Musik an sich


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Mozart, W. A. (Mackerras)

Don Giovanni (DVD)


Info
Musikrichtung: Wiener Klassik Oper

VÖ: 18.05.2009

(Opus Arte / Naxos / 2 DVD / 2008, live / Best. Nr. OA1009D)

Gesamtspielzeit: 202:00



STARKE ERSTE HALBZEIT

Wenn Charles Mackerras den Don Giovanni dirigiert, dann hat man unweigerlich seine fulminante, ernergiegeladene Einspielung mit dem Scottish Chamber Orchestra aus dem Jahre 1995 (Telarc) als klangliches Vorbild im Kopf. Daran nun allerdings reicht das Orchester des Opernhauses Covent Garden nicht ganz heran, was vor allem auf den deutlich flächigeren Streicherklang zurückzuführen ist. Ansonsten aber blitzen jedenfalls im ersten Akt dieses Londoner Live-Mitschnitts von 2008 noch viele von Mackerras klugen Interpretationsansätzen auf. Im zweiten Akt hingegen lässt Mackerras immer mal wieder die Zügel schleifen. Die Ensembleszenen zerfasern und das große Finale hat man schon dramatischer, packender gehört.

Auch hinsichtlich der Inszenierung gerät der erste Akt überzeugender. Die Regisseurin Francesca Zambello bebildert das Geschehen zunächst eher zurückhaltend, setzt - bei fast klassischer Kostümierung - ganz auf die von der Musik vorgegebene Personenführungen. Einige Regieeinfälle im zweiten Akt müssen allerdings als missglückt bezeichnet werden: So etwa, dass an die Stelle der Statue des Komturs eine überdimensionale, metallgestellartige Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger (der berühmte moralische...) tritt - nur kann sich Leporello mit dieser schlecht unterhalten und sie zum Abendessen einladen. Der Auftritt des Komturs und die Höllenfahrt Don Giovannis schließlich sind zwar von imposant vielen Flammen und Rauch umgeben, aber es ist der berühmte Rauch um nichts. Die Figuren agieren in dieser Umgebung hilflos und mit abgedroschenen Gesten.
Und wenn nach dem Schlusschor noch einmal kurz ein Bild aufblitzt, das Don Giovanni in der Hölle zeigt, eine nackte Frau auf den Armen haltend, so ist ein solcher Hinweis, dass für diesen Titelhelden Himmel und Hölle möglicherweise in eins fallen, doch arg plakativ.

Sängerisch ist die Einspielung überwiegend von beachtlichem, wenngleich nicht höchstem Rang.
In der Titelrolle lässt Simon Keenlyside einen vor allem im Piano auffallend angerauten, aber immer noch kraftvollen Tenor hören und gibt damit eher den in die Jahre kommenden Schwerenöter als einen jugendlichen Verführer. Marina Poplavskaya spielt die Donna Anna eindringlich, doch fehlt ihrer Sopranstimme an einigen Stellen die Süße, um an die großen Rollenvorbilder heranzureichen. Klug besetzt ist die Donna Elvira mit Joyce DiDonato, deren Repertoireschwerpunkt sonst eher im Barockfach liegt und die daher prädestiniert ist, dieser leidenschaftlichen liebenden und leidenschaftlich hassenden Figur affektbetont nachzuspüren. Dass ihre große Arie "Mi tradi quell´alma ingrata" dennoch mehrmals verrutscht, liegt nicht an DiDonato, sondern daran, dass Mackerras hier ein falsches Grundtempo anschlägt und die Sängerin mit dessen konsequenter Beibehaltung ins Stolpern bringt.
Geradezu brillant ist hingegen die Leistung von Kyle Kettelsen zu nennen. Er spielt und singt den Leporello quicklebendig, humorvoll und höchst ausdifferenziert, so dass selbst ein alter "Schlager" wie die Registerarie zu neuem Leben erwacht. Miah Persson und Robert Gleadow präsentieren Zerlina und Masetto engagiert und mit jugendlichem Charme. Ramón Vargas erweist sich einmal mehr als Verdi-, denn als Mozart-Sänger, gibt er dem Don Ottavio doch unnötig Pathos bei.
Wirklich schwer hat es der Komtur: Die Regie hat Eric Halfvarson dazu verdammt, in der Art des Schwarzen Abtes aus Edgar Wallac-Verfilmungen des ZDF in Erscheinung zu treten. Maske, Kostüm und Mimik sind im Bemühen um vordergündigen Grusel so plump, dass man sie nur belächeln kann und darüber den Gesang fast versäumt.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Simon Keenlyside: Don Giovanni
Kyle Ketelsen: Leporello
Eric Halfvarson: Commendatore
Marina Poplavskaya: Donna Anna
Joye DiDonato: Donna Elvira
Ramón Vargas: Don Ottavio
Miah Persson: Zerlina
Robert Gleadow: Masetto

The Royal Opera Chorus
The Orchestra of the Royal Opera House

Charles Mackerras: Leitung

Francesca Zambello: Regie


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