Musik an sich


Reviews
Montebassem, H. – Farajpoori, S. (Shajarian – Dastan Ensemble)

Mayeh-Ye Dashti & Mayeh-Ye Isfahan. Klassische Iranische Musik


Info
Musikrichtung: Weltmusik Ensemble

VÖ: 04.05.2009

(Celestial Harmonies / Naxos 2CD / DDD / live 2008 / Best. Nr. 14298-2)

Gesamtspielzeit: 123:47



ERGREIFEND & HYPNOTISCH

Rat, Kamancheh, Tonbak, Dayereh, Daf, Dammam, Kuzeh – geheimnisvoll klingende Namen entrücken einen schon beim Durchblättern des CD-Beihefts in eine fremde musikalische Welt. Gut, dass im ansonsten nicht besonders redseligen englischen Kommentar wenigstens diese Instrumentalbezeichnungen genauer erläutert werden. Abbildungen davon gibt es auch. Denn unter der persischen Kurz- und Langhalslaute oder der Spießgeige sowie den diversen Fellschlaginstrumenten wird man sich als westeuropäischer Hörer wohl in den meisten Fällen nicht viel vorstellen können.

Das renommierte Dastan Ensemble präsentiert im Mitschnitt seines Berliner Konzerts vom Februar 2008 zwei Stunden Klassische Iranische Musik. Obzwar die Musik von zwei Mitgliedern des Ensembles, Hamiud Motebassem (Langhalslaute) und Said Farajpoori (Spießgeige), neu auf mittelalterliche oder moderne persische Dichtungen komponiert wurde, führt sie doch in eine Zeit zurück, in der Iran noch nicht vom nicht uneingeschränkt musikfreundlichen Islam dominiert wurde. So ist es auch möglich, dass zum Beispiel vom Dichter Jalalleddin Rumi (13. Jhd.) in einer rauschhaften Hymne an die (göttliche) Liebe in der vierten Strophe unbefangen der Wein besungen wird. Das Stück ist übrigens einer der vielen Höhepunkte dieser herrlichen Produktion, die jeden Hörer, der sich auf die manchmal fremdartige Musik einzulassen bereit ist, tief zu ergreifen vermag.

Welch eine Hingabe und Schönheit gibt es hier zu erleben! Nicht nur die traumwandlerische Sicherheit und (es mag sich freilich auch nur für westliche Ohren so anhören) die modernen Klangwirkungen im Zusammenspiel der Instrumentalisten lassen einen hoffen, dass das gerade aktuelle Stück auf der Platte noch nicht das letzte gewesen sein mag!
Es ist auch der ungemein bewegende Vortrag des jungen Sängers Homayoun Shajarian, der einen mit seiner erschütternden Gesangskunst in den Bann schlägt. Der Stil ist zugleich auf faszinierende Weise stilisiert-ornamental und individuell. Durch die unendlichen Variationen in Timbre, Rhythmus sowie halb- und vierteltöniger Melodik bzw. Verzierungen realisiert der Sänger feinste Nuancen des Ausdrucks.
Es ist eine Gratwanderung zwischen präziser Deklamation und fantastisch schweifendem Gesang. Unsere vergleichsweise „purifizierten“ westlichen Stimmen erreichen nur selten diese Unmittelbarkeit des Ausdrucks. Auch ohne die englischen Übersetzungen der persischen Poesie bereitet es keine Schwierigkeiten, den Ausdrucksbewegungen der Musik zu folgen. Hypnotisch ist dabei das trotz der rhythmischen Pointierung überwiegend ruhige, gemessene Tempo. In großen, spannungsvoll mäandernden Bögen verströmt sich die Musik. Die rund 18 Minuten, die das Doppelstück benötigt, mit dem der zweite Teil des Konzerts eröffnet wird, werden mit einem musikalischen Reichtum erfüllt, der die Zeit wie im Fluge vergehen lässt. Die reine Freude, hier zuzuhören und in den Schlussjubel des Publikums einzustimmen!



Georg Henkel



Besetzung

Homayoun Shajarian: Gesang

Dastan Ensemble



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