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Nazareth: Auch nach über 40 Jahren noch laut und stolz darauf!




Info
Künstler: Nazareth

Zeit: 20.05.2010

Ort: Roth - Kultfabrik

Besucher: ca. 250

Fotograf: Mario Karl

Internet:
http://www.nazarethdirect.co.uk

Die schottischen Haudegen Nazareth touren nach über 40 Jahren immer noch live in Deutschland - eine Tatsache, die wirklich bemerkenswert ist. Nachdem Frontmann Dan McCafferty im Frühjahr mit einem klassischen Orchester und dem ehemaligen Foreigner-Sänger Lou Gramm sowie Toto-Fröntröhre Bobby Kimball unterwegs war, schiebt er jetzt mit seiner „Hauptband“ noch ein paar Konzerte hinterher. In einem Interview im Internet mit Bassist Pete Agnew war zu lesen, dass im Gegensatz zum Vorjahr die Setlist kaum verändert wurde. Dies liegt daran, dass die Band weniger Zeit hatte, neue Songs einzuüben, da Dan lange mit dem Klassik-Orchester unterwegs war. Aufgrund unseres Interviews entging uns leider die Multikultitruppe Tri State Corner, die durch ihren recht modernen Sound laut Ohrenzeugen leider nicht übermäßig euphorisch aufgenommen wurde.

Wir platzieren uns in der Halle vor Gitarrist Jimmy Murrison. Um 21:00 Uhr geht das Licht aus und das Intro mit der schottischen Dudelsackmelodie ertönt. Es geht los mit dem Opener schlechthin, „Telegram“. Der Sound kommt ziemlich druckvoll rüber, allerdings hört man anfangs fast nur die Gitarre. Nach dem zweiten Song merken wir, dass das an Jimmys Gitarrenverstärkern liegt, die unglaublich laut eingestellt sind. Wir stellen uns vor Pete Agnew, und der Sound wird klar und deutlich. Jimmy muss unglaublich schlecht hören, wenn er so brutal aufdreht. Das doomige Riff von „Miss Misery“ läutet einen der wohl härtesten Nazareth-Tracks überhaupt ein. Was Dan hier gesanglich abliefert, ist der absolute Wahnsinn. Überhaupt wundert es mich schon, wie er nach 40 Jahren Live-Musik noch immer so gut singen kann. „Dream On“ animiert das Rother Publikum zum Mitsingen, das bis dahin noch ziemlich zäh daherkommt. Dan fordert die Leute auf den Sitzplätzen der Empore auf, sich zu erheben - doch leider erfolglos. Dafür macht der Rest im unteren Bereich ganz gut mit.

„The Gathering“ vom neuen Album The Newz wird regelrecht eingeprügelt und kommt beim Publikum sehr gut an. Der nächste Song ist mein Lieblingslied „My White Bicycle“, eine Kifferhymne allererster Güteklasse. Der Text ist einfach nur grandios! Während des Solos führt Dan McCafferty ein schottisches Tänzchen auf, was wirklich sehr witzig aussieht. Die zweite Ballade „Heart’s Grown Cold“ verbreitet Gänsehautstimmung, es wird hier sehr deutlich, dass die Band auch gesanglich top aufeinander abgestimmt ist. Bei der JJ Cale-Nummer „Cocaine“ fällt mir auf, dass Bassist Pete Agnew hier Läufe spielt, die fast nicht nachzuvollziehen sind. In meinen Augen eindeutig einer der besten Bassisten im Hardrockbereich und gnadenlos unterbewertet.

Es wird Hit auf Hit präsentiert und die Zeit vergeht wie im Flug. Nachdem bei „Hair Of the Dog“ die obligatorische Dudelsackeinlage vorbei ist, beendet die Überballade „Love Hurts“ den regulären Showteil. Als erste Zugabe wird das Traditional „Long Black Veil“ gespielt, bei dem Dan und Pete einen Hammer-Gesang abliefern. „See me“, bei dem ebenfalls die folkige Seite der Band rauskommt, wird vom Rother Publikum begeistert abgefeiert (das absolute Highlight des Abends! - Anm.MK). Der Kracher „Razamanaz“ und natürlich „This Flight Tonight“ beenden nach 100 Minuten das Konzert.

Nazareth bekommen begeistert Beifall, auch die Sitzplatzbesitzer lassen sich jetzt erweichen und machen mit. Die alten Säcke haben's wieder mal bewiesen: Rock'n'Roll ist keine Frage des Alters, sondern der Einstellung! Es wäre schön, wenn Nazareth in dieser Form noch lange live zu sehen sind. Einziger Kritikpunkt: Etwas mehr Abwechslung in der Setlist hätte es im Vergleich zu 2009 schon sein können.


Setlist:
Telegram
Turn On Your Receiver
Miss Misery
Dream On
Bad Bad Boy
The Gathering
My White Bicycle
Heart's Grown Cold
Shanghai'd In Shanghai
Cocaine
Hair Of The Dog
Holiday
Love Hurts
---
Long Black Veil
See Me
Razamanaz
This Flight Tonight




Stefan Graßl



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