfach mal ihr musikalisches Spektrum erweitern). Ohrenfeindt sind die perfekte Musik für die Hardrockparty oder für's Auto, bei mir wird das Album im CD-Regal jedenfalls einen Ehrenplatz gleich neben AC/DC bekommen - uuups, jetzt ist es doch passiert...



Jürgen Weber



Trackliste
1'N Job in 'ner Bank2:42
2 St. Pauli, Du rockst3:07
3 Alles auf Rot3:23
4 Motormädchen3:18
5 Schwarz auf Weiss2:26
6 Heul den Mond an4:35
7 So viele Fragen3:49
8 Wenn die Sonne untergeht3:18
9 Valerie5:06
10 Zu jung, zu schnell3:12
11 Sie hat ihr Herz an St. Pauli verloren3:14
12 Wart' auf Dich5:55
Besetzung

Flash Ostrock - Trommeln, Lala
Dennis Henning - Strom-Gitarren, Lala
Chris Laut - Bass, Mundharmonika, Hals sowie Öko-Gitarre & Piano ("Wart' auf mich")


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